Hamburg. Unternehmen willy.tel will den Gratis-Internetzugang zum Geschäft machen – und Glasfaserkabel fast im gesamten Stadtgebiet verlegen.

Angekündigt wurde die Umsetzung des Projekts bereits 2014, doch der Start des Probebetriebs für ein flächendeckendes WLAN-Netz in der Hamburger Innenstadt verzögerte sich aus technischen und juristischen Gründen: Erst im Frühjahr 2016 begann der Test in einem kleinen Gebiet zwischen dem Ballindamm und dem Thalia Theater. Derzeit sind 14 Sende- und Empfangsstationen installiert, bis Jahres­ende sollen es schon bis zu 80 sein, was einer Abdeckung von ungefähr 40 Prozent des geplanten Areals entspricht. Sofern das Wetter mitspielt, wollen die Projektpartner willy.tel und wilhelm.tel im Sommer 2018 ihr Netz für einen Internetzugang in der Hamburger Innenstadt komplett aufgespannt haben – von der Lombardsbrücke bis zu den Landungsbrücken und der HafenCity, zudem in HVV-Bussen und Bahnhöfen.

Es ist eines von mehreren Projekten und Geschäftsfeldern des Glasfasernetzbetreibers willy.tel in der Stadt: 1700 Kilometer Glasfaserkabel hat die Firma bis heute in Hamburg verlegt, jedes Jahr kommen 50 bis 80 Kilometer hinzu. „Je nach den Bedingungen vor Ort kostet jeder Meter zwischen 70 und 120 Euro“, sagt Geschäftsführer Bernd Thielk. Bisher sei willy.tel in etwa jeder zweiten Straße mit dem Kabel präsent, eines Tages möchte Thielk aber 80 Prozent der Hamburger einen Anschluss anbieten können.

„Wir wollen eine Firma zum Anfassen sein“

Derzeit etwa 145.000 Hamburger Haushalte empfangen Fernsehprogramme über das Netz von willy.tel, 50.000 davon gehen darüber auch ins Internet, sagt Thielk. Manche ältere Menschen seien im Umgang mit der Technik auf Unterstützung angewiesen, sagt Thielks Tochter Tanja, die Prokuristin und Miteigentümerin ist: „Es kommt vor, dass Kunden den Computer, den sie gerade gekauft haben, in unser Service-Zen­trum mitbringen und die Mitarbeiter fragen, ob sie das Gerät einrichten können.“

Eine intensive und persönliche Beratung der Kunden sei unabdingbar, ist der Geschäftsführer überzeugt: „Wettbewerber fahren den Service herunter oder lagern ihn nach Osteuropa aus, weil das billiger ist“, sagt Bernd Thielk. Er hat dazu eine klare Meinung: „Das ist der falsche Weg.“ Die Kunden wünschten guten Service und dazu gehöre es, sie am Telefon nicht warten zu lassen. „In der Mittagszeit kann es bei uns aber schon mal zwei Minuten dauern, bis ein Mitarbeiter abnimmt“, sagt Bernd Thielk. Willy.tel betreibt in Wandsbek zudem einen Servicestandort, in dem man direkt mit Beratern sprechen kann: „Wir wollen eine Firma zum Anfassen sein.“ Derzeit ringt willy.tel um die Genehmigung, das Gebäude, in dem das Servicecenter seinen Sitz hat, um eine Etage aufstocken zu dürfen, weil dieser Bereich verstärkt werden soll. „Wir machen kaum Werbung, wir leben von Weiterempfehlungen, und damit von der Wertschätzung der Kunden“, sagt Bernd Thielk dazu, „schließlich kann man alle unsere Tarife mit einer Frist von vier Wochen kündigen.“

110 Beschäftigte hat die gesamte Gruppe

Mit einem Radio- und Fernsehtechnikbetrieb, den sein Schwiegervater im Jahr 1960 gründete, begann die Geschichte der Thiele-Unternehmensgruppe, zu der willy.tel gehört. Etwa 110 Beschäftigte hat die gesamte Gruppe, davon arbeiten gut 50 bei dem Netz­betreiber – mit deutlich steigender Tendenz, wie Thielk sagt: „Aktuell haben wir 15 freie Stellen.“ Mit dem Aufbau des Glasfasernetzes begann willy.tel 2005, als man eine Ausschreibung von vier Hamburger Genossenschaften für die Versorgung von 24.000 Wohnungen gewann. Das Unternehmen kooperiert in diesem Geschäft mit wilhelm.tel, einer Tochtergesellschaft der Stadt­werke Norderstedt. In diesem Jahr peilt Thielk für willy.tel einen Umsatz von 30 Millionen Euro an, wobei die Wachstumsraten zuletzt zwischen zehn und 15 Prozent lagen. „Wir tun alles dafür, dass es dabei bleibt“, sagt er. Dazu gehöre, stets um die 25 Prozent des Umsatzes zu investieren, um für zukünftiges Ertragspotenzial zu sorgen. „Als Familienunternehmer denken wir nicht in einem oder zwei Quartalen, sondern eher in 40 oder 60 Quartalen“, so Thielk.

Nach diesem Prinzip investiert er – ebenfalls gemeinsam mit wilhelm.tel – in das neue Geschäftsfeld drahtloser Internetzugang (WLAN). Unter dem Namen MobyKlick und für die gesamte Hamburger Innenstadt. Zwar soll die Nutzung für Bürger und Touristen kostenfrei sein. Thielk will aber Laden­betreiber und Gastronomen dafür gewinnen, sich kostenpflichtig an das WLAN anzuschließen, damit ihre Kunden auch drinnen beim Einkaufen oder Essengehen gratis im Internet surfen können. Vom Spätherbst an soll sogar Fernsehen über diesen Weg möglich sein. Gegenüber den seit längerer Zeit existierenden „Hotspots“ habe Moby­Klick den Vorteil, dass man sich nur einmal einloggen muss und dann im gesamten WLAN-Bereich verbunden bleibt, argumentiert Thielk. Wer bereits Internetkunde von willy.tel oder auch wilhelm.tel ist, kommt über seine Zugangsdaten dauerhaft ins City-WLAN, Nichtkunden können sich mit der „1-Klick-Funktion“ für jeweils vier Stunden eine Verbindung zum Netz sichern, dann müssen sie den Vorgang für die nächsten vier Stunden wiederholen.

Hamburg ist Vorreiter unter den großen deutschen Städten

In den Zentren von London, Barcelona oder Helsinki gibt es das freie WLAN längst, in Deutschland aber ist Hamburg unter den großen Städten der Vorreiter. Thielk hat eine Vermutung, warum sich bislang so wenige kommerzielle Betreiber für solche Netze finden: „Das ist das klassische Henne-Ei-Problem – andere suchen nach einem Geschäftsmodell, aber das findet sich erst lange nachdem man investiert hat. Wir mit unserem langfristigen Ansatz müssen die Henne spielen.“ Inzwischen gebe es in einer süddeutschen Stadt Interesse an der MobyKlick-Plattform, sagt Thielk. Seine Wunschvorstellung: „Man steigt dort aus dem Flugzeug und ist automatisch wieder mit unserem Netz verbunden.“