Altstadt. Die Keimzelle der Stadt am Speersort wird mit digitalen Info-Punkten, der Ausstellung von Fundstücken und Rundgängen erlebbar.
Dreieinhalb Jahre ist es her, seit Archäologen und Historiker zweifelsfrei nachweisen konnten, dass Hamburgs Keimzelle auf dem Domplatz zu finden ist. Doch trotz der sensationellen Entdeckung der Hammaburg fehlt vor Ort noch immer fast jeglicher Hinweis – im Gegenteil: Vieles, was etwa in der Außenstelle des Archäologischen Museums Hamburg (AMH) am Rande des Platzes im Keller einer Bäckerei zu sehen und zu lesen ist, entspricht dem veralteten Stand der Forschung. Doch das soll nun geändert werden. „Wir werden beantragen, den Ort offiziell in Hammaburgplatz umzubenennen“, sagt Prof. Rainer-Maria Weiss, Leiter des AMH. Und vor allem will er den Platz und seine Geschichte mit modernsten Mitteln für Bürger und Touristen erfahrbar machen: „Hammaburg 2.0“ heißt das Projekt.
Genau genommen sind es zwei Projekte. Das eine liegt federführend bei der HafenCity Universität (HCU). Dabei geht es um Möglichkeiten der Revitalisierung des historischen Platzes. Mit Mitteln des Bundesforschungsministeriums wird untersucht, wie durch „kulturelles Storytelling“ und innovative Dienstleistungen die Attraktivität gesteigert werden kann. Zurzeit wird mit Zählungen und Befragungen erfasst, wer den Platz wofür nutzt und was er damit verbindet.
Drei neue Angebote ab Herbst 2017
Im Herbst dieses Jahres kommen die ersten neuen Angebote, beginnend mit drei digitalen Info-Punkten. Per Touchscreen gibt es Simulationen, Ausgrabungsfotos und historische Hintergründe über die Hammaburg, die im 8. Jahrhundert entstanden ist und zu Beginn des 9. Jahrhunderts zum Sitz eines Erzbistums unter dem legendären Bischof Ansgar wurde.
„Wir entwickeln gemeinsam mit Google gerade weitere Angebote. So wird es auch über Street View ein großes Angebot an Bildern und Texten geben“, sagt Michael Merkel, Chefarchäologe im AMH.
Leitartikel: Hamburg – Die geschichtslose Schöne
Das Projekt läuft bis 2019, und die Macher sehen es als kreative Spielwiese. Weiss: „Wir wollen eben nicht nachmachen, was anderenorts schon bewährt ist, sondern Neues entwickeln.“ Deswegen sind das Digitalnetzwerk der Hamburger Wirtschaft, Hamburg@work, der Bereich „Human Computer Interaction“ der Uni Hamburg und kleinere Kreativfirmen mit im Boot. Nach der Umsetzung wird die HCU untersuchen, wie sich die Veränderungen ausgewirkt haben. „Wir sehen großes Potenzial in diesem Projekt“, sagt Prof. Gesa Ziemer, Direktorin des „City ScienceLab“ der HCU.
Projekt erregt internationales Interesse
Das zweite Projekt ist noch weitgehender, es beinhaltet auch den Umbau der Museums-Außenstelle am Speersort. Dort soll es neue Bildschirm-Stelen mit Social-Media-Zugang, eine digitale Dauerausstellung, aber auch Vitrinen mit historischen Fundstücken geben. „Es geht allerdings nicht nur darum, sondern um eine multimediale Erlebniswelt unter Einbeziehung des Umfelds“, sagt Weiss. Dazu könnte ein mittelalterlicher Bierhumpen in der Gastronomie vor Ort genauso zählen wie interaktive Displays in Schaufenstern, die per App aktiviert werden. „Kulturelle Injektionen“ nennen das die Macher.
Doch es bleiben auch „analoge“ Angebote wichtig, etwa Rundgänge mit Stadtführern, die vom AMH fortgebildet werden. Weiss: „Wir wollen mit einer Vielzahl von Angeboten die Menschen neugierig auf die spannende Stadtgeschichte machen.
Dieser zweite Projektteil wird wohl erst in zwei Jahren umgesetzt werden können. Vorausgesetzt, dass die Stadtentwicklungsbehörde die Kosten von rund 350.000 Euro übernimmt. Weiss ist zuversichtlich, zumal bereits andere Städte großes Interesse an dem Hamburger Projekt gezeigt haben.
Teil eines mittelalterlichen Stadtkurses
Während des G20-Gipfels hat sich Lucy Turnbull, Frau des australischen Premierministers und frühere Bürgermeisterin von Sydney, über die Pläne informiert. Denn sie unterstützt Pläne, den Ort der ersten europäischen Siedler auf dem Kontinent mit modernen Mitteln zu würdigen. Aber auch die Städte Gent (Belgien) und das dänische Aarhus planen ähnliche Projekte wie hier am Platz der Hammaburg.
Prof. Weiss sieht die Umsetzung als Teil eines mittelalterlichen Stadtkurses, der am Domplatz beginnt und über Petrikirche und Rathaus über die Trostbrücke zur Nikolaikirche führt. Dort war in den 20er-Jahren des 11. Jahrhunderts die „Neue Burg“ gebaut worden. Von 1188 wurde sie aufgeschüttet, und es entstand die erste kaufmännische Siedlung, die damalige Neustadt. War die Hammaburg die Keimzelle Hamburgs, so ist diese Neustadt die Keimzelle der Handelsmetropole.
Beginnen soll das alles mit einem neuen Namen, dem Hammaburgplatz. Die Umbenennung dürfte eigentlich unkompliziert werden – denn „Domplatz“ ist gar kein offizieller Name, auch keine Straße heißt so. Es müsste also kein Briefkopf umgeschrieben werden – im Gegensatz zur Geschichte.