Hamburg. Das Unternehmen rüstet seine Shoppingmeilen auf. Chef Alexander Otto über stagnierende Umsätze – und Sonntagsöffnungen.

Der stationäre Handel hat es bei den Kunden in Deutschland immer schwerer – denn online einkaufen ist angesagt. Darunter leiden auch die Shopping-Center. ECE-Chef Alexander Otto (50) erklärt im Abendblatt-Interview, wie er in seinen Zentren offline und online mitein­ander verbinden will, warum sein Unternehmen immer stärker auf Hotels, Wohnungen und Gewerbeimmobilien setzt – und was er persönlich als HSV-Sponsor von der neuen Bundesligasaison erwartet.

Waren auch ECE-Shopping-Center von den Krawallen während des G20-Gipfels betroffen?

Alexander Otto: Es gab keine direkten Schäden. Wir hatten uns allerdings teilweise vorausschauend bei den Öffnungszeiten eingeschränkt. In allen ECE-Einkaufscentern mussten wir Umsatzrückgänge verzeichnen – insbesondere in der Europa Passage. Deutlich mehr Menschen als sonst sind zu Hause geblieben, das haben wir selbst im Alstertal-Einkaufszentrum beobachtet.

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Der Einzelhandelsverband fordert als Kompensation für ausgefallene Umsätze während des Gipfels zwei zusätzliche Sonntagsöffnungen in der Weihnachtszeit. Würde das ausreichen?

Alexander Otto: Das ist schwer zu bewerten. Aber sicherlich sind Sonntagsöffnungen gerade im Dezember extrem wichtig für den stationären Einzelhandel. Denn ein sehr hoher Anteil des Weihnachtsgeschäfts ist bereits an den Onlinehandel verloren gegangen. Deshalb ist das eine sehr faire Forderung, die ich unterstütze.

Wie zufrieden sind Sie generell mit der Entwicklung Ihrer Shopping-Center in Hamburg?

Alexander Otto: Trotz der sehr gesunden Konjunktur in Deutschland haben wir kein weiteres Umsatzwachstum mehr im stationären Einzelhandel. Das gesamte Wachstum geht im Moment in den Onlinehandel, weshalb sich der Markt sehr stark verschiebt. Insbesondere die Textilbranche ist unter Druck. Die Situation im Einzelhandel ist äußerst angespannt.

Heißt das, dass es auch in Ihren Hamburger Centern eine Stagnation beim Umsatz gibt?

Alexander Otto: Ja, so ist es. 2016 hatten wir eine Umsatzstagnation. Für dieses Jahr gibt es noch keine belastbaren Zahlen. Aber das erste Quartal lief nicht besonders gut.

Welches Ihrer Center in der Hansestadt läuft derzeit am besten?

Alexander Otto: Im Moment haben wir eine sehr positive Entwicklung im Billstedt Center – seit Primark dort eröffnet hat. Es gibt dort Kundenzuwächse im zweistelligen Prozentbereich. Auch die Umsätze haben sich sehr positiv entwickelt. In anderen Städten wie Dortmund erleben wir, dass Primark ein junges Publikum über alle Kaufkraftschichten hinweg anzieht. Und wir merken in Hamburg, dass Primark aus der ganzen Stadt Kundschaft anlockt und außerordentlich erfolgreich ist.

Was sind abseits von Primark die Trends in den Einkaufscentern?

Alexander Otto: Wir weiten unter anderem unsere gastronomischen Angebote stark aus; zum Beispiel im Harburger Phoenix-Center oder in der Europa Passage, wo wir am 29. September den so genannten FoodSky eröffnen werden. Sukzessive erhöhen wir den Gastronomieanteil von drei bis fünf auf bis zu 15 Prozent der Centerfläche. Damit steigern wir die Aufenthaltsqualität deutlich – auch als Antwort auf den Onlinehandel. Insgesamt wollen wir attraktiver werden und noch mehr Service bieten.

Was heißt das konkret?

Alexander Otto: Wir starten jetzt eine große Initiative, um alle Serviceaspekte eines Centers zu optimieren und noch klarer herauszustellen. Das beginnt bei der Vorbereitung des Kaufs zu Hause, umfasst Parkleitsysteme, eine bessere Orientierung und Informationen im Center. Wir werden beispielsweise im AEZ jetzt fünf Millionen Euro investieren, um den Service zu verbessern.

Im AEZ bieten Sie für Kunden die Möglichkeit, Waren zu Hause via App auszusuchen, sie digital zu reservieren oder sich perspektivisch sogar nach Hause liefern zu lassen. Haben große Einkaufscenter ausgedient?

Alexander Otto: Wir testen hier im AEZ gerade unsere „Digital Mall“. Noch sind es nur 20 Händler, die mitmachen. Deren Sortimente sind digital einsehbar, man kann geschäftsübergreifend Produkte suchen. Das wollen wir noch deutlich weiter vorantreiben. Unser Ziel ist es, dass sich die Kunden im Internet über die Verfügbarkeit informieren, Waren reservieren und sie dann im Laden abholen. Oder sie bekommen ihren Einkauf sogar über einen Lieferservice nach Hause gebracht. Das Einkaufscenter bekäme so eine Doppelfunktion: als Anlaufpunkt für Kunden und als Logistikplattform.

