Hamburg. Behörde führte Gespräche mit dem registrierten Islamisten. Inzwischen sind alle Verletzten der Tat von Barmbek außer Lebensgefahr.
Ein 26 Jahre alter Araber sticht bei Edeka an der Fuhlsbüttler Straße (Barmbek-Nord) wahllos auf Kunden ein. Die grausige Bilanz: Ein Toter (50) und sechs Verletzte. Landeskriminalamt, Staats- und Verfassungsschutz versuchen, die Hintergründe zu ermitteln. Zum aktuellen Stand äußerten sich Innensenator Andy Grote (SPD), Polizei und Verfassungsschutz am Mittag bei einer Pressekonferenz im Hamburger Rathaus.
"Eine erbärmliche und verachtenswürdige Tat"
Grote sprach von einer "erbärmlichen und verachtenswürdigen Tat". Er bestätigte noch einmal, dass der Verdächtige nach dem Verbrechen durch mutige Passanten verfolgt, gestoppt und schließlich von der bereits eingetroffenen Polizei festgenommen wurde. Als Motive nannte der Innensenator religiöse Beweggründe. Es gebe aber auch Hinweise auf psychische Labilität. Noch sei unklar, was überwogen habe.
Der Täter sei als Islamist in Hamburg registriert gewesen. Es sind auch Gespräche mit ihm geführt worden, nach denen er aber nicht als unmittelbar gefährlich eingeschätzt wurde. Es gebe bislang keine Hinweise auf eine Einbindung in andere Gruppen. "Wir gehen bislang von einem psychisch labilen Einzeltäter aus." Der Täter habe sich im Ausreiseverfahren befunden und sei ausreisepflichtig gewesen. Er habe keine Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Asylantrags eingelegt. Er sei offenbar willens gewesen, auszureisen.
Alle sechs Opfer, die Ahmad A. durch Messerstiche verletzt hatte, sind nach dem jetzigen Stand der Dinge außer Lebensgefahr, so Grote.
Zivilfahnder gaben Warnschüsse ab
Laut Polizeipräsident Ralf Meyer ging der erste Anruf bei der Polizei um 15.11 Uhr ein. Die Meldung: Eine männliche Person habe um 15.10 in dem Edeka-Markt verschiedene Personen mit einem Messer angegriffen. Es sei zu diesem Zeitpunkt nicht klar gewesen, ob eine Amoklage oder eine Terrorlage vorgelegen habe, so Meyer. Zuerst trafen Zivilfahnder vor Ort ein, die eine kämpfende Personengruppe bemerkten. Später stellte sich heraus, dass dort Bürger versuchten, den Tatverdächtigen zu stellen. Die Beamte gaben Warnschüsse ab und nahmen den Täter fest.
Küchenmesser aus dem Regal gerissen
Die LKA-Vizechefin Kathrin Hennings schilderte den Tatbalauf: Der Beschuldigte war kurz vor drei in den Edeka-Laden gekommen, um Toastbrot zu kaufen. Danach habe er den Laden verlassen und ist in einen Bus ein- und gleich wieder ausgestiegen. Er kehrte in den Supermarkt zurück, riss ein Küchenmesser aus einem Verkaufsregal und ging damit sofort auf einen 50 Jahre alten Mann los, den er tödlich verletzte. Danach attackierte er einen weiteren Mann, verletzte ihn schwer. Beim Verlassen des Supermarktes stach er auf einen 19-Jährigen ein, ehe er auf dem Bürgersteig drei weitere Personen zum Teil schwer verletzte.
Haftbefehl wegen Mordes und fünffachen Mordversuchs
Staatsanwalt Jörg Fröhlich sagte, dass bei der Durchsuchung des Wohncontainers des Verdächtigen in der Flüchtlingsunterkunft keinerlei waffenähnlichen Gegenstände gefunden wurden. Bei der Überprüfung des Täters wurde nur ein Verfahren wegen Ladendiebstahls festgestellt, das aber bereits eingestellt worden sei. Der Täter ist nicht vorbestraft und es gibt auch keine Hinweise auf Vorstrafen aus dem Ausland. Die Staatsanwaltschaft will einen Haftbefehl wegen vollendeten Mordes aus Heimtücke und niederen Beweggründen und wegen fünffachen Mordversuches erwirken. Der Beschuldigte hat sich bislang nicht zur Tat geäußert, weil er wegen einer Verletzung unter starken Kopfschmerzen leide. Er hat aber angedeutet, dass er als Einzeltäter agiert hat.
Täter hat sich in letzter Zeit sehr verändert
Der Beschuldigte sei einer von 800 gespeicherten Islamisten, sagte Torsten Voss, Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz. Ein Freund des Täters hatte sich bei der Polizei gemeldet, weil er bei ihm Veränderungen bemerkt habe. Bis vor kurzem hätte er noch gefeiert und Alkohol getrunken, jetzt spreche er viel über den Koran und trinke keinen Alkohol. Der Freund nahm das als Radikalisierung wahr.
Kein Pass, nur eine Geburtsurkunde
Der Täter ist ein Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe, hat keinen Pass oder andere Identitätsnachweise, lediglich eine Geburtsurkunde, Danach ist er in den Vereinten Arabischen Emiraten geboren. Man habe erwartet, dass er Passersatzpapiere erhalten werde, sagte Staatsrat Bernd Krösser.
Scholz und Grote legen Blumen nieder
Nach der Pressekonferenz fuhren Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Andy Grote zum Tatort nach Barmbek, um dort Blumen niederzulegen. Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) werden am Sonnabend um 14 Uhr mit einer öffentlichen Schweigeminute und einem Gebet der Opfer der Messerattacke von Barmbek gedenken. Ort des Gedenkens sind die Magellan-Terrassen in der Hafencity, wo die evangelische Kirche am Wochenende die Ankunft des Reformationsseglers „Artemis“ feiert.
Kommentar: Bluttat von Barmbek – tödliche Fehleinschätzungen