Hamburg. Laut dem Betriebsrat droht mehreren Werken des Unternehmens das Aus. Auch in der HafenCity könnten Arbeitsplätze wegfallen.

Es dürfte eng werden, heute um 14 Uhr im Atrium von Unilever in der Hamburger HafenCity. Mehrere Hundert Mitarbeiter werden sich voraussichtlich in der Deutschlandzentrale drängen, dazu werden alle Standorte per Videokonferenz zugeschaltet. Nicht nur Deutschlandchef Ulli Gritzuhn soll auf der Betriebsversammlung sprechen, sogar Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) ist zu der Veranstaltung geladen, auf der es um nichts weniger als die Zukunft der rund 5000 Beschäftigten des Konsumgüterkonzerns im deutschsprachigen Raum gehen wird.

„Das Unternehmen will die Lohnkosten aller deutscher Standorte auf den Prüfstand stellen“, sagte der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Hermann Soggeberg, am Montag dem Abendblatt. Dadurch seien rund 1000 Arbeitsplätze bedroht. Es könne zu Outsourcing, Kündigungen oder gar zur Schließung ganzer Werke kommen. Darüber hinaus drohten den Beschäftigten in der Produktion deutliche Verschlechterungen bei den Sozialleistungen. So wolle die Konzernleitung den Sozialkatalog kündigen, der unter anderem Zahlungen im Krankheitsfall oder bei Jubiläen vorsieht. „Wir sind geschockt über das Ausmaß der geplanten Maßnahmen“, so der Betriebsratsvorsitzende.

Auswirkungen noch nicht abzusehen

Nach den Worten Soggebergs stehen derzeit insbesondere die Werke von Knorr und Pfanni in Heilbronn, Stavenhagen, Auerbach und im schweizerischen Thayngen auf der Prüfliste der Konzernleitung. Daneben sind die Standorte Kleve und Pratau vom geplanten Verkauf der schwächelnden Margarine-Sparte (Rama, Becel) bedroht. Nur das erfolgreiche Eisgeschäft mit dem Langnese-Werk in Heppenheim und die Dove-Produktion in Buxtehude und Mannheim bleiben bei diesen Überlegungen außen vor. Welche Auswirkungen die Sparpläne auf die Hauptverwaltung in Hamburg haben, ist noch nicht abzusehen. „Aber auch in Hamburg wird ein Arbeitsplatzabbau ausdrücklich nicht ausgeschlossen“, so Soggeberg.

Unilever-Sprecher Konstantin Bark wies die Darstellung des Betriebsrats als „pure Spekulation“ zurück. Zwar arbeite Unilever derzeit an einer Optimierung von Produktion und Logistik. „Es gibt aber noch keine Entscheidung darüber, wie genau dieses Ziel erreicht werden soll.“ Alle Maßnahmen würden mit dem Betriebsrat abgestimmt. Die „Grundfesten“ des Sozialkatalogs sollen nach Barks Worten nicht angetastet werden.

Hintergrund der aktuellen Sparmaßnahmen ist der gescheiterte Übernahmeversuch des Unilever-Konkurrenten Kraft Heinz im Februar dieses Jahres. 134 Milliarden Euro bot der Hersteller von Heinz-Ketchup und Philadelphia-Käse für den Wettbewerber. Diesen Angriff konnte Konzernchef Paul Polman zwar relativ zügig abwehren, doch gelang dies nur, indem er den Großinvestoren des börsennotierten Unternehmens eine weitere Renditesteigerung zusicherte.

Die operative Gewinnmarge soll von 16 Prozent im vergangenen Jahr auf 20 Prozent im Jahr 2020 steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Konzernführung nach früheren Angaben die Margarine-Sparte zum Verkauf stellen, die unter einer immer geringeren Nachfrage im Kernmarkt Europa leidet, das verbleibende Nahrungsmittelgeschäft (Knorr, Pfanni, Bertolli) soll mit der Sparte Erfrischungen (Langnese, Lipton Tea) zusammengelegt werden. Zudem könnte es künftig nur noch einen Konzernsitz statt der beiden bestehenden in London und Rotterdam geben.

Nettogewinn legte zu

Im ersten Halbjahr dieses Jahres profitierte Unilever schon kräftig von laufenden Umbaumaßnahmen und Einsparungen. Der Nettogewinn legte um 22,4 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro zu – weitaus stärker als der Umsatz, der um 5,5 Prozent auf 27,7 Milliarden Euro kletterte. Dabei konnte einmal mehr das wachstumsstarke Eisgeschäft glänzen

Angesichts dieser Zahlen sehen Betriebsrat und Gewerkschaft keinen Grund dafür, nun noch ein weiteres, drastischeres Sparprogramm aufzulegen. „Unilever will seine Bilanz für internationale Investoren aufpolieren“, sagte Arno Fischer von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Eine Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Beschäftigten wird es gegen den Willen von Betriebsrat und Gewerkschaft aber nicht geben.“

Schutz vor feindlichen Übernahmen gefordert

Aus der Sicht des Betriebsratsvorsitzenden steht allerdings auch die Politik in der Verantwortung. „Was wir brauchen, ist ein gesetzlicher Schutz vor feindlichen Übernahmen auf europäischer Ebene“, sagte Hermann Soggeberg. Ohne den Angriff von Kraft Heinz wäre es nach seiner Meinung nicht zu den nun geplanten Sparmaßnahmen bei Unilever gekommen.

Aus diesem Grund hat der Betriebsrat auch Bundeswirtschaftsministerin Zypries zur der heutigen Betriebsversammlung eingeladen. Sie wird nach Abendblatt-Informationen zum Thema feindliche Übernahmen sprechen. Ob sich die SPD-Politikerin auch konkret zum drohenden Arbeitsplatzabbau bei Unilever äußern wird, ist hingegen noch offen.