Hamburg. Reinhold Beckmann lud – und viele kamen: 600 Gäste die “Nacht der Legenden“. Gastgeber erwägt neuen Anlauf für “Tag der Legenden“.

Es war 20.16 Uhr, als die bayerische Musik-Kabarettistin Lizzy Aumeier auf die Bühne des Tivoli schritt und die Botschaft des Abends verkündete: „Guten Abend, ich bin die Neue von Reinhold Beckmann.“

Dies war natürlich eine Nachricht aus der Abteilung „Fake News“. Denn selbstredend verbindet die außerordentlich vollschlanke Aumeier („Mein Körper ist mein Kapital“) aus dem Süden der Republik mit Nordlicht Beckmann, aufgewachsen in der Kleinstadt Twistringen bei Bremen, in etwa so viel wie Weißwurst und Labskaus.

Die "Nacht der Legenden" hat eine Neue

Und doch war die Begrüßung bei der „Nacht der Legenden“ im Tivoli so ganz falsch nicht. Denn Aumeier war an diesem Abend in gewisser Weise sehr wohl die „Neue“ von Beckmann. Der TV-Journalist vertraute Aumeier erstmals die Moderation seiner „Nacht der Legenden“ an. Im Vorjahr hatte sie sich für diesen Job durch einen Auftritt bei der Benefizgala empfohlen. Eine Kabarettistin aus Bayern, die herausragend Kontrabass spielt (Note „sehr gut“ beim Meistersinger-Konservatorium in Nürnberg), führt durch eine Gala am Kiez, die Blues, Comedy, Hardrock und elektronische Tanzmusik vereint – mehr Gegensätze kann es an einem Abend kaum geben. Was als eine Art Klassentreffen vor gut einem Jahrzehnt im Tivoli begann, ein musikalischer Schlussakkord für die Kicker beim „Tag der Legenden“ am Millerntor, zählt inzwischen zu den angesagtesten Charity-Veranstaltungen der Hansestadt.

Und noch nie war der Erfolgsdruck so groß wie in diesem Jahr. Denn nach dem Aus für den Legenden-Kick – das kleine Team um Beckmann konnte den immensen Organisationsaufwand nicht mehr stemmen – ruhten nun die finanziellen Erwartungen allein auf der Nacht im Tivoli. Der Verein Nestwerk, der seit 1999 Jugendliche in sozialen Brennpunkten fördert, braucht die Einnahmen dringend. „Die Herausforderungen werden noch größer“, sagt Nestwerk-Macher Beckmann. „Wir sind eine Säule der Jugendarbeit, wir sind auf eure Hilfe angewiesen.“ Entsprechend radikal hatte der TV-Moderator das Freikarten-Kontigent gestutzt. Und niemand freute sich mehr als er, dass die Rechnung am Ende aufging, das Tivoli war proppevoll. Selbst Ex-Nationalspieler Michael Ballack, dem andere Gala-Veranstalter sogar die Anreise bezahlen würden, damit er kommt, überwies für seinen gebuchten Tisch im Parkett brav 500 Euro pro Ticket. Oben im Rang waren die Kartenpreise mit 300 Euro zwar günstiger, aber immer noch happig.

Scooter und die Scorpions unterstützen Beckmanns Nestwerk gern

Aber andererseits weiß jeder Legenden-Stammgast, dass im Tivoli absolut Außergewöhnliches geboten wird. HP Baxxter etwa füllt mit seiner Band Scooter Arenen, am Sonntag ließ er 600 Gäste tanzen. „Ich war schon ein paar Mal als Gast bei der Nacht der Legenden. Ich finde es großartig, dass Nestwerk Jugendlichen in schwierigen Situationen hilft. Das unterstützen wir gern.“ Das finden auch die Scorpions. Am 16. September wird die Band um Sänger Klaus Meine wieder den Madison Square Garden in New York mit über 20.000 Fans rocken, die besten Tickets kosten über 340 Dollar. Am Sonntag spielten Meine und Kollegen unplugged im verglichen winzigen Tivoli. Meine findet, dass Beckmanns Engagement jede Anerkennung verdient habe. Und deshalb verzichtete er wie alle Künstler auf eine Gage.

Zum Auftakt hatte Matt Andersen das Tivoli fest im Griff. Der stimmgewaltige kanadische Blues-Gitarrist und Sänger sang im Juli bei „Inas Nacht“; die Sendung mit Ina Müller wird von Beckmanns Produktionsfirma „Beckground“ produziert. Über „Inas Nacht“ knüpft Beckmann seit Jahren Kontakte für die „Nacht der Legenden“.

Frank Ottos Nathalie fühlte sich "unpässlich"

Unten den Gästen war neben der gewohnten Fußballprominenz wie Olaf Thon, Bruno Labbadia und Tim Wiese auch Schauspieler Peter Lohmeyer, der mit Freundin Leonie Seifert kam, TV-Koch Tim Mälzer und Ex-Spielerfrau Sabia Boulahrouz. Unternehmer Frank Otto kam ohne Freundin Nathalie Volk, „sie fühlte sich unpässlich“. Beckmann warb vor der Pause mit Erfolg um Unterstützung für das Projekt „Tore zur Welt“ mit Sportangeboten für Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsunterkünften.

Bei aller Euphorie an diesem Abend – auch um Künstler aus der Abteilung Humor wie Bodo Wartke, Dirk Bielefeldt (alias Polizist Holm) oder Ralf Schmitz – war ein leiser Phantomschmerz bei den Machern unübersehbar. Ohne den „Tag der Legenden“ fehlt etwas im Tivoli. Die Anfahrt der 50 Fußballer mit dem Doppeldeckerbus. Der Einspielfilm mit den besten Szenen vom Millerntor. Das Fachsimpeln an der Bar über vergebene Chancen und feine Tricks. Auch Beckmann vermisst das große Spiel – und denkt intensiv über eine Fortsetzung des Benefizspiels nach. An Fans hat es schließlich nie gefehlt, bis zu 25.000 Zuschauern kamen Jahr für Jahr. Allerdings kann es ein Comeback nur mit einem Kooperationspartner geben. Zu wünschen wäre es Nestwerk. Und der Legenden-Nacht.