Hamburg. Aperol Spritz und Hugo waren gestern. Jetzt ist Gin mit Küchengemüse angesagt. Ein Drink heißt tatsächlich Le Gurk.
Es wird eine Zeit kommen, in der man sich an den Aperol Spritz erinnern wird. An dieses verheißungsvolle, bittere Rot im Stilglas mit klirrenden Eiswürfeln und einer Scheibe Orange. An lange, sonnenwarme Abende auf der Terrasse, an denen man sich in Italien wähnte. Vielleicht wird man auch an das Sommermärchen 2006 denken, als das allgegenwärtige Bier tatsächlich Konkurrenz aus Italien bekam.
Der „Spritz“, wie man ihn auch nannte, der italienische Bitteraperitif Aperol, gemischt mit Prosecco, Soda- oder Mineralwasser, war lange Zeit das Sommergetränk schlechthin. Lanciert hatte diesen Trend Campari im Jahr 2003, als das Unternehmen den Aperol Spritz zum „perfekten Drink für gesellschaftliche Anlässe“ ausrief.
Ablösung für den Hugo
Auch heute ist dieser Cocktail noch auf vielen Getränkekarten zu finden. Ebenso wie der Hugo, sein Nachfolger, der 2005 von einem Barkeeper in Südtirol erfunden wurde – einfach, um seinen Gästen mal eine Alternative zum Spritz zu bieten. 2010 wurde die Mixtur aus Holunderblütensirup, Prosecco, Sodawasser, frischen Minzblättern und Limette auch in deutschen Bars und Restaurants populär.
Im Moment aber müssen die beiden Platz machen für eine neue Welle im Cocktailglas: Le Gurk, ein leichter, frischer Cocktail auf Gin-Basis. Laut dem Fachmagazin „Mixology“ hat ihn Axel Klubescheidt in der Essener Bar Fcuk Yoga 2009 „aus einer Trinklaune heraus für ein paar Stammgäste“ erfunden, „die gerne Hendrick’s Gin tranken“ und weil „Gurke und Gin einfach gut zusammenpassen“. Nun hat Le Gurk anscheinend auch die Geschmäcker im Norden erreicht.
Küchenzutaten im Glas
Er zählt zu den sogenannten Cuisine Style Cocktails. „Das sind Cocktails, für die man ganz normale Ingredienzen aus der Küche nimmt. Waren es in den 80er- und 90er-Jahren hauptsächlich exotische Früchte und süße Aromen wie bei Piña Colada oder Sex On The Beach, kommen heute Kräuter und Gemüsesorten ins Glas.
Ganz hoch im Kurs steht dabei die Salatgurke – und zwar nicht nur als Garnitur, sagt Alexander Pilz (31), der einige Jahre als Barkeeper im Hamburger Hotel Atlantic gearbeitet hat, heute in der Drip Bar auf St. Pauli mixt und sich kürzlich mit der Firma Home Cocktails selbstständig gemacht hat. Er liefert Cocktail-Boxen mit Zutaten, Rezept und Anleitung, die man zuvor im Internet bestellt hat, nach Hause. Am häufigsten wird bei ihm in diesem Sommer Le Gurk nachgefragt (neben alkoholfreien Erfrischungen wie der hausgemachten Brombeer-Limonade).
Pimm’s Cup feiert eine Renaissance
Auch Rosmarin Daiquiri (auf Rum-Basis) und der legendäre Gin Basil Smash (mit Basilikum), den der Hamburger Jörg Meyer vor Kurzem in der Bar Le Lion kreierte, folgen diesem Trend. Warum nun ausgerechnet Cuisine Style gefragt ist? „Man würde keinen Barkeeper-Wettbewerb mehr gewinnen, ohne Zutaten aus der Küche zu verwenden“, sagt Pilz. Dies spreche einfach für die Kreativität der Gilde. Barkeeper beschäftigten sich heute sehr genau mit der Historie ihres Berufs. „Viele besinnen sich dabei auf Klassiker und interpretieren diese neu.“
In den vergangenen Jahren haben etwa Cocktails wie der Moscow Mule (eine Wodka-Ingwerbier-Mischung aus den USA) und der Pimm’s Cup eine Rückkehr auf die Barkarten gefeiert.
