Hamburg/Bremen. Angst um Elbvertiefung: In einem Brandbrief an Ministerpräsident Weil sehen Hamburg und Bremen Zufahrten zu den Häfen gefährdet.

Im Streit um von Niedersachsen geplante neue Naturschutzgebiete an den Mündungen von Elbe und Weser haben jetzt die Bürgermeister von Hamburg und Bremen einen gemeinsamen Brandbrief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil geschrieben.

„Wir sind in großer Sorge hinsichtlich des Verfahrens des Umweltministeriums des Landes Niedersachsen“, heißt es in dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt. Man sehe durch die geplante Ausweisung die „wichtigsten seewärtigen Zufahrten zu den großen deutschen Häfen gefährdet“, schreiben Olaf Scholz (SPD) und Carsten Sieling (SPD) ihrem Parteifreund in Hannover.

Europäisches Recht umsetzen

Dort sieht sich Ministerpräsident Weil in den letzten Wochen vor den vorgezogenen Landtagswahlen am 15. Oktober einem handfesten Koalitionskrach ausgesetzt. Während Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) die umstrittenen Naturschutzgebiete voranbringen will, fordert der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) aus Sorge um die Häfen zunächst eine Aussetzung der Pläne.

Tatsächlich liegen die Plan-unterlagen dafür in den betroffenen Gemeinden schon seit ein paar Tagen aus. Konkret geht es an der Elbmündung beispielsweise um ein Areal, das von der Kugelbake in Cuxhaven bis Freiburg (Landkreis Stade) reicht und als Lebensraum für Watt- und Wasservögel, aber auch für Schweinswale und Seehunde gilt. Dort sollen künftig Watt- und Vordeichflächen besser geschützt werden, die bereits bei der EU als Schutzgebiete gemeldet sind. Mit der Einrichtung eines Naturschutz­gebiets setze man daher lediglich europäisches Recht um, argumentieren das niedersächsische Umweltministerium und auch Naturschutzverbände. Die Fahrrinne der Elbe sei davon nicht betroffen.

Hamburgs Wirtschaft gegen neue Naturschutzgebiete

Doch das bezweifelt die Hamburger Wirtschaft offensichtlich – gerade mit Blick auf die geplante Elbvertiefung. Die Ausweisung eines Naturschutzgebiets in der Elbmündung dürfe weder die Fahrrinnenanpassung noch künftige Baggerarbeiten in der Fahrrinne beeinträchtigen, heißt es beispielsweise in einer Stellungnahme der Handelskammer Hamburg. Es sei zwar richtig, dass Niedersachsen EU-Vorgaben umsetzen will, so argumentiert die Handelskammer weiter. Aber die Ausweisung eines weniger strengen Landschaftsschutzgebiets täte es doch auch.

Auch die beiden Bürgermeister fordern jetzt weniger scharfe Naturschutzregeln. Die wirtschaftliche Entwicklung von Bremen und Hamburg könnte sonst „nachhaltig“ belastet werden, schreiben sie weiter an den niedersächsischen Kollegen. „Wir möchten Sie bitten, Ihren Einfluss auf das weitere Verfahren geltend zu machen, damit eine Ausweisung der seewärtigen Zufahrten als Naturschutzgebiet nicht erfolgt“, appellieren sie an Weil. Die naturschutzfachlichen Ge- und Verbote dort sollten auf das „europarechtlich notwendige Maß“ beschränkt bleiben.

Doch solche Forderungen prallen am niedersächsischen Umweltminister Wenzel offensichtlich ab: Kritik an den geplanten Naturschutzgebieten wies er kürzlich in einer Stellungnahme zurück. „Es würde helfen, wenn die Kritiker sich mit den rechtlichen Grundlagen aus­einandersetzen würden“, so Wenzel, der sich bereits häufiger gegen die Elbvertiefung ausgesprochen hatte.

Wirtschaft nicht wichtiger als Umweltschutz

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) pocht auf die Umsetzung europä­ischen Rechts. Und da die Bundesrepublik Regelwerken wie der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zugestimmt habe, müsse sie diese auch umsetzen, sagt der BUND-Landesvorsitzende Heiner Baumgarten. „Naturschutz ist keine Dispositionsmasse für die Wirtschaft. Hafenwirtschaftliche Interessen haben keinen höheren Stellenwert als der Schutz der einzigartigen Flussnatur.“

Anderer Meinung ist die CDU in Niedersachsen, die in Hannover nach der Wahl wieder den Ministerpräsidenten stellen will. Die „Ignoranz des grünen Umweltministers gegenüber elementaren wirtschaftlichen Interessen Niedersachsens“ mache fassungslos, sagt Niedersachsens CDU-Fraktionschef Björn Thümler.