Hamburg. Im Altonaer Kinderkrankenhaus mussten Kinder wegen Vitamin-B12-Mangels behandelt werden, weil die Mutter sich einseitig ernährt hat.
Kein Fleisch, kein Fisch, keine Milch, keine Eier – der Veganer verzichtet komplett auf tierische Produkte. Wer sich dieser Ernährungsform verschrieben hat, tut das meistens aus Respekt vor den Tieren oder in der Absicht, sich gesund zu ernähren. Doch dabei drohen Mangelerscheinungen – besonders kritisch kann es für Babys werden, die von veganen Müttern gestillt werden. „Wir haben hier Säuglinge in einem katastrophalen Zustand gesehen“, sagt Dr. Gunter Burmester, Oberarzt in der Pädiatrie des Altonaer Kinderkrankenhauses. Mit Schrecken erinnert er sich an die letzten beiden Kinder von veganen Müttern, die er untersucht hat: „Sie konnten nicht mehr sitzen, sich nicht drehen, nicht trinken. Sie hatten Gewicht abgenommen, hatten eine Blutarmut und haben nicht mehr adäquat reagiert.“
Der Grund für diese Störungen ist ein schwerer Vitamin-B12-Mangel bei den Säuglingen, der durch den Verzicht auf tierische Nahrungsmittel bei der stillenden Mutter entsteht. Vitamin B12 braucht der Körper insbesondere für das Nervensystem und die Blutbildung. „Die veganen Mütter dieser Kinder hatten durch noch bestehende eigene Reserven keine Mangeleerscheinungen. Die Babys haben einen erhöhten Bedarf an Vitamin B12. Dieser wird durch die unzureichende Zufuhr über die eigene Ernährung der stillenden Mutter dann über die Muttermilch beim Säugling nicht gedeckt“, sagt Burmester. Behandelt wurden die Säuglinge dann durch die Gabe von Vitamin B12 in die Vene.
„Damit haben alle diese Kinder, die wir bislang gesehen haben, die verlorenen Entwicklungsschritte, so weit zu diesem Zeitpunkt beurteilbar, wieder aufgeholt“, sagt der Kinderarzt. Es gebe aber auch Berichte über bleibende Schäden, wie zum Beispiel Sprach- und Entwicklungsverzögerung. In seltenen Fällen traten auch Epilepsien oder bleibende Störungen der Feinmotorik auf. „Das Ausmaß der Schäden hängt sicher davon ab, zu welchem Zeitpunkt die Kinder in die Therapie kommen und der Mangel behoben wird“, so Burmester.
"Einige waren erschrocken"
Die Eltern der Kinder haben unterschiedlich auf die Diagnose reagiert. „Einige waren so erschrocken, dass sie sich von der veganen Ernährung distanziert haben. Andere nehmen das zur Kenntnis, achten dann aber darauf, dass die fehlenden Vitamine, Nährstoffe und Spurenelemente dem Kind zusätzlich zugeführt werden“, sagt Burmester. Er rät stillenden veganen Müttern dringend, auf eine ausreichende Vitaminversorgung bei sich zu achten.
Grundsätzlich ist laut Burmester vegane Ernährung für Kinder nicht zu empfehlen. „Sie führt häufig auch zu einem Eiweißmangel, der Untergewicht und Wachstumsstörungen zur Folge haben kann“, sagt Burmester. In seltenen Fällen könne es auch zu einem Mangel des Spurenelements Zink kommen. Zink ist wichtig für die Haut und die Haare. Ein Mangel kann zu entzündlichen Veränderungen der Haut, zu Durchfall und Veränderungen der Geschmacksempfindungen führen.
"Sehr kritisch"
Auch Dr. Stefan Renz, Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, rät von einer veganen Ernährung von Kindern ab und nennt weitere Risiken. „Wir Kinderärzte sehen die vegane Ernährungsform sehr kritisch. Denn es fehlt nicht nur das Vitamin B12. Dadurch, dass die Kinder ohne Milch, Joghurt und Käse aufwachsen, kann auch ein Kalziummangel auftreten. Steht auch kein Fisch auf dem Speiseplan, droht ein Jodmangel. Und durch das Fehlen von Fleisch bekommt das Kind zu wenig Eisen.“
Eisen wird für die Blutbildung gebraucht. Wer davon nicht genug bekommt, kann ebenfalls an einer Blutarmut erkranken. Kalzium ist wichtig für gesunde Knochen. Ein Mangel kann zu Osteoporose und im schlimmsten Fall zu Rachitis mit Verformungen der Knochen führen. Jod ist wichtig für die Schilddrüse. Deswegen kann ein Jodmangel eine Unterfunktion der Schilddrüse zur Folge haben.
Es gebe zwar nur wenige Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, aber trotzdem sei das ein ernst zu nehmendes Problem, sagt Renz.
Um schwerwiegende Folgekrankheiten zu vermeiden, sollten Eltern, die bei ihren Kindern nicht auf vegane Ernährung verzichten wollen, Rücksprache mit dem Kinderarzt halten, rät Renz. „Wir kontrollieren dann in regelmäßigen Abständen das Blutbild und andere Blutwerte, um zu sehen, ob da irgendwo ein Mangel auftaucht“, sagt der Kinderarzt.
Wer sich vegan ernähren wolle, müsse sich sehr gründlich damit auseinandersetzen, um keinen Schaden davonzutragen und die fehlenden Substanzen in Form von Tabletten oder Supplementen zu sich nehmen, sagt Burmester. Und zum Thema „vegan ist gesund“ meint er, eine Ernährung, bei der man dem Körper Stoffe, die er brauche, künstlich zuführen müsse, könne nicht gesund sein.