Hamburg . Vier Ranger sind in 34 Naturschutzgebieten der Stadt unterwegs. Jörg Hartmann ist einer von ihnen. Er klärt auf und legt Biotope an.

Am Ende muss Jörg Hartmann Hände waschen. „Boah, stinkt das“, schimpft er, bevor er Richtung Forsthaustoilette abdreht. Dabei hatte er gewusst, worauf er sich einlässt, wenn er eine Ringelnatter in die Enge treibt. Sobald sich die ungiftigen Schlangen nämlich unausweichlich bedroht fühlen, versprühen sie ein übelriechendes Sekret. Insofern ist Hartmann nicht überrascht, dass seine Unterarme jetzt mit gelben, stinkenden Flecken übersät sind. Aber auch als Naturschutzarbeiter im Hamburger Schlangenparadies, dem Duvenstedter Brook, bleibt Nattersekret eine üble Sache. Traumjob hin oder her.

Privilegierte Stellung

Jörg Hartmann ist 47 Jahre alt, ein Mann wie ein Baum und einer von nur vier Rangern der Stadt Hamburg. „Mein absoluter Lieblingsjob“, wie er sagt. Denn als Naturschutzwart, wie die amtlich korrekte Bezeichnung seines Berufes lautet, zieht er nicht jeden Tag widerspenstige Schlangen aus Totholzstapeln. Vielmehr sei er Landwirt, Forstwirt und Naturschützer in Personalunion. Überdies genieße er eine durchaus privilegierte Stellung nebst Geländewagen und Dienstwohnung im Grünen. „Ich habe keine Termine, kann meine Tage weitgehend frei einteilen und mache, was anfällt.“ Mähen, Biotope anlegen, den Tierbestand erheben oder den Bau eines Besucherdamms durchs Moor fachkundig begleiten. „Bei ganz miserablem Wetter schraube ich auch mal einen ganzen Tag in der Werkstatt.“

34 Naturschutzgebiete der Stadt

Ein Hamburger Ranger betreut das Naturschutzgebiet auf der Insel Neuwerk, zwei weitere Naturwarte die Reviere im Südwesten und im Osten der Stadt. Jörg Hartmann kümmert sich um den Norden Hamburgs. Von den insgesamt 34 Naturschutzgebieten der Stadt liegen unter anderem Wohldorfer-Wald, Duvenstedter Brook oder Wittmoor in seiner Verantwortung.

Grundsätzlich teilen sich die Umweltbehörde und die sieben Bezirke die Zuständigkeiten in den Schutzgebieten. Unterstützt werden sie von nebenamtlichen Helfern, die 20 Stunden pro Monat assistieren. Eng abgestimmt wird die Arbeit mit Förstern, Bauern und Jägern. Mitunter ist der Ranger auch Mittler.

Hotspot für Schlangen

Im Naturschutzgebiet Wittmoor, dieser Mischung aus Geisterwald, Heidelandschaft und Moor, hatte Ranger Hartmann schon vor zwei Stunden frohlockt, dass es sich um einen „echten Hotspot“ für Schlangen, in dem Fall für Kreuzottern“, handeln würde. Doch bei bedecktem Himmel sind keine wechselwarmen Giftschlangen zu sehen.

Selbst für kenntnisreiche Naturliebhaber wie Hartmann gibt es keine Sichtungsgarantie. Denn ohne Sonne keine Ottern – das ist Natur. Stattdessen entdeckt er zwei Kraniche, die durch eine Feuchtwiese waten. „Die brüten schon das sechste Jahr in Folge hier.“ Und er kennt jeden Ameisenhügel in seinen Revieren. „Sehen Sie hier, Ameisen brauchen nicht unbedingt Nadelwald“, sagt er vor einem Haufen unter Laubgehölz. Die Insektenbauwerke, so Hartmann, seien auch fast immer ein verlässliches Indiz für intakte Natur.

Seit fast 20 Jahren arbeitet der gebürtige St. Paulianer als Naturwart im Auftrag der Stadt. Zurück auf den Kiez? Unvorstellbar. „Ich liebe meine Arbeit hier draußen“, sagt er. „Und etwas Besseres gibt es doch nicht: wenn man liebt, was man tut.“ Abwechslungsreich sei die Anstellung als Ranger. Dazu gehöre auch immer wieder: reden. Denn den stressgeplagten Großstädter ziehe es bei gutem Wetter zunehmend in die Naturschutzgebiete, in denen andere Regeln gelten. Allein am Infohaus Duvenstedter Brook waren im vergangenen Jahr 80.000 Besucher. Tendenz steigend.

Auf Regeln hinweisen

„Moin!“, sagt Jörg Hartmann. „Moin“, kommt von einer Gruppe Radfahrer im Schutzgebiet Wittmoor zurück. So freundlich geht es nicht immer zu. Viele Besucher müssen auf die Regeln hingewiesen werden, sagt der Ranger. „90 Prozent davon sind gute Gespräche, aber zehn Prozent der Angesprochenen drohen auch mit ihrem Anwalt oder sind selbst welche.“ Unangeleinte Hunde, Reiter auf nicht dafür ausgewiesenen Wegen oder Radfahrer, die Verbote ignorieren – das seien die Problemlagen. „Oft muss ich Besucher auch zurück auf die Wege schicken, weil sie während der Brutzeit quer durchs Schutzgebiet wandern.“

Naturschutzgebiet Wittmoor
Naturschutzgebiet Wittmoor © Michael Rauhe

Aufklärungsarbeit nennt der Naturwart diese Facette seines Berufs. Denn nur wer die Natur verstehe, könne sich für ihren Schutz einsetzen oder ihre Regeln akzeptieren. Dafür streift er täglich durch seine Reviere. Im Frühjahr müsse etwa Rücksicht auf Bodenbrüter genommen werden, im Herbst auf die Brunft der Hirsche. Diese Kenntnis sollte haben, wer ins Schutzgebiet will, zumal mit Hund oder Pferd. „Leider kann ich nicht überall sein“, sagt Hartmann.

Gelernter Tischler

Als Naturbursche hat es den gelernten Tischler Jörg Hartmann per Quereinstieg in den Beruf gezogen. Handwerkliches Geschick brachte er mit, die Ausbildung zum Landschaftspfleger holte er nach, zack, war er Ranger, bezahlt nach Tarif für den öffentlichen Dienst. Er genieße große Freiheit, könne viel gestalten, sagt der Naturwart. Verpflichtend war, in der Dienstwohnung am Duvenstedter Brook zu wohnen. Ein Holzhaus in den Wiesen. Für ihn ein Geschenk: „Tiere kommen bis auf die Terrasse.“

Ein paar Meter daneben steht allerdings ein Problemfall für den Ranger: das Indische Springkraut, ein Einwanderer mit ausgeprägtem Territorialdrang. „Auch darauf müssen wir achten“, sagt der Naturwart. „Die Ausbreitung invasiver Arten eindämmen.“

Der Streifzug durch sein Revier aus heimischer Heide, Birkenmoor, Fabelwald und Schlangenhotspot endet für gewöhnlich mit dem Absuchen nach Zecken – Berufsrisiko. An diesem Nachmittag lässt sich auch noch die Sonne blicken. Perfekt für einen Wall aus Erdreich, Laub und Totholz, von dem Hartmann schon zuvor gesprochen hatte. Und tatsächlich sonnen sich dort mehr als zehn Ringelnattern. „Ich hol mal eine raus“, sagt Hartmann. Als Ranger ist er sich für nichts zu schade.

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