Hamburg. Rotterdam und Antwerpen verzeichnen Zuwächse, der Hamburger Hafen bleibt stehen. Fehlende Elbvertiefung sei ein Grund dafür.
Der Hamburger Hafen wächst nicht mehr und verliert gegenüber den Konkurrenzhäfen in Rotterdam und Antwerpen weiter an Boden. Der gesamte Seegüterumschlag des größten deutschen Hafens ging in den ersten sechs Monaten gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 0,2 Prozent auf 70 Millionen Tonnen zurück, teilte die Marketing-Gesellschaft des Hafens am Mittwoch mit. Der Containerumschlag blieb mit 4,45 Millionen Standardcontainern (TEU) auf Vorjahrsniveau. Der Hafen erreicht damit die Containermenge, die auch im ersten Halbjahr 2012 erreicht worden war.
Zu Wochenbeginn hatte der größte Umschlagsbetrieb, die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), ein sattes Plus beim Containerumschlag um zwölf Prozent vermeldet. Die Gesamtzahlen des Containerumschlags lassen nun nur einen Schluss zu: Was die HHLA hinzugewonnen hat, haben andere Umschlagunternehmen verloren.
Das betrifft insbesondere Eurogate, den Hauptkonkurrenten der HHLA. Das Unternehmen veröffentlicht keine Halbjahreszahlen für seien Umschlag in Hamburg, diese dürften aber im zweistelligen Bereich eingebrochen sein. „Was die HHLA mehr hat, hat der andere weniger“, sagte der Geschäftsführer des Hafenmarketings, Axel Mattern, fügte aber hinzu: „Zu Einzelunternehmen äußern wir uns nicht.“
Hafenmarketing stellt Ergebnis positiv dar
Mattern stellt das Gesamtergebnis positiv dar und verwies unter anderem darauf darauf, dass der Rotterdamer Hafen ein neues Terminal mit einer Umschlagskapazität von fünf Millionen Standardcontainern pro Jahr in Betrieb genommen hat. „Trotz der noch immer fehlenden Elbvertiefung und der großen Kapazitätsausweitungen in Rotterdam, ist es dem Hamburger Hafen gelungen, seinen Umschlag bemerkenwert stabil zu halten“, sagte Mattern bei der Vorstellung der jüngsten Zahlen.
Allerdings lassen diese sich auch anders interpretieren. Von der guten Konjunkturentwicklung in Deutschland hat der Hamburger Hafen nicht profitieren können. Ebensowenig von der durch die Schiffahrtskrise erzwungene Neuordnung der Reedereiallianzen. Im Gegenteil: Einen Fernost-Liniendienst hat Hamburg verloren. Mattern sagte mit Blick auf die Auswirkungen der Neuordnung auf Hamburg: „Das Ergebnis hätte auch anders ausfallen können – sowohl in die eine, wie auch in die andere Richtung.“
Hamburg büßt Marktanteile ein
Jedoch hat Hamburg wichtige Marktanteile im Vergleich zu den Hauptkonkurrenten eingebüßt: In Rotterdam hat der Umschlag im ersten Halbjahr 2017 um 9,3 Prozent auf 6,55 Millionen Standardcontainer zugelegt, in Antwerpen um knapp 1,8 Prozent auf 5,14 Millionen Boxen. Dabei hatten die beiden Westhäfen in den vergangenen Monaten erhebliche Probleme in der Abfertigung: So warnte der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) davor, dass die Containerterminals in Rotterdam und Antwerpen seit Ende Mai mit der Abfertigung nicht mehr hinterher kommen würden. Geholfen hat Hamburg dieses nicht.
Positiv hat sich allein der Massengutumschlag in den ersten sechs Monaten entwickelt, der im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,2 Prozent auf 23,5 Millionen Tonnen zulegte. Der konventionelle Stückgutumschlag, brach indes um 11,7 Prozent ein. Einer der Gründe dafür ist die Dieselabgas-Affäre. Vor allem der Auto-Export ging nämlich zurück.
Fehlende Elbvertiefung spielt immer größere Rolle
Die Gründe für die schwache Entwicklung des Hafens sind aber insgesamt vielfältig. Eine immer größere Rolle spiele, dass die Elbvertiefung weiter aussteht, beklagte die Hafen Hamburg Marketing (HHM). „Bei vollzogener Fahrrinnenanpassung können Großcontainerschiffe je Anlauf zusätzlich 1600 und mehr Container nach Hamburg bringen“, sagte Matterns Co-Geschäftsführer Ingo Egloff. Er berichtete von Anfragen der chemischen Industrie aus dem Rheingebiet, denen die Verschiffung ihrer Produkte auf dem Rhein nach Rotterdam wegen des zunehmend häufigen Niedrigwassers im Fluss zu unsicher geworden ist. „Wir konnten aber wegen des fehlenden Tiefgangs auf der Elbe nicht helfen.“
Besondere Bedeutung spielt in diesem Zusammenhang, dass die Reedereien immer größere Schiffe einsetzen, die mehr Tiefgang haben. So hat sich die Zahl der Anläufe sogenannter „Mega Carrier“, die 18.000 bis 20.000 Standardcontainer (TEU) tragen können, im ersten Halbjahr mehr als verdoppelt, während die Anzahl kleinerer Schiffe mit einer Kapazität von 10.000 bis 14.000 TEU rapide gesunken ist. Ein TEU (Twenty-foot Equivalent Unit) entspricht einem 20-Fuß-Container.
Der Erstanlauf eines der größten Containerschiffe der Welt, wird in Hamburg zwar stets aufmerksam verfolgt. Doch die Großschiffe können den Hafen gar nicht voll beladen anlaufen. Die „Extramengen“ werden zuvor ausgeladen – und zwar in Rotterdam oder Antwerpen.
Hafen-Stagnation ist laut FDP Rückschritt
Auch die aktuell auftretenden zeitlichen Verzögerungen bei der Zollabfertigung in Hamburg haben nach Meinung von HHM dazu geführt, dass Ladung in andere Häfen verschoben wurde. Der Leiter des Hauptzollamtes im Hafen, Michael Schrader, bestätigte, dass es in der Vergangenheit zu erheblichen Beschwerden von Außenwirtschaftsbetrieben gekommen sei (das Abendblatt berichtete). Schrader führte die Verzögerungen bei den Zollabfertigungen auf Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst zurück – und versprach Korrekturen. So seien zum 1. August 33 neue Kollegen aus der Ausbildung hinzugekommen. „Diese Anzahl reicht aber noch nicht“, sagte Schrader. Anfang November würden weitere 80 Zollmitarbeiter im Hafen tätig werden.
Aus Sicht der FDP ist die Entwicklung des Hafens ein „Rückschritt“. Der hafenpolitische Sprecher Michael Kruse sagte: „Die Stagnation auf niedrigem Niveau im Containerumschlag ist besorgniserregend, denn sie zeigt, dass der Hamburger Hafen kurzfristig nicht von erheblichen Störungen in den Geschäftsabläufen anderer Nordrange-Häfen profitieren kann.“