Hamburg. Der 26-Jährige, der am Freitag einen Mann erstach und sieben Menschen verletzte, war den Sicherheitsbehörden als Islamist bekannt.

Gegen den 26 Jahre alten Mann, der am Freitag in einem Supermarkt im Stadtteil Barmbek unvermittelt auf Menschen eingestochen hatte, hat ein Richter am Sonnabendabend Haftbefehl wegen des Verdachts auf vollendeten Mord sowie fünffachen versuchten Mord erlassen, wie die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, sagte. Zum Tathergang oder seinem Motiv habe der Mann keine Angaben gemacht, wohl aber zu seiner Person. Für eine verminderte Schuldfähigkeit hätten sich „keine belastbaren Hinweise“ ergeben, sagte sie.

Frombach sagte weiter, der Mann sei in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg inhaftiert. Ihre Behörde sei mit der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe in Kontakt. Anfang der Woche werde darüber beraten, ob die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich zieht. Die Staatsanwaltschaft des Bundes beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe verfolgt Straftaten gegen die innere und äußere Sicherheit, also etwa Landesverrat oder Terrorismus. Das genaue Motiv für den Angriff blieb auch einen Tag danach noch unklar.

Angreifer lebte in einer Unterkunft in Langenhorn

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Am Nachmittag hatten Vertreter der Sicherheitsbehörden, allen voran Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), bei einer Pressekonferenz erste Erkenntnisse zu dem Angreifer und dem Tathergang mitgeteilt. Demnach war der 26-jährige, ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten geborener Palästinenser, ausreisepflichtig, islamistisch motiviert und offenbar psychisch labil.

Dem Landeskriminalamt zufolge tötete der abgelehnte Asylbewerber, der in einer Unterkunft in Langenhorn lebte, in dem Supermarkt einen 50 Jahre alten Mann. Anschließend verletzte er zwei Frauen und vier Männer. Die Opfer waren alles Deutsche; eine Frau hatte sowohl die deutsche als auch polnische Staatsbürgerschaft. Ein weiterer Mann wurde verletzt, als er half, den Tatverdächtigen zu überwältigen. Alle Verletzten waren am Sonnabend außer Lebensgefahr.

Laut Polizei wurde neben den bereits bekannten sechs Verletzten auch eine 29-Jährige im Rahmen des Geschehens leicht verletzt. Demnach stürzte die Frau im Rahmen der Auseinandersetzung und zog sich Schürfwunden zu. Zudem erlitt sie einen Schock.

LKA-Chefin: So lief die Bluttat in Barmbek ab

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Die stellvertretende LKA-Chefin Kathrin Hennings beschrieb bei der Pressekonferenz am Sonnabend den genauen Ablauf der Tat: Demnach sei der Beschuldigte am Freitag kurz vor drei Uhr in den Edeka-Markt gekommen, um ein Toastbrot zu kaufen. Nach dem Einkauf habe er das Geschäft verlassen und sei um 15.08 Uhr in einen Bus eingestiegen. Allerdings habe er diesen noch vor Abfahrt wieder verlassen. Anschließend sei der Mann in den Supermarkt zurückgekehrt und habe aus einem Verkaufregal ein großes Küchenmesser herausgenommen und aus der Verpackung gerissen. Dann – all das sei innerhalb kurzer Zeit geschehen – sei er zielgerichtet auf den 50-jährigen Mann zugegangen und habe diesen hinterrücks und ohne Vorwarnung brutal mit dem Messer attackiert und tödlich verletzt, so Hennings.

Sofort danach habe der Täter sich – wiederum zielstrebig – auf einen weiteren Mann zubewegt und diesen schwer verletzt. Anschließend sei der mutmaßliche Täter in den Eingangsbereich des Supermarkts zurückgegangen und habe dort auf einen anwesenden 19-jährigen Mann eingestochen. Dieses Opfer musste notoperiert werden.

Nach diesen drei Taten habe der Mann den Supermarkt verlassen und sei dabei auf zwei weitere Personen gestoßen, die an ihren Fahrrädern hantierten. Eine der beiden Personen verletzte er mit dem Messer, auf die andere schlug er ein. Im Anschluss daran sei der Täter die Fuhlbüttler Straße hinuntergelaufen und habe dabei einen 64-jährigen Mann schwer verletzt.

Inzwischen hätten couragierte Hamburger die Verfolgung aufgenommen und versucht, auf den mutmaßlichen Täter einzuwirken. Wenig später wurde der mutmaßliche Täter festgenommen. Zuvor sei es ihm jedoch noch gelungen, eine weibliche Person zu attackieren. Nach den Worten von Hennings hatte der mutmaßliche Täter bei der Festnahme das Messer bei sich. Zudem sei er von seinen Verfolgern verletzt worden.

Erster Anruf bei der Polizei ging 15.11 Uhr ein

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Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer fügte hinzu, dass bei der Polizei um 15.11 Uhr ein erster Anruf eingangen sei, wonach eine männliche Person in einem Edeka-Markt verschiedene Personen mit einem Messer angreife. Daraufhin seien mehrere Einheiten zum Tatort geschickt worden. Allerdings sei zu diesem Zeitpunkt nicht klar gewesen, ob ein Amoklauf oder eine Terrortat vorliege.

