Hamburg . Rund 200 Anwohner drücken ihr Beileid mit gemeinsamem Beten und Singen aus. Sie wollen ein Zeichen setzen.

Aytekin Ciplak legt seinen Strauß Blumen zu den anderen, die bereits vor dem Supermarkt liegen. Der 52-Jährige zündet eine Kerze an und schüttelt fassungslos den Kopf: „Ich kann noch immer nicht glauben, was da passiert ist.“ Der Einzelhändler hat ein Geschäft an der Fuhlsbüttler Straße, die am Freitag zum Schauplatz einer schrecklichen Tragödie wurde. „Ich bin heute hier, um ein Zeichen zu setzen und mein Mitgefühl auszudrücken.“

Mit ihm sind viele andere Anwohner gekommen. Es ist Sonntag, zwölf Uhr und vor der Supermarktfiliale, in der am Freitagnachmittag ein 50-Jähriger starb, stehen rund 200 Menschen. Viele von ihnen sind Angehörige der umliegenden Kirchengemeinden.

Pastorin Urbach ergriff die Initiative

Pastorin Idalena Urbach hat die Versammlung angestoßen: „Ich hatte das Gefühl, wir als Kirche müssen reagieren“, sagt die 55-Jährige. Zusammen mit vier weiteren Gemeinden sind die Gläubigen von ihren Kirchen nach dem Gottesdienst an den Ort des Schreckens gezogen, um gemeinsam zu beten und zu singen.

Auf kleinen, rosa Zetteln wird das Gebet der Vereinten Nationen und der Text des Liedes „We Shall Overcome“ verteilt. Die meisten Anwesenden stimmen mit ein. Viele haben Blumen mitgebracht, Kreide liegt bereit, um Nachrichten auf den Asphalt zu schreiben. „Möge Gott der Familie beistehen und sie immer beschützen“, schreibt ein Mann auf den Boden.

Respekt für die Helden

Unzählige Blumensträuße und Kerzen liegen dort schon. Dazwischen Kondolenzkarten, die Beileid ausdrücken oder Ratschläge geben wie „Zu allen Zeiten überwinde Böses mit Gutem“. Auch ein Bild der fünf Männer, die den Attentäter überwältigt haben, wurde aufgestellt. „Tiefsten Respekt an unsere Barmbeker Helden“, steht darüber.

„Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass neben dem Täter die Helden, die ihn gestoppt haben, zum Teil Mus­lime waren“, sagt Pastor Sven Lundius von der St.-Gabriel-Kirche. Barmbek werde zusammenhalten und sich nicht zu Hass verleiten lassen. „Bei all dem Schmerz, der Wut und der Trauer gibt es dadurch auch einen Hoffnungsschimmer.“

Wenige Meter weiter betet eine Gruppe von Muslimen in der Masjed-al-sahaba-Moschee. „Auch wir sind fassungslos und verurteilen die Tat aufs Schärfste“, sagt Imam Ahmet Mo­hamed. Drei der fünf Männer, die den Täter gestoppt haben, seien Mitglieder seiner Moschee. Den Täter dagegen habe man hier noch nie gesehen. „Mit diesem­ grausamen Akt hat der Atten­täter unsere Religion beleidigt.“ Kommenden Freitag plant die Glaubens­gemeinschaft eine öffentliche Trauerfeier, um ihr Mitgefühl mit den Opfern auszudrücken.