Hamburg. Eine neunköpfige Arbeitsgruppe gegen Raser und „Cruiser“ soll für Ordnung sorgen. Doch Gewerkschaft und FDP üben scharfe Kritik daran.
Die Zivilfahnder entdecken den Raser an den Elbbrücken. Mit 127 Kilometer pro Stunde rauscht der 26-Jährige am Dienstagabend in seinem Cabrio an den Beamten vorbei, sie nehmen die Verfolgung auf, aber der Mann stoppt nicht. Er überholt andere Fahrzeuge rechts und beschleunigt weiter. Auf 235 Kilometer pro Stunde. „Es ist ein Wunder, wenn bei solchen Aktionen niemand draufgeht“, sagt ein Polizist. Erst an der Raststätte Stillhorn können Beamte den Raser stellen.
Autofahrer wie diese sind Erzfeinde der Polizei. Oft sind sie in aufgemotzten Autos unterwegs, treffen sich mit Gleichgesinnten rund um die Alster, in Wandsbek, Harburg oder Allermöhe. Sehen und gesehen werden. Manchmal wird aus dem Blechvergleich ein spontanes Rennen. „Wir beobachten leider, dass diese Szene größer geworden ist. Es gibt auch mehr Beschwerden von Anwohnern über Lärmbelästigung“, sagt Polizeisprecher Timo Zill.
In Berlin wurde ein Raser wegen Mordes verurteilt
Den Fahrer vom Dienstagabend erwarten nun ein Bußgeld von 1500 Euro und ein Fahrverbot von drei Monaten. Reine Geschwindigkeitskontrollen reichen aber nach Ansicht der Polizei nicht mehr aus, um das Problem zu beherrschen. Selbst Maßnahmen wie die stationären Blitzer am Jungfernstieg hätten keinen nachhaltigen Erfolg gebracht. Deshalb greift das Präsidium nun zu einem drastischeren – und in diesem Fall umstrittenen – Mittel: Eine neunköpfige Arbeitsgruppe soll gezielt Jagd auf die PS-Protze machen.
Die Ermittler sollen an den „Tatwerkzeugen“ der Fahrer ansetzen: ihren aufgemotzten Autos. Oft haben die Mitglieder der sogenannten Cruiser-Szene an ihren Wagen illegale oder unangemeldete Umbauten vorgenommen, etwa übergroße Reifen oder Unterbodenbeleuchtung. „Wenn gravierende Verstöße festgestellt werden, kann das auch die Sicherstellung des Autos zur Folge haben“, heißt es dazu bei der Polizei. Für die Arbeitsgruppe werden sechs Beamte aus dem Verkehrsunfalldienst sowie drei Beamte aus dem Streifendienst abgezogen.
Diese Polizisten hätten bereits Fachkenntnisse zur Automobiltechnik – und werden nun zusätzlich geschult, um etwaige Mängel an den Fahrzeugen besser aufdecken zu können. Laut den Plänen der Polizei könnten künftig auch Gutachter direkt mit den Beamten der Arbeitsgruppe auf Streife gehen.
Auch Polizei-intern stoßen die Pläne auf Kritik
Die Pläne der Polizeiführung stoßen jedoch auch intern zum Teil auf deutliche Kritik. So kam es zuletzt in Hamburg nicht häufiger zu schweren Unfällen in Folge von Straßenrennen. „Die Einrichtung der Arbeitsgruppe ist vermutlich eine Reaktion auf das Gerichtsurteil aus Berlin, bei dem ein Raser nach einem tödlichen Unfall wegen Mordes verurteilt wurde – und auf eine Gesetzesverschärfung“, sagt Thomas Jungfer, stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Aus polizeilicher Sicht kann man sich schon die Frage stellen, was das jetzt soll.“ Erfahrungsgemäß würden die Auto-Poser ebenso wie die Cruiser bald ohnehin in eine „Winterpause“ gehen. „Das Phänomen ist schon saisonbedingt“, sagt Jungfer. „Bei gutem Wetter sind beide Gruppen unterwegs. Wird es kalt und schlechter, nimmt das Problem rapide ab.“
Den Gewerkschaften geht es auch um das Haushalten mit polizeilichen Ressourcen: So binden die Sonderkommissionen zum „Schwarzen Block“ beim G20-Gipfel, dem Barmbeker Attentäter Ahmad A., zu Fahrraddiebstählen und anderen Deliktfeldern viel Personal. Die Polizeipressestelle betont, dass es sich bei der Arbeitsgruppe zu den „Auto-Posern“ aber eben nicht um Beamte der Kriminalpolizei, sondern von anderen Dienststellen handele.
Opposition spricht von „Soko-Wahnsinn“
Die Gewerkschaft sieht aber auch die Verkehrsdirektion, bei der die Arbeitsgruppe mit Sitz an der Rennbahnstraße angegliedert ist, als belastet an. „Die Verkehrsdirektion ist jetzt schon unterbesetzt. Dort fehlen insgesamt rund 30 Beamte“, sagt Jungfer. Der FDP-Abgeordnete Carl-Edgar Jarchow spricht gar von einem „Soko-Wahnsinn“, dem die Polizei inzwischen verfallen sei. Statt „Schaufensterpolitik“ zu betreiben, müsse die Personaldecke der gesamten Polizei gestärkt werden. Nun sogar Beamte aus dem Streifendienst abzuziehen, das sei fahrlässig.
Der ADAC Hansa steht der Einrichtung der Arbeitsgruppe positiv gegenüber. „Wir begrüßen das“, sagt Sprecher Hans Duschel mit Blick auf das Gesetz zur Ahndung illegaler Straßenrennen, das Ende Juni im Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedet wurde. „Wenn man so ein Gesetz erlässt, ist es auch nötig, es konsequent durchsetzen zu können.“