Hamburg. Hansestadt bezieht gut ein Drittel aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Belastung mit Nitrat kein großes Problem.

Sauberes und bezahlbares Trinkwasser – eine in Deutschland sicher geglaubte Ressource kommt an ihre Grenzen. Die Hiobsbotschaften über zu hohe Nitratwerte im Grundwasser scheinen dieser Tage nicht mehr abzureißen. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ warnte Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft vor erheblichen Preissteigerungen. Es sei sogar eine Verteuerung von bis zu 62 Prozent in manchen Regionen möglich. Droht ein solches Szenario auch in Hamburg?

Besonders betroffen von der Nitratbelastung sind Bundesländer mit viel Tierhaltung und Ackerbau, also auch Hamburgs Nachbarländer. In Schleswig-Holstein werden die EU-Vorgaben von 50 Milligramm Nitrat pro Liter auf 50 Prozent der Fläche und in Niedersachsen auf mehr als 60 Prozent der Fläche überschritten (das Abendblatt berichtete). Hamburg bezieht mehr als ein Drittel seines Trinkwassers aus diesen zwei Bundesländern.

Preise im Vergleich

Michael Beckereit, Technischer Geschäftsführer von Hamburg Wasser, gibt auf Anfrage des Abendblatts jedoch Entwarnung: „Wir haben hier eine gute Situation. Das liegt daran, dass wir in unserem Versorgungsgebiet und in unseren Fördergebieten eine vergleichsweise geringe Überschneidung mit Landwirtschaft oder Viehwirtschaft haben. Sowohl die europäische Obergrenze von 50 mg/l, als auch die Richtlinie der Versorger von 37,5 mg/l unterschreiten wir im gesamten Versorgungsgebiet von Hamburg Wasser deutlich.“

Die Trinkwasserversorgung sei auch in Zukunft kostengünstig gesichert, da bereits in den 80er-Jahren viele Wasserschutzgebiete in Hamburg und Umgebung ausgewiesen worden seien. In den Gebieten, in denen Landwirtschaft betrieben wird, seien Kooperationen mit den Bauern eingegangen worden. Beckereit: „Wir versuchen die Landwirte durch Schulung und Beratung für die Thematik zu sensibilisieren.

Aufwendiger, Grundwasser aufzubereiten

Außerdem haben wir Flächen gekauft, die wir nur an Bauern verpachten, die strenge Auflagen beachten.“ Positiv wirke sich der an vielen Stellen tonhaltige Boden in und um Hamburg aus. Dieser sei in der Lage, Ni­trat abzubauen, sodass es sich nicht im Grundwasser anreichern kann. „Wir haben in den letzten Jahren keinen Anstieg der Nitratwerte feststellen können und erwarten aufgrund der guten Grundwassersituation auch in Zukunft keinen Anstieg“, sagt Beckereit. Dass es wegen der Nitratbelastung zu erheblichen Preissteigerungen komme, sei daher „für unser Versorgungsgebiet nicht zu erwarten“, so der Geschäftsführer von Hamburg Wasser.

Hamburg ist im Vergleich zum Wasser in Berlin und München recht günstig – allerdings sind die Preise in Deutschland sehr unterschiedlich und von regionalen Bedingungen abhängig (siehe unten). Die Höhe des Preises scheint mit der Nitratmenge im Trinkwasser einherzugehen: Hier fallen besonders Dresden (14 mg/l) und Köln (21 mg/l) auf – ein deut­licher Unterschied zu den Hamburger Werten und denen der Umgebung, wie im Landkreis Lüneburg in dem der Nitratgehalt höchstens bei 0,2 mg/l liegt.

Eike Schilling, Referent für Gewässerschutz des Naturschutzbundes (Nabu) teilt die Einschätzung des Wasserversorgers: „Hamburg hat von der Lage her einfach Glück, da wir in den Gebieten aus denen wir Trinkwasser beziehen, beispielsweise keine Probleme mit Ni­trateinträgen aus der Intensivlandwirtschaft haben.“

Trotzdem seien „Grundwasserkörper“ immer länderübergreifend zu sehen. Schilling: „Im Umfeld von Hamburg ist die Lage teilweise angespannt. Hohe Nitratwerte im Grundwasser sind ein Problem, das man sich auf Jahre schafft, da es sehr lange dauert bis Gegenmaßnahmen ihre Wirkung entfalten. Die Vermeidung von Nitrat ist daher die wichtigste Maßnahme.“ Dabei sei vor allem die Landwirtschaft gefragt. Bis Nitrat durch Niederschlagswasser ins Grundwasser gesickert sei, könnten Jahre, manchmal Jahrzehnte vergehen.