Für Andreas und Waldemar Wegelin, Hamburger Spirituosen-Sommeliers und Gründer der Firma Tastillery, ist der englische Klassiker, der schon seit 1971 bei den Tennis-Turnieren in Wimbledon ausgeschenkt wird, der Sommer-Cocktail 2017: „Mit vielen Früchten, frischen Gurken, Limonade und natürlich Pimm’s Likör sieht er nicht nur toll aus, er schmeckt auch super frisch und lecker.“ Der dafür häufig verwendete Pimm’s No. 1 ist ein englischer Kräuterlikör auf Gin-Basis. Neben Gurke geht auch ohne Gin im Glas anscheinend nichts in diesem Sommer.
Gin Tonic, Martini, Gin Fizz – Gin ist die Universalspirituose für Bartender. Doch es war noch nie so schick wie heute, Gin zu trinken. Der Hype um das farblose Wacholderbeer-Getränk ist seit rund fünf Jahren zu beobachten. Auf Partys, zu denen man gern einen Gin Sul mitbringt (made in Hamburg, Kostenpunkt rund 40 Euro), tauscht man sich über die persönliche Lieblingssorte aus und gibt Adressen von Fachhändlern weiter, die eine riesige Auswahl und Tastings anbieten.
Schwemme an Gin-Sorten
„Es gibt im Moment eine wahre Schwemme an Gin-Sorten, weil die Herstellung vergleichsweise einfach und günstig ist“, sagt Barkeeper Alexander Pilz. Es ging sogar so weit, dass Uwe Christiansen, preisgekrönter Inhaber von Christiansen’s Fine Drinks & Cocktails am Hafen, bei Facebook die Firmen dazu aufrief, bitte keinen weiteren Gin mehr zu liefern. Es sei einfach genug. Man wisse schon gar nicht mehr, welche Mixturen man mit Gin noch herstellen solle.
Wie bei Kleidern und Musikstilen gibt es auch beim Trinkgenuss wiederkehrende Vorlieben. Und so ist es fast schon sicher, dass nach ganz viel Gin, Gurke und Kräutern wieder die Lust auf Frucht und Süße im Glas kommen wird. Piña Colada und Aperol Spritz, habt Geduld: Auch ihr werdet irgendwann wieder in Mode sein.
Rezepte zum "Nachkochen":
Le Gurk
Zutaten 1/8 Salatgurke, 1 cl Zuckersirup, 2 cl frischer Zitronensaft, 4 cl Gin, 2 cl Holunderblütenlikör 4 cl Apfelsaft naturtrüb Zubereitung Gurke, Zitrone und Zuckersirup in einen Shaker geben und zerstoßen. Restliche Zutaten beigeben, mit Eiswürfeln füllen und kräftig zehn bis 15 Sekunden (zehn- bis 15-mal) schütteln. Doppelt über ein Teesieb in ein vorgekühltes Longdrinkglas abseihen. Mit einer Gurkenscheibe dekorieren.
Pimm’s Cup
Zutaten: 5 cl Pimm’s, 10 cl (bis 15 cl), Zitronenlimonade oder Ginger Ale, Eiswürfel, Zitrone (eine dünne Scheibe), (Salat-)Gurke, frische Minze, Erdbeerstücke Zubereitung Ein Longdrinkglas mit Eiswürfeln füllen. Alle Zutaten zugeben, umrühren. Danach mit Gurken, Zitrone, Minze und Erdbeeren garnieren. Gin Basil Smash Zutaten 6 cl Gin 1–2 cl Zuckersirup 6–8 Stängel Basilikum Zubereitung Alle Zutaten in einen Shaker geben, mit Eiswürfeln füllen und kräftig bis zu 15 Sekunden schütteln. Doppelt in das mit Eiswürfeln befüllte Glas abseihen.