Hamburg. Haspa führt Parade am Sonnabend mit einem eigenen Wagen an. Warum immer mehr Firmen Gruppen für homosexuelle Mitarbeiter fördern.
Mit der Hamburger Sparkasse verbindet man in der Regel Girokonto, Kreditzinsen oder Geldautomaten. Und alles mögliche andere, was sonst noch so mit Finanzen zu tun hat. Solide, bodenständig und zurückhaltend. An Männer und Frauen, bunt bis schrill gekleidet, dröhnende Bässe und 150.000 tanzende Zuschauer am Straßenrand denkt man eher nicht.
Aber genau so wird es sein, wenn Manuel Ehrich und viele seiner Haspa-Kollegen am heutigen Sonnabend mit einem geschmückten Truck die Parade des Christopher Street Day (CSD) anführen. „Mehr Statement geht nicht“, sagt der Bankfachwirt und Gründer des Netzwerks Haspa Pride. Zum ersten Mal ist die Haspa als gut sichtbar mit Wagen und Logo bei dem Umzug für die (sexuelle) Vielfalt dabei.
Die Haspa ist nicht das einzige Unternehmen mit CSD-Engagement
Die Sparkasse ist nicht das einzige Unternehmen, das sich öffentlichkeitswirksam gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Transgendern, Bi- und Intersexuellen einsetzt. „Das Engagement vom Hamburger Firmen ist mehr geworden“, sagt Stefan Mielchen, Vorsitzender des Vereins Hamburg Pride, der den CSD und die Pride Week mit zahlreichen Veranstaltungen ausrichtet. Dahinter steckt ein neues Konzept. „Wir sprechen Unternehmen an, sich am CSD zu beteiligen und die Veranstaltung finanziell zu unterstützen“, sagt Roland Rotermund von der Hamburger Agentur Ahoi Events.
Die Otto Group zieht mit eigenem Truck mit, genau wie der Lebensmittelhändler Rewe, der Modeversand About you, Facebook oder die Musical-Schmiede Stage Entertainment. „Für die Unternehmen ist es eine gute Plattform, weil sie sich als offen und vielfältig präsentieren können“, sagt Mielchen. Dafür investieren sie zwischen 8000 und 10.000 Euro. Zusätzlich zu Wagenmiete, Dekoration, DJ und Getränken wird für kommerzielle Unternehmen noch eine Gebühr von 1200 Euro für Lkw über 7,5 Tonnen fällig. Insgesamt sind 30 Wagen angemeldet.
CSD-Teilnahme mit Truck kostet bis zu 10.000 Euro
Für Manuel Ehrich ist der Haspa-Truck an der Spitze des CSD auch ein persönlicher Erfolg. Seit 2009 engagiert sich der 38-Jährige bei der Haspa für die Gleichberechtigung, unabhängig von der sexuellen Ausrichtung, initiierte von der Filiale in St. Georg aus das Netzwerk Haspa Pride. „Wir wollten im Unternehmen Flagge zeigen, aufklären und beraten“, sagt er. Die Reaktion von Kollegen und Kunden: meist positiv. „Aber es gibt immer Menschen, die erst mal skeptisch sind.“ Heute hat Haspa Pride 40 bis 50 Mitglieder und ist Teil der Unternehmenskultur. Einmal im Monat gibt es einen Stammtisch.
Schon in den vergangenen Jahren hat die Haspa den Christopher Street Day und Hamburg Pride finanziell unterstützt. Vor den Filialen am Jungfernstieg und an der Langen Reihe wehen die Regenbogenfahnen. „Die Haspa steht wie Hamburg für Offenheit“, sagt ein Sprecher der Sparkasse. „Uns ist ein Arbeitsumfeld wichtig, das frei von Vorurteilen und Diskriminierung ist.“
Die weltweiten Aktionen zum Christopher Street Day gehen auf Vorfälle am 28. Juni 1969 in New York zurück. Nach einer Polizeirazzia in einer Szenebar für Lesben und Schwule kam es zu einem Aufstand. In Hamburg gibt es den CSD seit 1980. Inzwischen weht währenddessen die Regenbogenfahne, das Symbol der sogenannten LGBT-Bewegung, an vielen Institutionen. In diesem Jahr erstmals auch vor der Handelskammer.
Auch die Otto Group setzt ein Zeichen mit ihrem Einsatz
LGBT steht für lesbian, gay, bisexual, transgender, und auch die Otto Group setzt ein Zeichen mit ihrem Einsatz: „Vielfalt ... finde ich gut“ steht auf einem riesigen Transparent vor der Firmenzentrale in Bramfeld, auf dem sich der Konzern als offizieller Partner von Hamburg Pride vorstellt. Petra Scharner Wolf, im Otto-Vorstand unter anderem für Personal zuständig, hat im offiziellen Programm einen Gastbeitrag geschrieben. „Wir haben bei Otto viele homosexuelle Kollegen, auf allen Hierarchie-Ebenen“, sagt eine Otto-Sprecherin. Diskriminierung sei kein Problem. Trotzdem wurden die Initiatoren von der Begeisterung der Beschäftigten für die CSD-Unterstützung überrascht. „Das ist wie ein Ruck“, sagt die Sprecherin. Bei Facebook und Twitter posen Mitarbeiter mit „Vielfalt“-Schildern, im Betriebsrestaurant gibt es einen besonderen Speiseplan, und für die Mitfahrt auf dem CSD-Otto-Truck gab es deutlich mehr Bewerber als Karten.
