Hamburg . Attentäter hätte 2015 nach Norwegen zurückgeschickt werden können. SPD-Experte gibt Innenminister de Maizière (CDU) die Schuld.
Das Barmbeker Messerattentat, bei dem ein Mann getötet und fünf Menschen verletzt wurden, hätte wohl verhindert werden können, wenn deutsche Behörden ihre Arbeit richtig gemacht hätten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) räumte gestern ein, dass der mutmaßliche Attentäter Ahmad A. wegen einer Behördenpanne nicht nach Norwegen hatte abgeschoben werden können. Das berichtete Spiegel-Online.
Der 26-jährige Palästinenser war im März 2015 – also noch vor der großen Flüchtlingswelle – mit dem Zug von Norwegen kommend in Deutschland eingereist und hatte sich in Dortmund gemeldet. Von dort wurde er später nach Hamburg verteilt, wo er im Mai 2015 einen Antrag auf Asyl stellte.
Bundesamt nahm die Fingerabdrücke von Ahmad A.
Im Rahmen dieses Asylverfahrens nahm das Bundesamt die Fingerabdrücke von Ahmad A. und stellte bei einem Abgleich mit einer europaweiten Datenbank fest: der Mann hatte bereits in Norwegen Asyl beantragt. Nach den Regeln des sogenannten Dublin-Systems hätte Ahmad A. in das nordeuropäische Land zurückgeschickt werden können.
Spiegel-Online zufolge stellte das Bundesamt am 14. Juli 2015 auch ein entsprechendes Rücknahmeersuchen an Norwegen. Allerdings wurde eine vorgeschriebene Frist um einen Tag verpasst, so dass die norwegischen Behörden sich erfolgreich weigerten, Ahmad A. zurückzunehmen. Hamburgs Innenstaatsrat Bernd Krösser hatte bereits auf der Pressekonferenz am Sonnabend die Möglichkeit ins Gespräch gebracht, dass eine Rückführung des Angreifers von Barmbek nach Norwegen seinerzeit wegen einer Behördenpanne unterblieben sei. Der Innenausschuss der Bürgerschaft wird sich am 9. August zu einer Sondersitzung treffen.
CDU: Labil und radikalisiert hätte alarmieren müssen
„Die Tatsache, dass Ahmad A. hätte nach Norwegen zurückgeschickt werden müssen, entlastet die Hamburger Behörden nicht, den Mann auf seine Gefährlichkeit hin zu überprüfen“, sagte Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Wenn jemand sowohl psychisch labil als auch radikalisiert ist, hätte das die Behörden alarmieren müssen“, sagte der CDU-Politiker.
Gladiator verwies darauf, dass im vergangenen Monat von 175 vorbereiteten Rückführungen lediglich 54 hätten umgesetzt werden können. In 25 Fällen sei die für die Abschiebung vorgesehene Person nicht angetroffen worden. „Dass vor diesem Hintergrund der Ausreisegewahrsam kaum genutzt wird, zeigt den Handlungsbedarf“, sagte Gladiator. Schließlich gehöre die Durchsetzung der Ausreisepflicht zum Asyl- und Aufenthaltsrecht.
Gladiator kritisiert die großzügige Duldungspraxis Hamburgs
In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion hatte der Senat erklärt, dass im Juni 20 Personen in Abschiebehaft untergebracht worden seien. Sieben Personen hätten aus dieser abgeschobenen werden können, drei hingegen nicht. Im Abschiebegewahrsam habe sich im vergangenen Monat dagegen keine Person befunden.
Gladiator kritisierte ferner die großzügige Duldungspraxis Hamburgs. „Der Grundsatz muss sein: Hilfe, wem Hilfe gebührt, aber wer kein Bleiberecht bekommt, muss unser Land wieder verlassen.“ Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür habe der Bund verbessert. „Die Länder müssen die Instrumente nun aber auch anwenden“, sagte der CDU-Innenpolitiker.
Schuld an der Panne ist derweil nach Worten des innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), weil das BAMF chronisch unterbesetzt gewesen sei. Da dürfe man sich nicht wundern, wenn ein Fehler passiert, sagte Lischka der "Mitteldeutschen Zeitung".
Rund 51.700 Flüchtlinge leben derzeit in Hamburg
Dem Senat zufolge lebten im vergangenen Monat 51.706 Flüchtlinge in Hamburg. Davon hatten 29.838 Personen eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. Bei 5068 Menschen, sei deren Abschiebung allerdings zunächst ausgesetzt worden. Sie würden also geduldet. Nachdem die Zahl der Duldungen zu Jahresbeginn 2017 leicht auf unter 5000 gesunken war, hatte diese sich zuletzt wieder erhöht. Allerdings liegt deren gegenwärtige Zahl rund zehn Prozent unter dem Höhepunkt zu Beginn des Jahres 2016.
Nach Angaben des Flüchtlingskoordinators trafen im Juli etwas weniger als 700 Flüchtlinge in Hamburg ein – in etwa genauso viel wie jeweils in den vergangenen Monaten. Der Erfahrung nach wird gut die Hälfte der Personen auf andere Bundesländer verteilt.