Hamburg. Justizsenator stellt Konzept vor. Im zweiten Schritt sollen Kosten der Reform ermittelt und alternative Konzepte durchgerechnet werden.
Die Kooperation zwischen den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein im Bereich des Strafvollzugs rückt einen Schritt näher. Ein umfangreicher Zwischenbericht im Auftrag der Justizbehörde und des Kieler Justizministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass der Jugend- und der Frauenstrafvollzug in jeweils einem Land zusammengelegt werden können. „Wir können jetzt sicher sagen, dass der gemeinsame Vollzug Sinn macht. Es wird funktionieren“, sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne), der den Zwischenbericht am gestrigen Dienstag im Rathaus vorgestellt hat.
Im Kern geht es darum, bis zu 55 minderjährige und heranwachsende Gefangene aus Hamburg künftig in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster unterzubringen. Andererseits sollen bis zu 60 weibliche Gefangene aus Schleswig-Holstein in der Hamburger JVA Billwerder Platz finden. Dort wurde im Frühjahr die Teilhaftanstalt für Frauen eröffnet, die zuvor auf der Elbhalbinsel Hahnöfersand (Landkreis Stade) war.
Perspektivisch JVA Hahnöfersand aufgeben
Derzeit ist dort nur noch der Jugendvollzug untergebracht. Mit dessen Verlagerung nach Schleswig-Holstein könnte Hamburg die Anstalt Hahnöfersand komplett aufgeben, deren Gebäude einen hohen Sanierungsbedarf aufweisen. Junge Untersuchungsgefangene sollen jedoch auch weiterhin in Hamburg bleiben. Dafür wäre allerdings dann ein Neubau erforderlich – wahrscheinlich auf dem Gelände der JVA Billwerder. Auch der offene Vollzug für Frauen in Schleswig-Holstein soll in Zukunft in Lübeck angesiedelt bleiben.
Steffen sieht Vorteile der Vollzugsmeinschaft mit Blick auf die Betreuung der Gefangenen. „Wir schaffen gemeinsam eine bessere Resozialisierung“, sagte der Grüne. In Schleswig-Holstein gebe es für junge Gefangene sogar ein breiteres Qualifizierungsangebot als derzeit in Hamburg. „Das erhöht die Chancen, nach der Entlassung in einen Beruf zu kommen.“ Auch bei den weiblichen Gefangenen sei es möglich, aufgrund der größeren Einheit „anspruchsvollere Vollzugskonzepte“ umzusetzen. „Kooperation ist mehr als die bloße Zusammenlegung“, betonte Steffen.
Mitarbeiter auf andere Anstalten verteilen
Auch Steffens Kieler Amtskollegin Anke Spoorendonk (SSW) sieht die Vorteile: „Die Kooperation bietet die Möglichkeit, den bereits jetzt hochwertigen Strafvollzug in beiden Ländern durch Synergien und optimierten Einsatz von Personal und Sachmitteln noch zu verbessern.“ Nach Angaben Steffens ist nicht geplant, dass die Bediensteten, die derzeit im Hamburger Jugendvollzug auf Hahnöfersand arbeiten, nach Schleswig-Holstein wechseln. Vielmehr sollen die Mitarbeiter, sofern sie nicht in den Ruhestand gehen, in der Regel auf andere Hamburger Anstalten verteilt werden. „Es gibt aber auch weiterhin in Hamburg Bedarf für Mitarbeiter im Jugendvollzug – etwa im Bereich der Untersuchungshaft“, sagte Steffen.
Ein weiterer Vorzug der Kooperation liegt laut Steffen darin, dass „weniger Bedienstete an Pforten oder Monitoren zur Überwachung eingesetzt werden müssen, sondern direkt mit den Gefangenen arbeiten können“. Der Justizsenator hält eine „mittlere zweistellige Zahl“ von Mitarbeitern für möglich – nicht unerheblich angesichts der Personalknappheit im Strafvollzug insgesamt.
Erster Gefangenenaustausch frühestens 2020
Allerdings: Noch ist nichts entschieden. Nachdem die Kabinette von Hamburg und Schleswig-Holstein den Zwischenbericht gebilligt haben, sollen jetzt in einem zweiten Schritt die Kosten der Reform ermittelt und alternative Konzepte durchgerechnet werden. Zu den möglichen Alternativen zählt auch der Neubau einer Jugendhaftanstalt in Hamburg. Ende 2017 sollen Senat und Bürgerschaft über die Vollzugsgemeinschaft entscheiden. Der erste Austausch der Gefangenen über die Ländergrenzen hinweg ist für 2020 vorgesehen.
Die Opposition lehnt die geplante Kooperation vor allem im Bereich des Jugendstrafvollzuges klar ab. „Fachlich ist die Verlagerung nicht zu verantworten, und finanziell bringt sie am Ende keinen Vorteil“, sagte der CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die enge Verzahnung von Untersuchungshaft, Jugendstrafhaft, Sozialtherapie und Übergangsmanagement vor und nach der Entlassung eine wichtige Voraussetzung für die Sicherheit der Gesellschaft und die Wiedereingliederung sei.
Ungenutzten Teil der JVA Fuhlsbüttel sanieren
„Durch die Inhaftierung fern der Heimat und die Aufgabe des Verbundes wird die Resozialisierung unserer jugendlichen Häftlinge nahezu unmöglich“, sagte Seelmaecker, der den Senat aufforderte „die mit 6,6 Millionen Euro sündhaft teuren Verlagerungsplanungen umgehend“ aufzugeben. Die CDU schlägt als Alternative die Renovierung der JVA Hahnöfersand oder die Wiederinbetriebnahme des Hafthauses I in Fuhlsbüttel vor. Anna von Treuenfels-Frowein, Vizechefin der FDP-Bürgerschaftsfraktion, sprach von einem „justizpolitischen Irrweg“ und forderte ebenfalls, den gesamten Jugendvollzug in Hamburg zu behalten. Eine „sinnvolle, ineinandergreifende Resozialisierung“ sei sonst unmöglich.
Der Senat will außerdem einen ungenutzten Teil des D-Flügels im Haus II der JVA Fuhlsbüttel mit 98 Plätzen sanieren. Die offene Haftanstalt Glasmoor soll ein neues Hafthaus erhalten, und vorhandene Gebäude sollen umgebaut werden, sodass 41 neue Haftplätze entstehen. Offen ist, was mit dem Gelände Hahnöfersand passiert, wenn Steffens Pläne realisiert werden. „Wenn die Justizbehörde die Fläche nicht mehr benötigt, wird Hahnöfersand aus der Verantwortung der Behörde entlassen“, sagte Steffen lediglich.