Besonders in amerikanischen Unternehmen hat diese Offenheit Tradition. Beim Internet-Riesen Google, 2016 Hauptsponsor des Hamburger CSD, gibt es das Netzwerk Gaygler, das sich auch außerhalb der Firma engagiert. „Diversity und Inklusion sind ein Kernanliegen von Google. Denn eine Vielfalt von Meinungen führt zu besseren Diskussionen, Entscheidungen und Ergebnissen für alle“, sagt Sprecher Robert Lehmann. Bei der Commerzbank heißt der Zusammenschluss Arco. Mit bundesweit 330 Kolleginnen und Kollegen ist Arco nach Unternehmensangaben „Deutschlands größtes betriebliches Netzwerk für homo-, bi- und transsexuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.
Die Toleranz-Offensive nimmt den gesellschaftlichen Wandel auf
Auch die Deutsche Bank, SAP oder die Telekom haben LGBT-Gruppen und Stammtische. Beim Energieversorger Vattenfall hat sich Anfang 2017 das Rainbow Network gegründet. Inzwischen zählt es bundesweit 95 Mitglieder. „Ich bin positiv überrascht“, sagt Gründer Johannes Nohl aus der Unternehmenskommunikation. „Auch viele heterosexuelle Mitarbeiter machen mit.“ Zum ersten Mal sponsert der Konzern einen eigenen Truck und beteiligt sich an der Aktion CSD – Hamburg wird leuchten.
Die Toleranz-Offensive nimmt die Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas auf – Stichwort: die gerade vom Bundestag beschlossene Ehe für alle – hat aber auch mit dem Bedarf der Firmen an qualifizierten und motivierten Mitarbeitern zu tun. „Diversity und Gender Mainstreaming sind für den Arbeitsmarkt ein wichtiges Thema“, sagt Sönke Fock, Chef der Hamburger Agentur für Arbeit. Mit fortschreitender Globalisierung und Digitalisierung werde der Bedarf an Fachkräften auf einem hohen Niveau bleiben und in bestimmten Branchen und Regionen noch deutlich zunehmen. „Parallel dazu sinkt das Erwerbspersonenpotenzial stetig“, so Fock. „Sozialen Frieden und Wohlstand können wir langfristig nur sichern, wenn wir alle Personengruppen für den Arbeitsmarkt aktivieren, beispielsweise Menschen mit Behinderung, Ältere, Menschen mit ausländischer Familiengeschichte und selbstverständlich auch LGBT-Menschen.“ Das gelte auch für die Bundesarbeitsagentur als Arbeitgeber mit 110.000 Beschäftigten.
300 LGBT-freundliche Firmen in Deutschland
Dahinter steckt auch die Überlegung, dass, wer sich nicht ständig verstecken muss, auch den Kopf am Arbeitsplatz frei hat. Trotzdem sind die Unternehmen, die sich aktiv für ihre homosexuellen Mitarbeiter einsetzen, in der Minderheit. Die Firma Uhlala, Veranstalter der Karrieremesse Sticks & Stones, hat gerade mal gut 300 LGBT-freundliche Bertriebe in Deutschland identifiziert.
Auch Barbara Lux, Inhaberin der Hamburger Unternehmensberatung Lux Consulting, die sich viel mit dem Bereich Diversity Management beschäftigt, sagt: „Es gibt einen Unterschied zwischen dem Leitbild einer Firma und der tatsächlich gelebten Arbeitswirklichkeit.“ Auch wenn die offene Diskriminierung weniger werde, schlummerten in den Köpfen Vorurteile und Bewertungsketten. „Dann wird hinter dem Rücken geredet.“ Viele Mitarbeiter hätten deshalb Angst, sich zu outen.
Die Haspa will ein buntes Unternehmen sein
Haspa-Banker Manuel Ehrich kennt das Problem und hat weitere Pläne für Haspa Pride. Unter anderem will sich die Gruppe im Intranet und bei den neuen Auszubildenden vorstellen, um noch mehr Leute anzusprechen. „Es wird immer wichtiger, allen – egal welcher sexuellen Orientierung, Religion oder Herkunft – das Gefühl zu geben, Teil eines bunten Unternehmens zu sein“, sagt Ehrich. Bei der CSD-Parade wird er mit Politikern und Prominenten auf dem Haspa-Truck feiern. „Das ist für mich auch das erste Mal.“