Hamburg. Naturschützer stützen sich auf verdeckte Messung eines TV-Senders. Kreuzfahrtverband zweifelt an Aussagekraft der Werte.
Bisher hat der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Kreuzfahrtbranche wegen der Abgasbelastung durch ihre Schiffe in den Häfen im Visier. Doch in einer jüngsten Mitteilung zu dem Thema kritisiert der Nabu jetzt auch die angebliche Schadstoff-Belastung direkt an Bord. "Die Reedereien setzen die Passagiere einer hohen Konzentration gesundheitsgefährdender Schadstoffe aus", heißt es darin.
Werte 200-fach höher als natürliche Umgebungsluft
Der Nabu stützt seine Kritik dabei auf Messungen des französischen TV-Senders "Thalassa", der verdeckt die Luft an Bord eines Kreuzfahrtschiffes gemessen habe. Dabei hätten sich Konzentrationen ultrafeiner Partikel ergeben, die rund 200-fach über den Werten natürlicher Umgebungsluft lägen.
Zuvor hatte der Nabu selbst an Kreuzfahrtterminal wie in Hamburg die Luftbelastung gemessen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es auch dort hohe Belastungen durch gesundheitsschädliche Partikel aus Schiffsabgasen gebe. Die Werte lägen weit über denjenigen stark befahrener Straßen. "Der Zugang auf die Schiffe selbst wurde uns nicht gestattet", sagt der Nabu-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger. Die jetzt von den Franzosen gemessenen Werte direkt an Bord, seien "vermutlich" aber kein Einzahl, so der Nabu-Experte.
Als Konsequenz fordert der Nabu mehr Maßnahmen von den Reedern, unter anderem bessere Rußpartikelfilter.
Kreuzfahrtbranche: Behauptung ist unbewiesen
Die Kreuzfahrtbranche selbst reagierte am Dienstag skeptisch auf die vom Nabu verbreitete Nachricht. "Wir kennen die Messung nicht und die Behauptung ist völlig unbewiesen", sagte der Hamburger Kreuzfahrt-Experte und National Director des internationalen Kreuzfahrtverbands CLIA, Helge Grammerstorf. Zudem würden die Abgase aus Schornsteinen in 40 bis 50 Meter Höhe abgegeben – weit weg von den Passagieren. Grammerstorf widersprach zudem der Kritik, wonach die Branche zu wenig aktiv sei, um bessere Abgaswerte zu erhalten.
Eine Milliarde Euro sei in jüngerer Vergangenheit allein in die Abgasbehandlung investiert worden, bessere Partikelfilter könne die Industrie derzeit aber nicht liefern. Auch die Schwefelgrenzwerte in den Schiffstreibstoffen würden weiter abgesenkt. Das alles sei aber nur eine "Brückentechnologie", so der Kreuzfahrt-Experte. In Zukunft würden Schiffe fahren, die ganz andere und sauberere Treibstoffe wie Flüssiggas nutzen. Allein elf solche Kreuzfahrtschiffe befänden sich zur Zeit schon in Bau. Grammerstorf: "Und in Bezug auf die Zahl der Personen, die befördert werden, sind Schiffe sogar umweltfreundlicher als Pkw".
Ungeachtet der Kritik von Naturschützern wächst die Branche weiter. 2015 wurden rund 1,8 Millionen deutsche Kreuzfahrtpassagiere registriert – drei Mal soviel wie 2005. Eine Auswertung für 2016 liegt noch nicht vor, Branchenschätzungen gehen aber davon aus, dass es rund zwei Millionen Kreuzfahrtgäste waren.