Barmbek-Nord. Nach dem Verbrechen stürzen sich Passanten mit Stühlen und Steinen auf den Mann und halten ihn fest, bis Fahnder ihn überwältigen.
Entsetzen, Fassungslosigkeit. Der Schock steht den Menschen ins Gesicht geschrieben. Blass, verweint, still sitzen die Frauen und Männer da, die gerade Zeugen eines furchtbaren Gewaltaktes wurden: Die Mitarbeiter eines Edeka-Marktes an der Fuhlsbüttler Straße haben mit ansehen müssen, wie ein 50-Jähriger in unmittelbarer Nähe niedergestochen wurde und nur wenig später starb. Einer erzählt von einer „riesigen Blutlache“, die sich in dem Laden ausgebreitet habe, und von einem Mann, dem in die Brust gestochen worden sei. „So ein sinnloser Gewaltakt“, sagt einer. „Man fühlt sich nicht mehr sicher.“ Ein anderer schüttelt entsetzt den Kopf: „Man hat das immer vor den Augen. Da wird man ja verrückt.“
Ein Toter, fünf vom Attentäter Verletzte, darunter eine Frau (50) und vier Männer (64, 57, 56, 19), dazu ein 35-Jähriger, der bei der Überwältigung des Täters verletzt wurde: Das ist die schreckliche Bilanz eines Verbrechens, das am Freitag Hamburg erschütterte. Ein mit einem Messer bewaffneter Mann stürmte gegen 15.10 Uhr in den Edeka-Markt und stach offenbar wahllos auf Opfer ein. Angeblich habe er dabei „Allahu Akbar“ gerufen, hieß es. Dann flüchtete der 26-Jährige, wurde von mutigen Passanten verfolgt (siehe Bericht rechts) und schließlich von Zivilfahndern festgesetzt.
Bedrückende Stille an der Fuhle
Wenig später rasen etliche Streifenwagen und Rettungswagen zum Tatort, der Bereich wird großräumig mit Flatterband abgesperrt. Überall Polizeibeamte. Passanten starren in die Richtung, wo sich das Unfassbare abgespielt hat, manche machen Handyfotos, unterhalten sich leise. Doch die meisten sind einfach nur erschüttert. In der Fuhle, wie die Fuhlsbüttler Straße hier genannt wird, sonst eine lebhafte, sprudelnde Gegend, herrscht an diesem Abend bedrückende Stille.
Gegen 17 Uhr tritt Polizeisprecher Timo Zill vor die Presse: Er berichtet, dass es ein Todesopfer gebe, die Frage, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, bleibt vorerst unbeantwortet. Alle Verletzten seien in Krankenhäuser gebracht worden. Auch der Täter ist verletzt. „Laut Ermittlungen war er mit einem Küchenmesser bewaffnet und war in den Edeka-Markt gestürmt, wo er auf Kunden einstach. Der Täter hat für die Kunden unvermittelt agiert und offenbar wahllos auf Menschen eingestochen“, sagte Zill. „Die Mordkommission ermittelt. Wir gehen nach derzeitigem Stand von einem Einzeltäter aus“, so Zill. Dass der Verbrecher angeblich „Allahu Akbar“ gerufen habe, bestätigte Zill nicht. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte Zill. Auch der Staatschutz, der für Terrorattentate zuständig ist, wurde eingeschaltet.
Geschockte Augenzeugen
Rettungskräfte kümmern sich in einem Großraumrettungswagen um die Mitarbeiter und Kunden bei Edeka, die Zeugen der Bluttat wurden. Eine Frau in der gelb-blauen Oberbekleidung des Marktes läuft auf zittrigen Beinen vor dem Bus auf und ab, zieht nervös an ihrer Zigarette. Eine andere Mitarbeiterin sitzt wenige Meter entfernt auf einem Stuhl und hält einen Kaffeebecher umklammert. Eine Bekannte hält ihre Hand, redet beruhigend auf sie ein.
Auch Ingrid Chaudhry steht unter Schock. Die 56-Jährige hat nur wenige Meter vom Edeka-Markt entfernt in einem thailändischen Imbiss etwas gegessen, als plötzlich Leute reinstürmten und warnten, „dass wir zurückbleiben sollten. Sie riefen: ,Da ist einer, er greift Leute an!‘“ Jemand schrie: „Der hat ein Messer! Schnappt ihn.“ Das ging alles so schnell. Es habe geheißen, dass der Messerstecher bei Lidl oder Edeka gewütet habe. „Mein Sohn arbeitet bei Lidl. Ich hatte Angst, dass ihm etwas passiert sein könnte. Ich habe jetzt noch Herzklopfen“, erzählt die 56-Jährige. Ihre Bekannte fragt erschüttert: „Was ist hier bloß los in unserem Barmbek?“
Auch Shaylin Röttmer (18), Mitarbeiterin einer Bäckerei, beschreibt, was sie gesehen hat. „Leute sind mit Stühlen hinter dem Täter hergelaufen und haben ihn damit beworfen.“ Sie spricht von einer erschreckenden Tat. „Es ist so traurig“, sagt sie im Gedenken an das Todesopfer. „Ich saß bei Edeka und habe Kaffee getrunken, als ich plötzlich einen Tumult hörte“, erzählt eine Frau. „Dann rannte jemand mit einem Messer in der Hand auf uns zu. Da war auch ein Mann, der blutete am Arm, den habe ich zur Seite gezogen. Dann rannte der mit dem Messer weg. Er rief ,Allahu Akbar‘.“ „Jemand rief ,Allah, Allah‘“, erzählt eine 52-Jährige, die den Vorfall beobachtet hat. „Dann rannten mehrere Leute weg, einer war blutig. Vor Angst wussten wir nicht, was wir machen sollten.“ Im Laden sicherten Experten Spuren, auch draußen war die Spurensicherung bei der Arbeit. Mit gelber Sprühfarbe markierten die Spezialisten einzelne Flächen, stellten Zahltafeln auf.
Die Polizei hat ein Hinweisportal für Uploads von Fotos und Videos freigeschaltet.