Krebserregende Nitrosaminen

Für die Wasserwirtschaft wird es immer aufwendiger, das Grundwasser zu Trinkwasser aufzubereiten. Nitrat wird als Düngemittel eingesetzt und beschleunigt das Wachstum von Pflanzen. Es steckt in Gülle und Mineraldünger. Für einen gesunden und erwachsenen Menschen gilt der Stoff nicht direkt als schädlich. Jedoch kann sich aus Nitrat zusammen mit den körpereigenen Darmbakterien Nitrit entwickeln, welches gesundheitsschädlich ist.

Reichert sich das Salz im Körper an, können sich außerdem sogenannte Nitrosaminen bilden, die als krebserregend gelten. Besonders gefährlich ist zu viel Nitrat für Schwangere und Babys. Eine Nitratvergiftung kann bei Säuglingen zu Blausucht führen. Diese hat zur Folge, dass das Blut nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann. Blausucht kann für Babys tödlich sein.

Hamburgs ehemaliges Wasserwerk
Kaltehofe (Rothenburgsort)
Hamburgs ehemaliges Wasserwerk Kaltehofe (Rothenburgsort) © picture alliance

Im Moment ließe sich laut Martin Weyand die Belastung ausgleichen, indem die Versorger entweder Wasser aus weniger und stärker belasteten Brunnen mischen oder neue Brunnen gebaut werden, die aus noch tieferen Grundwasserschichten fördern. Mit der Tiefe steigt allerdings auch der Salzgehalt, und das Wasser wird schließlich unbrauchbar.

Wenn all das also nicht mehr funktioniert, bleibt den Versorgern nur noch, das Wasser von weiter her zu holen oder Aufbereitungsanlagen zu errichten. Beides wäre sehr kostspielig und würde die genannten Preissteigerungen zur Folge haben. Grund für die steigenden Nitratwerte sei, dass seit Jahrzehnten zu viel Gülle und Mineraldünger von der Landwirtschaft ausgebracht würde, heißt es. Besonders in der Kritik stehen sogenannte Gülleimporte. In den Niederlanden wurde die Menge an Gülle, die in der Landwirtschaft ausgetragen werden darf, schon stark begrenzt. Seitdem boomt der Export nach Deutschland.

Einwohnerzahl wird zunehmen

Auch wenn Nitrat derzeit kein Pro­blem für Hamburgs Trinkwasser darzustellen scheint, teilt der Versorger die Meinung des Verbandschefs, dass Handlungsbedarf bestehe. „Es ist erforderlich, dass die Politik der Ressource Wasser größtmöglichen Schutz einräumt. Wir unterstützen daher die Forderungen, dass nur so viel Gülle auf den Feldern ausgebracht wird, wie die Pflanzen aufnehmen können.“, sagt Beckereit. Es könne nicht sein, dass am Ende der Verbraucher für die Sünden der Landwirtschaft geradestehen müsse.

In der Zukunft wird der schonende Umgang mit den Grundwasservorkommen auch für Hamburg wichtiger. Das Statistikamt Nord geht davon aus, dass die Einwohnerzahl zunehmen wird: Für 2040 prognostiziert das Amt mehr als 1,9 Millionen Einwohner. Der Geschäftsführer von Hamburg Wasser sagt dazu: „Hamburg ist eine attraktive Stadt, die ein starkes Wachstum verzeichnet. Der Wasserbedarf wird daher in den nächsten Jahren zunehmen.“

Mit Versorgungsengpässen sei allerdings nicht zu rechnen. „Wir haben genügend Wasser. Damit das so bleibt, ist es aber wichtig, dass unser Wasser den größtmöglichen Schutz bekommt“, sagte Beckereit. Außerdem ginge es darum, verlässliche Brunnenstandorte zu erschließen und in die bestehende Infrastruktur zu investieren.