Hamburg. Wie Hamburgs Innensenator die Herausforderungen nach dem G20-Gipfel und dem Anschlag von Barmbek meistert.

Die Nachricht vom Anschlag in Barmbek am Freitag vor acht Tagen erreichte Andy Grote im Urlaub an der Nordsee. Hamburgs Innensenator und seine Ehefrau haben sich dorthin zurückgezogen, um durchzuschnaufen und sich auf die Geburt ihres ersten Kindes vorzubereiten.

Doch dann stach ein 26-jähriger palästinensischer Asylbewerber in dem Edeka-Supermarkt an der Fuhlsbüttler Straße unvermittelt auf mehrere Menschen ein, tötete einen 50-jährigen Mann, der in einer Schlange stand, und verletzte weitere fünf Menschen.

Tags darauf saß Grote mittags im Raum 151 des Hamburger Rathauses, um der Öffentlichkeit Rede und Antwort zu dem Attentat zu stehen. Wenig später legte er – zusammen mit Bürgermeister Olaf Scholz – am Tatort im Nordosten Hamburgs Blumen nieder.

Der legendäre Helmut Schmidt

Das Amt des Hamburger Innensenators ist ein besonderes. Man kann mit ihm hoch aufsteigen. Der legendäre Helmut Schmidt (SPD) startete als Hamburger „Polizeisenator“ seine Spitzenkarriere, die ihn ins Kanzleramt führte. Die ehemaligen Innensenatoren Hans-Ulrich Klose und Olaf Scholz (beide SPD) wiederum wurden später Erste Bürgermeister von Hamburg.

Das Amt des Innensenators der Hansestadt kann einen Politiker allerdings auch tief stürzen. Rolf Lange (SPD) trat 1986 zurück, weil die Rotlichtgröße Werner Pinzner im Polizeipräsidium seine Frau, einen Staatsanwalt und sich selbst erschoss. Werner Hackmann (SPD) schmiss das Amt 1994 hin, weil öffentlich Vorwürfe über „unrechtmäßige Polizeigewalt“ erhoben wurden. Hartmuth Wrocklage (SPD) gab 2001 auch auf, weil ihm Zeitungen Vetternwirtschaft unterstellt hatten.

"Zahlreiche Fragen"

Andy Grote, der seit dem 18. Januar 2016 Hamburgs Innenbehörde führt, hat jetzt innerhalb kurzer Zeit mit dem G20-Gipfel und dem Anschlag von Barmbek zwei außergewöhnliche Situationen durchstehen müssen. Vor allem der Polizeieinsatz während des G20-Gipfels wirft zahlreiche Fragen auf, vor allem die, ob die Beamten in jeder Situation verhältnismäßig gegen Demons­tranten vorgegangenen sind.

Den Rücktritt von Andy Grote fordert allerdings bis auf die Linke und ihre extremistischen Verbündeten bislang niemand. Stattdessen, so heißt es, wird sein Auftreten in der Öffentlichkeit, vor allem nach dem G20-Gipfel, allgemein positiv eingeschätzt.

Bürgermeister Olaf Scholz, der insbesondere wegen des Mobs, der am ersten Gipfeltag brandschatzend durch Altona zog, selbst zeitweise unter Druck geraten war, lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er seinem Innensenator vertraut. Wie es aus dem Rathaus heißt, rechnet der Senatschef Grote neben dessen Entscheidungsstärke hoch an, dass er sich demonstrativ vor die Polizei stellte, nachdem Beamten vorgeworfen wurde, sie seien zu hart gegen Demonstranten vorgegangen. Scholz, der wiederholt den Einsatz der Polizisten lobte, weiß, dass es vor gar nicht allzu langer Zeit noch Situationen gab, in denen die Politik die Polizei bei Vorhaltungen im Regen stehen ließ. Das will er sich und seinem Senat nicht nachsagen lassen.

"Blick der Zivilgesellschaft"

Allerdings gehört zu den Aufgaben von Grote auch, die Sicht der „anderen Seite“ zu berücksichtigen. Er müsse „die interne Perspektive der Polizei“ klar sehen und zugleich offen für „den Blick der Zivilgesellschaft“ sein, sagt der Senator. Von „Scharnierfunktion“ spricht er und fügt hinzu: „Ich muss beide Perspektiven verstehen.“ Ihm helfe dabei seine Analysefähigkeit, die er sich während seiner Zeit als Jurist aneignete.

Dass Grote sich als Verteidiger von Polizei, Recht und Ordnung versteht, daran lässt er keinen Zweifel. Zugleich ist ihm bewusst, wie sensibel ein SPD-Innensenator in einem Bündnis mit den Grünen agieren muss. Schließlich ist die Innenpolitik ein Feld, unter dessen dünner Kruste der Verständigung eine Vielzahl von Verwerfungen lauern. So verstehen viele Grüne nicht: Auf dem Gebiet der inneren Sicherheit ist vieles nicht verhandelbar. Um so wichtiger ist ein Innensenator, der Verständnis für jene hat, die das anders sehen.

Grote macht in dieser Hinsicht seinen Job gut, weshalb Hamburgs Grüne mit ihm durchaus zufrieden sind. Man könne sich auf ihn verlassen, sagt einer ihrer Spitzenvertreter. Wer ein Anliegen an ihn herantrage, kann darauf hoffen: Andy Grote kümmert sich verlässlich und ernsthaft darum.

Die Grünen haben eher ein Problem mit der Polizei und deren „Korpsgeist“. Spitzenbeamte würden im Falle eines Falles auch den Senator im Regen stehen lassen. So zum Beispiel während der Pressekonferenz am Sonntag nach dem G20-Gipfel, als man nicht die ganze Wahrheit über die Polizeieinsätze offenbarte. Oder am vergangenen Sonnabend, als man den Innensenator nicht umgehend darüber informierte, dass in der Unterkunft des Messerangreifers ein Papierausdruck mit einem ISIS-Logo gefunden wurde.

Im Rathaus und in der Innenbehörde sieht man das anders. Gerade das demonstrative Eintreten des Innensenators für die Polizei, „als es eng wurde“, sei bei den Beamten an der Basis gut angekommen, heißt es. Grote spricht von einer „engen, belastbaren und vertrauensvollen Zusammenarbeit“ und davon, dass er „volle Rückendeckung“ verspüre.

Kein Rücktritt

Und so tut sich selbst die oppositionelle CDU momentan schwer damit, den Innensenator frontal anzugreifen. „Ich nehme ihn eher als verlängerten Arm des Ersten Bürgermeisters wahr“, sagt deren Innenexperte Dennis Gladiator. Diese Einschätzung mag damit zusammenhängen, dass die Union frühzeitig Olaf Scholz als Hauptschuldigen dafür ausmachte, dass die gewalttätigen Proteste am Rande des G20-Gipfels nicht rechtzeitig eingedämmt werden konnten. Sie hat ihn daher wiederholt zum Rücktritt aufgefordert.

Grote selbst denkt derzeit nicht über einen Rücktritt nach. Ihm sei bei Amtsübernahme klar gewesen, dass es auch eine Situation geben könne, die eine derartige Konsequenz erfordere. Derzeit aber verspüre er keinen „Rückzugsimpuls, sondern die Verantwortung, sich um Aufklärung zu kümmern“.