Hamburg . Der Nabu übt erneut scharfe Kritik an Kreuzfahrt-Reedereien. In Sachen Umweltschutz passiere zu wenig. Reedereien weisen das zurück.
Wer in der Kreuzfahrtbranche etwas zu sagen hat, ist am Mittwoch in Hamburg. Denn in der Hansestadt startet die Fachmesse Seatrade Europe – und die Reedereichefs haben allen Grund zu feiern: Der deutsche Kreuzfahrtmarkt wächst ungebremst, er ist mit zwei Millionen Passagieren im vergangenen Jahr zum zweitgrößten in der Welt hinter den USA geworden. Doch eine Nachricht, die am Dienstag veröffentlicht wurde, dürfte den Managern die Feierlaune verderben. Es ist das neue Kreuzfahrt-Ranking des Naturschutzbunds Deutschland.
Wegen Schummelei in der Rangfolge hinabgestuft
Alljährlich bewertet der Nabu die Kreuzfahrtschiffe europäischer Anbieter hinsichtlich ihrer Umweltschädlichkeit – und jedes Mal kommt die Branche schlecht weg. Kreuzfahrtschiffe pusten genauso wie Handelsschiffe viele Schadstoffe in den Himmel – und während ihrer Liegezeit in den Häfen tragen sie erheblich zur Luftbelastung bei. Doch in der diesjährigen Bewertung sorgt die Umweltschutzorganisation für eine Überraschung: Sie hat einst besser bewertete Schiffe wegen Schummelei in der Rangfolge herabgestuft. Das dürfte vor allem beim AIDA-Präsidenten Felix Eichhorn die Stimmung trüben. Denn die Schiffe gehören zu seiner Reederei.
Im vergangenen Jahr hatte der Nabu das Flaggschiff von Deutschlands größter Reederei, die „AIDAprima“, noch auf Platz eins gesetzt – und explizit die Vorbildfunktion des Schiffes in Sachen Abgasreinigung gelobt. In diesem Jahr steht die „AIDAprima“ nur an sechster Stelle. Begründung: „Die Angaben der Reederei zu den Abgassystemen haben sich als Luftnummer erwiesen“, sagt Dietmar Oeliger, Leiter der Verkehrspolitik beim Nabu.
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Sowohl die „AIDAprima“ als auch ihr Schwesterschiff „AIDAperla“ sollen nach Reedereiangaben eigentlich über Rußpartikelfilter und Katalysator verfügen. „Wir und einige Fernsehsender haben die Abgase in Hamburg, auf Island in der Nordsee und im Mittelmeer gemessen. Die Schadstoffkonzentrationen waren extrem hoch, da sind keine Abgasfilter im Einsatz“, so Oeliger. Über die Gründe dafür will der Nabu-Experte nicht spekulieren. „Wir können ja nicht nachprüfen, ob die Reinigungssysteme überhaupt eingebaut sind.“
Auf Anfrage des Abendblatts teilte AIDA Cruises mit Sitz in Rostock und Hamburg mit, dass nicht nur die beiden neuesten Schiffe, sondern vier weitere Kreuzfahrer über ein System zur Abgasnachbehandlung verfügen, das die Emissionen von Feinstaub, Stickoxiden sowie Schwefeloxiden um 90 bis 99 Prozent reduziert. „Die technischen Zulassungen der Abgasnachbehandlungssysteme sind auf allen sechs Schiffen erfolgt. Und wo wir die Genehmigung zum Betrieb der Systeme in unseren weltweiten Fahrtgebieten und Häfen haben, werden diese auch genutzt“, so die Reederei. Für die Elbe fehle aber die Genehmigung. „Das Abgasreinigungssystem arbeitet mit Wasser, das die Schadstoffe auswäscht. Für die Einleitung des Waschwassers in die Elbe gibt es noch keine Erlaubnis, weil das Bundesamt für Immissionsschutz zunächst eine Studie zu dem Waschwasser durchführen will“, so ein AIDA-Sprecher.
Spitzenreiter ist jüngerer Teil einer TUI-Flotte
Neue Spitzenreiter im Nabu-Ranking sind der jüngere Teil der TUI-Flotte „Mein Schiff“ 3–6 und die „Europa 2“ von Hapag-Lloyd Cruises, weil sie einen Katalysator haben. Hapag-Lloyd Cruises wird zudem zugutegehalten, auf die Verbrennung von Schweröl als Treibstoff in der Arktis zu verzichten. Allerdings hat die „Europa 2“ im Nabu-Ranking ebenfalls einen Stern eingebüßt: Zwar verfügt das Schiff über einen Anschluss zur Versorgung mit Landstrom während der Liegezeit im Hafen. Dieser werde aber nicht genutzt. Der Chef von Hapag-Lloyd-Cruises, Karl J. Pojer, hat aber bereits angekündigt, dass die „Europa 2“ in Kürze die Energieversorgung über Landstrom aufnehmen wird.
Dennoch bleibt der Nabu kritisch: Nicht ein einziges Unternehmen habe auf schriftliche Anfragen geantwortet. Nur der Branchenverband der Kreuzfahrtindustrie habe in einem allgemein gehaltenen Schreiben geantwortet. „Die Reedereien schicken den Branchenverband für die Drecksarbeit nach vorne, der dann auch noch bewusst mit falschen Zahlen operiert“, sagt Nabu-Experte Oeliger. So habe es noch 2016 geheißen, dass 23 Kreuzfahrtschiffe mit einem Rußpartikelfilter ausgerüstet seien. Diese Zahl wurde nun ersatzlos gestrichen. „Fakt ist nämlich, dass kein einziger Rußpartikelfilter in Betrieb ist.“
Die Folgen hätten die Bürger zu tragen, sagt Malte Siegert, Leiter der Umweltpolitik beim Nabu Hamburg. „Die Schifffahrt ist für fast 40 Prozent der Stickoxidemissionen in der Hansestadt verantwortlich. In einzelnen Wohngebieten nördlich der Elbe gehen mehr als 80 Prozent der Belastung auf Schiffe zurück.“ Die Verantwortlichen der Stadt würden hingegen jedes weitere Kreuzfahrtschiff als Riesenerfolg feiern. „Weil die Reeder die Investition in Abgastechnik scheuen, filtern nun die Lungen der Anwohner die Abgase – sie bezahlen das mit ihrer Gesundheit“, so Siegert.