Hamburg. In Hamburger Museen lagern viele umstrittene Kunstwerke. Jetzt nimmt die Universität Bronzen aus Benin ins Visier.

Ahnenköpfe, Krieger­figuren und Leopardenskulpturen schmückten einst den Königshof in Benin (Afrika). Doch die Bronzewerke aus vorkolonialer Zeit stehen längst nicht mehr in Afrika, sondern sind in der ganzen Welt verstreut. Seit mehr als 100 Jahren befinden sich zahlreiche dieser Werke auch im Fundus Hamburger Museen. Ihre Zahl wird auf rund 100 geschätzt. Einige Bronzeköpfe sind im Museum für Völkerkunde zu sehen, andere im Museum für Kunst und Gewerbe­.

Jetzt nehmen Forscher der Universität Hamburg die sogenannten Benin-Bronzen ins Visier. Das Projekt gehört zu einer breit angelegten Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Hamburgs. Denn in der Vergangenheit habe „keine umfassende Aufarbeitung der Thematik des kolonialen Erbes stattgefunden“, räumte der Senat in einer Stellungnahme an die Bürgerschaft ein und gab 2013 grünes Licht für die Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ an der Uni Hamburg.

Die spektakulärsten Objekte wurden von Briten geraubt

In einer Antwort auf eine Große Anfrage der Linken in der Bürgerschaft verweist der Senat nun auf weitere Fortschritte der Erinnerungskultur. Jetzt, heißt es da, würden „koloniale Hintergründe von Sammlungsobjekten“ erforscht. Wie die Geschichte der Benin-Bronzen.

Die spektakulären Kunstobjekte wurden im 19. Jahrhundert von den Briten geraubt und gelangten über den Hamburger Hafen in die ganze Welt. „Drei Doktoranden wollen jetzt in einer nigerianisch-deutschen Kooperation den Wegen und Strukturen auf den Grund gehen, auf denen die Benin-Bronzen in die Museen Europas und Nordamerikas kamen – und nach Hamburg“, sagt der Afrika-Wissenschaftler Professor Jürgen Zimmerer vom Fachbereich Geschichte der Universität Hamburg und der Forschungsstelle.

Koloniales Erbe

Weil sich der König (Oba) von Benin im 19. Jahrhundert geweigert hatte, mit den Briten ein Handelsabkommen zu unterzeichnen, eskalierte die Lage. Am Ende stürmten britische Truppen im Jahr 1897 den Königshof in Benin City im heutigen Nigeria und plünderten die Stadt. Nach dem Sieg gliederten die Briten das bis kleine Edo-Königreich in das Empire ein. Rund 4000 Bronzegüsse – sie stammen teilweise aus dem 11. Jahrhundert – wurden kurzerhand als Kriegsbeute mitgenommen und weiterverkauft. „Hamburger Handelshäuser in Westafrika transportierten einige davon auf ihren Schiffen. So landeten sie im Hamburger Hafen“, sagt Jürgen Zimmerer, der die Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ leitet.

Hamburg einst Kolonialmetropole

Die Hansestadt galt einst als „Kolonialmetropole des Kaiserreichs“. Kaufleute und Reeder wie Adolph Woermann (1847–1911) profitierten von der Kolonialmacht Deutschlands, importierten Kautschuk, Tabak und Elfenbein nach Europa und exportierten Hamburger Spirituosen wie Genever (Wacholderschnaps) und Rum nach Westafrika. Noch heute erinnern das Afrikahaus an der Großen Reichenstraße, aber auch mehr als 100 Straßennamen an die nur wenig aufgearbeitete koloniale Vergangenheit.

Gut möglich, dass mit den Handelsschiffen auch Raubkunst aus Benin über den Hafen nach Deutschland gelangte. Nach Ansicht von Jürgen Zimmerer spielte der Gründungsdirektor des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, Justus Brinckmann (1843–1915), dabei eine „wichtige Rolle“. Er habe Objekte für sein Haus erworben und damit regen Handel innerhalb Deutschlands betrieben. Die genauen Aktivitäten und Wege seien aber noch unbekannt. „Ich freue mich, dass das Thema der Herkunftsforschung nun ernst genommen wird“, sagt Professor Zimmerer.

Der 52-Jährige ist einer der führenden internationalen Kolonialismus-Experten. „Kolonialismus“, sagt er, „ist die Vorgeschichte der Globalisierung, also unserer Gegenwart. Wer die richtigen Entscheidungen für das 21. Jahrhundert treffen will, muss wissen, woher die Welt kommt.“

Forschungsstelle bis 2018 gesichert

Nur bis 2018 jedoch ist die Zukunft der Forschungsstelle an der Uni gesichert. Der kulturpolitische Sprecher der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft, Norbert Hackbusch, befürchtet eine Abwicklung des Projekts. Der Senat weise in seiner Antwort auf die Große Anfrage darauf hin, dass die Überlegungen der zuständigen Behörden auch jetzt, im Sommer 2017, noch nicht abgeschlossen seien, betont er. „Das läuft auf eine Schließung der Forschungsstelle hinaus.“

Professor Zimmerer hofft, dass das letzte Wort noch nicht gefallen ist: „Es wäre sehr schade, wenn die Forschungsstelle ihre Pforten schließen müsste.“