Zu einem ganz frühen Zeitpunkt hatte die Polizei noch über Twitter von einem Raubüberfall gesprochen, sich später allerdings korrigiert. Um 15.13 Uhr seien Zivilfahnder am Tatort eingetroffen, sagte Meyer. Sie hätten eine Gruppe von Männern beobachtet, die einen Mann verfolgten und auf ihn einwirkten. Es seien Warnschüsse abgegeben worden. Rasch habe man festgestellt, dass der umringte Mann der mutmaßliche Täter gewesen sei, und diesen festgenommen.

Auch das Mobile Einsatzkommando sei im Einsatz gewesen, um mögliche weitere Täter zu verfolgen. Allerdings sei rasch klar geworden, dass der Täter allein gehandelt habe.

Tatverdächtiger kam 2015 nach Deutschland

Eine erste Überprüfung des Mannes ergab, dass er im März 2015 aus Norwegen kommend in Deutschland einreiste und sich in Dortmund meldete. Von dort sei er nach Hamburg verteilt worden, wo er im Mai 2015 einen Antrag auf Asyl gestellt habe, sagte Hamburgs Innenstaatsrat Bernd Krösser. Zuvor habe der Mann sich bereits in mehreren europäischen Ländern – Norwegen, Schweden und Spanien – aufgehalten. Er habe sich in Deutschland bessere Perspektiven erhofft, nachdem ihm in Norwegen mitgeteilt wurde, dass er keine Chance auf Asyl hat.

Warum es vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keine Rückfrage in Norwegen gegeben habe und der Mann nicht gemäß der europaweit geltenden Dublin-Vereinbarung umgehend wieder abgeschoben worden sei, sei bislang unklar, sagte Krösser. Allerdings habe es keine Zweifel an seiner Identität gegeben, da der Mann eine Geburtsurkunde vorlegen konnte.

Der Antrag des Mannes sei im Dezember 2016 vom BAMF abgelehnt worden, sagte der Innenstaatsrat. Seitdem lief das Ausreiseverfahren. Nach den Worten von Krösser was das Asylverfahren für den mutmaßlichen Täter „idealtypisch“. Der Mann habe sich aktiv beteiligt und sei sehr kooperativ gewesen. „Der Mann hatte sich noch am Freitag bei der Ausländerbehörde erkundigt, ob seine Passpapiere eingetroffen seien“, ergänzte Innensenator Andy Grote.

Auch die Palästinensische Mission in Berlin habe aktiv an der Erstellung von Ausweisersatzpapieren mitgewirkt. „Das war ein Fall, der eher ganz gut gelaufen ist und der in den kommenden Wochen zu einer Ausreise geführt hätte“, ergänzte Hamburgs Innensenator Andy Grote.

Angreifer war als Islamist bekannt

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Zugleich musste der SPD-Politiker einräumen, dass der mutmaßliche Täter den Sicherheitsbehörden bekannt gewesen sei und es Hinweise auf eine Radikalisierung gegeben habe. Man habe jedoch nicht geglaubt, dass von ihm eine Gefährdung ausgehe, sagte Grote. Er sei „als Islamist, aber nicht als Dschihadist“ in die entsprechenden Datenbanken aufgenommen worden.

Der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Torsten Voß, ergänzte, dass der Beschuldigte einer von 800 in Hamburg gespeicherten Islamisten sei. Polizeipräsident Meyer erklärte, zu einer Einstufung des Täters als islamistischer Gefährder habe es nicht gereicht, auch, weil er wiederholt seine Ausreisewilligkeit betont habe. Nach den Worten von Voß hatte im September vergangenen Jahres ein Freund des mutmaßlichen Täters sich bei der Polizei gemeldet und erklärt, er habe bei dem 26-Jährigen eine Radikalisierung bemerkt.

So habe dieser früher viel gefeiert und Alkohol getrunken. Darauf habe er plötzlich verzichtet und stattdessen viel über den Koran geredet. Der mutmaßliche Täter, der Englisch, Schwedisch und Norwegisch spreche, sei zu einem Gespräch aufgesucht worden. Dabei habe er den Eindruck vermittelt, eine „destabilisierte und verunsicherte Persönlichkeit“ zu sein, sagte Voß. Allerdings wurde eine unmittelbare Gefährdung ausgeschlossen.

Keine Hinweise auf Unterstützer-Netzwerk

Unklar blieb am Sonnabend, warum der Mann nicht in psychiatrischer Behandlung war. Das hatte der Hamburger Verfassungsschutz empfohlen, war aber von der Polizei der Hansestadt bis zur Bluttat am Freitag nicht umgesetzt worden. Polizeipräsident Meyer musste einräumen, dass er in dieser Frage auch noch Fragen habe, die allerdings noch nicht geklärt seien.

Innensenator Grote wies allerdings mehrfach ausdrücklich darauf hin, dass es keine Hinweise auf eine Einbindung des Täter in andere terroristische Gruppen gebe. „Wir gehen bislang von einem psychsich labilen Einzeltäter aus“, sagte er. Demnach gibt es keine Hinweise auf Hintermänner oder ein Unterstützer-Netzwerk. LKA-Vize Hennings bestätigte, dass das Mobiltelefon des mutmaßlichen Täters und weitere elektronische Geräte entdeckt und sichergestellt worden seien. Die Auswertung der darauf gespeicherten Daten dauere noch an.