Hamburg hat seine Historie lange versteckt – jetzt ändert sich das endlich

Hamburg ist schon oft vorgeworfen worden, eine geschichtsvergessene Stadt zu sein. Wer durch die Straßen geht, muss schon sehr genau suchen, um ein nicht kirchliches Gebäude zu finden, das älter als 175 Jahre ist – in einer Stadt mit einer mehr als 1200-jährigen Geschichte. Das hat natürlich auch Gründe, die man den Stadtvätern nicht vorwerfen kann: 1842, vor eben 175 Jahren, zerstörte der „Große Brand“ weite Teile der Innenstadt. Und im Zweiten Weltkrieg geschah noch weit Schlimmeres.

Doch das allein reicht nicht aus, um zu erklären, dass aus dem Barock oder gar dem Mittelalter fast keine baulichen Spuren mehr zu entdecken sind. Hamburg war auch ohne Katas­trophen immer schnell bereit, das Alte zu opfern, um Platz für das Neue zu schaffen. Das war Ende des 19. Jahrhunderts so, als für den Bau der Speicherstadt die Wohnungen von 20.000 Menschen abgerissen wurden, darunter die historischen Wohn- und Kontorhäuser der Kaufleute am Alten Wandrahm. Das war in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts so, als etwa der alte Altonaer Bahnhof einer modernen Scheußlichkeit weichen musste, und das ist auch heute so, wenn denkmalgeschützte Häuser dem Diktat der „Wirtschaftlichkeit“ geopfert werden.

Es ist wohl das Wesen einer dynamischen und wirtschaftlich erfolgreichen Stadt, so zu verfahren. Aber damit einher geht eben auch eine gewisse Geschichtslosigkeit. Ja, Hamburg hat gleich mehrere herausragende Museen, die sich mit der Stadtgeschichte befassen. Ja, es gibt Unmengen von Literatur. Im Stadtbild aber präsentiert sich Hamburg als eine Stadt, die ihrer eigenen Geschichte keine allzu große Bedeutung beimisst.

Das hat sich besonders am Domplatz gezeigt. Auch Jahre nach dem wissenschaftlichen Beweis, dass die so lange gesuchte Hammaburg dort gestanden hat, gibt es keine auch nur halbwegs vernünftigen Hinweise, wie geschichtsträchtig dieser Ort ist. Wer dort hingeht, muss schon suchen, um zu erfahren, dass dort die Keimzelle der Stadt ist.

Insofern kann man nur sagen: endlich! Endlich besinnt man sich eines Besseren und will nun mit digitaler Technik diesen Ort erleb- und erfahrbar machen. Was das Archäologische Museum mit der HafenCity Universität und weiteren Partnern dort plant, darf als Ausbruch aus der Gewohnheit des kleinen Karos gewertet werden. Denn es werden eben nicht nur ein paar neue Schautafeln aufgestellt, sondern multimediale, virtuelle Erlebniswelten geschaffen.

Das ist ein guter Anfang. Fortsetzungen müssen folgen. Etwa an der Nikolaikirche, wo die Wiege der Handelsmetropole steht und die Archäologen so eindrucksvolle Erfolge vorweisen können. Aber auch jenseits der frühen Stadtgeschichte liegt noch so vieles im weitgehend Verborgenen. Hamburg spielt eine überaus wichtige Rolle in der Arbeiterbewegung, vor allem als Zentrum der Gewerk- und Genossenschaften; Hamburg ist seit Jahrhunderten Zeitungsmetropole; hier stand das erste Deutsche Nationaltheater, hier fand die erste deutsche Fußballmeisterschaft statt, und hier stehen heute zwei der ältesten Fußballstadien des Landes; in Hamburg wurde das größte Schiff der Welt gebaut, hier wurde die Nationalhymne das erste Mal gesungen – die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Es gibt so viel Spannendes zu entdecken, was Hamburg zur Ehre gereicht – und Wichtigeres als den Titel der „deutschen Musical-Hauptstadt“.