Hamburg. Justizsenator Steffen (Grüne) hat Kooperation mit Schleswig-Holstein abgeschrieben und favorisiert nun die „Hamburger Lösung“.
Die seit Jahren geplante und geprüfte Kooperation im Strafvollzug zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein steht vor dem Aus. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen hat nach dem Regierungswechsel in Kiel die neue Koalition aus CDU, Grünen und FDP offensichtlich das Interesse an der Kooperation verloren. Zum anderen favorisiert Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) nach Abendblatt-Informationen mittlerweile eine andere Lösung: den Neubau einer kompletten Jugendhaftanstalt in Billwerder.
Doch der Reihe nach: Die von den beiden Länder-Parlamenten und den jeweiligen Regierungen angeschobene Reform sah vor, dass rund 55 jugendliche Strafgefangene aus Hamburg in den Jugend-Haftanstalten Neumünster und Schleswig untergebracht werden, und im Gegenzug etwa 60 weibliche Häftlinge aus Schleswig-Holstein im Hamburger Frauenknast in Billwerder einsitzen. Die Hoffnung beider Länder war, durch die Aufgabe je einer Spezial-Haftanstalt die Kosten reduzieren und so mehr Kapazitäten für die Arbeit mit den Gefangenen und deren Resozialisierung gewinnen zu können.
Projekt intern schon abgeschrieben
Erst vor einem Jahr war ein umfangreicher Zwischenbericht im Auftrag der Justizbehörde und des Kieler Justizministeriums zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Kooperation möglich ist: „Wir können jetzt sicher sagen, dass der gemeinsame Vollzug Sinn macht. Es wird funktionieren“, sagte Steffen seinerzeit. Auch seine damalige Kieler Amtskollegin Anke Spoorendonk (SSW) unterstrich die Vorteile.
Doch ihre Nachfolgerin, die CDU-Politikerin Sabine Sütterlin-Waack, teilt diese Sichtweise offenbar nicht. Das soll sie Steffen bei einem Treffen auch so erklärt haben. Auf Nachfrage erklärte ihr Ministerium zwar, es gebe noch keine endgültige Entscheidung: „Wir sind weiterhin in Gesprächen. Allerdings gibt es bei einzelnen Punkten Schwierigkeiten.“ Doch dem Vernehmen nach hat Sütterlin-Waack so viele „einzelne Punkte“ angeführt und die „Schwierigkeiten“ derart betont, dass Steffen das Projekt intern schon abgeschrieben hat.
Dafür hat er noch einen anderen guten Grund: Denn die Projektgruppe „Justizvollzug Hamburg 2020“ unter Führung der Justizbehörde, die mehrere Varianten durchgerechnet hat, kommt zu dem Schluss, dass es eine weitere gute Lösung gibt: den Neubau einer Jugendhaftanstalt in Billwerder – auf dem Areal an der A 1 befindet sich bereits Hamburgs größtes Gefängnis sowie seit 2016 auch das Frauengefängnis.
Das Jugendgefängnis befindet sich noch auf der Elbinsel Hahnöfersand in 100 Jahre alten, baufälligen Gemäuern. Allein die Sanierung dort würde 17 Millionen Euro kosten. Die Haftanstalt gleichzeitig auf einen zeitgemäßen Stand zu heben, würde mindestens das Doppelte verschlingen. Dennoch müssten elf neue Stellen geschaffen werden, um aktuelle Standards zu erfüllen.
Eine neue Anstalt bräuchte weniger Personal
Demgegenüber würde ein Neubau in Billwerder nicht wesentlich teurer, heißt es aus der Justizbehörde. Gleichzeitig käme der Neubau mit 21 Vollzeit-Mitarbeitern weniger aus, weil die Haftanstalt nicht auf mehrere Gebäude verteilt und künftig mehrere Flure von einem Standpunkt aus kontrollierbar wären. Rechnet man die elf Stellen hinzu, die Hahnöfersand mehr bräuchte, ergäbe das eine Einsparung von 32 Stellen, was etwa 1,5 Millionen Euro pro Jahr entspräche.
„Aufgrund unseres breit angelegten Prüfungsprozesses können wir sagen: Wir sind in der glücklichen Situation, zwei gute Lösungen zu haben, wie wir den Hamburger Justizvollzug zukünftig aufstellen können“, sagte Justizsenator Steffen dem Abendblatt. „Der Neubau einer neuen Gesamtanstalt für den Jugendvollzug in Billwerder ist fachlich eine sehr gute Lösung, ermöglicht erhebliche Einsparungen bei den Betriebskosten, setzt allerdings erhebliche Investitionen voraus.“ Die Kooperation mit Schleswig-Holstein wäre fachlich ebenfalls eine gute Lösung und zudem günstiger gewesen, so Steffen. „Durch die Absage von Schleswig-Holstein stellt sich diese Frage aber nicht mehr.“
CDU und FDP übten beißende Kritik
SPD und Grüne in der Bürgerschaft unterstützten Steffens Kurs. „Ich finde es bedauerlich, dass das unionsgeführte Justizministerium in Schleswig-Holstein die Gespräche über eine Kooperation im Justizvollzug beenden will – obwohl im Kieler Koalitionsvertrag noch vor wenigen Wochen eine weitere Prüfung festgeschrieben wurde“, sagte Farid Müller (Grüne). Es zahle sich jetzt aber aus, dass Hamburg mit dem Ausbau der JVA Billwerder „weiterhin eine gute Lösung“ parat habe. Ähnlich äußerte sich SPD-Justizexperte Urs Tabbert: „Der Bau einer komplett neuen Jugendvollzugsanstalt in Billwerder kann jetzt der richtige Weg sein.“
CDU und FDP übten hingegen beißende Kritik: „Pannensenator Steffen bekommt nichts auf die Reihe“, sagte Richard Seelmaecker (CDU). „Jetzt scheitert auch noch die geplante Vereinbarung mit Schleswig-Holstein, offenbar wegen Steffens mangelnder Fähigkeit, den Schleswig-Holsteinern eine ehrliche und für beide Seiten annehmbare Lösung vorzuschlagen.“
Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) sagte, Kiel habe die Kooperation „zu Recht“ abgesagt: „Denn jedem Experten war klar, dass die Planungen von Steffen von vorne bis hinten Murks waren. Den Steuerzahler kostete dieses Unvermögen bis heute allerdings mehr als sechs Millionen Euro – und das nur für eine Arbeitsgruppe zur Vorplanung.“