Warum sollten Kunden dann nicht lieber gleich bei Amazon oder Otto ihre Waren online bestellen?

Alexander Otto: Wir können das Problem der letzten Meile, das viele Onlinehändler haben, besser lösen, weil wir deutlich näher bei unseren Kunden sind. Knapp 60 Prozent der deutschen Bevölkerung könnten wir innerhalb von einer halben Stunde von einem ECE-Einkaufscenter aus erreichen. Zudem ist es für unsere Kunden oft bequemer, eine Retoure direkt im Laden und nicht bei der Post abzugeben. Auf diesem Weg holt man Kunden wieder ins Center. Für Händler könnte so das Ladengeschäft weiter gut funktionieren und sie wären zugleich Teil einer Logistikkette.

Aber der logistische Aufwand wäre in diesem Fall doch immens.

Alexander Otto: Das muss nicht sein. Wir können doch klein anfangen, beispielsweise mit Boten, Fahrradkurieren oder kleinen E-Mobilen. Der Trend ist für mich unumkehrbar. In dem Prozess ist viel Dynamik.

Wäre dies ein Zukunftsszenario: Ich gucke zu Hause im Internet, bestelle via App, bekomme die Ware nach einer halben Stunde aus dem Center geliefert – und wenn sie mir nicht gefällt, nimmt der Bote sie gleich wieder mit?

Alexander Otto: Möglicherweise ja. Jetzt sind wir aber noch ganz am Anfang dieses Pilotprojekts. Ob die Kunden dieses Angebot annehmen werden, müssen wir abwarten. Wichtig ist, auszuprobieren und zu testen, was funktioniert. Wenn wir das nicht tun, Google oder Amazon werden es machen.

Mit Ihrer neuen Technik greifen Sie den klassischen Versandhandel an.

Alexander Otto: Ja, aber das tariert sich aus. Wir sprechen derzeit mit vielen Anbietern über Kooperationen. Die Bereitschaft ist von allen Seiten groß.

In der HafenCity wurden Sie für den Bau eines Einkaufscenters nicht berücksichtigt – hätten Sie dort gerne in ein Shopping-Center investiert?

Alexander Otto: Als wir damals 2005 nicht zum Zuge gekommen sind, habe ich das schon bedauert. Doch inzwischen hat sich der Markt so weiterentwickelt, dass wir uns das heute gar nicht mehr zutrauen würden.

Welche Gefahren birgt das neue Überseequartier in der HafenCity für die Innenstadt und Ihre großen ECE-Einkaufscenter?

Alexander Otto: Derzeit stagniert der Umsatz im Einzelhandel. Folglich führt jedes neue Angebot zu Umsatzverschiebungen. Man sieht ja heute schon, dass viele traditionsreiche Geschäfte in der Hamburger Innenstadt aufgeben müssen. Das dürfte sich durch die Pläne in der HafenCity dann noch verstärken.

In der City entstehen zudem weitere große Passagen, darunter die Stadthöfe – wie viele neue Einkaufsmöglichkeiten verträgt Hamburg noch?

Alexander Otto: Es geht aus meiner Sicht nur noch um das Abrunden des vorhandenen Angebots. Die Stadthöfe und der Alte Wall werden die Innenstadt bereichern. Daher freue ich mich über diese beiden Projekte.

Müssen vor dem Hintergrund des zunehmenden Drucks durch den Onlinehandel die Öffnungszeiten weiter liberalisiert werden?

Alexander Otto: Wir haben erst vor Kurzem dazu eine Umfrage unter unseren Händlern gemacht. Die überwiegende Mehrheit wünscht sich mehr verkaufsoffene Sonntage und vor allem verlässliche Regelungen, aber keine generelle Freigabe. Aus meiner Sicht wäre es zum Beispiel sinnvoll, dass man in Hamburg grundsätzlich an sechs statt wie bisher an vier Sonntagen im Jahr die Läden öffnen darf.

Wie sieht es bundesweit mit Einkaufscentern außerhalb Hamburgs aus – haben Sie noch neue große Projekte in der Pipeline?

Alexander Otto: Es ist derzeit extrem schwierig, erfolgreich neue Einkaufscenter in Deutschland zu realisieren. Deshalb sind wir diesbezüglich auch sehr zurückhaltend und haben nur noch ein Center in Süddeutschland in Planung.

Neben Einkaufszentren stecken Sie mittlerweile viel Geld in Bürogebäude, Hotels und Gewerbeparks – auch in der Hansestadt. Wie weit sind Sie mit Ihren aktuellen Projekten?

Alexander Otto: Unser Engagement ist vielfältig. Im Frühjahr 2018 werden wir in der HafenCity ein Holiday-Inn-Hotel eröffnen. Zudem prüfen wir die Realisierung eines Kongresshotels nahe der Elbbrücken. Dann bauen wir mitten in der HafenCity die Intelligent Quarters – dort entstehen Wohnungen und Büros. Auch in der neuen Mitte Altona werden nächstes Jahr die ersten Wohnungen bezogen, wir stellen gerade Straßen und Wege fertig. Des Weiteren realisieren wir Gewerbeimmobilien – zum Beispiel in das neue Logistikzentrum des Gabelstaplerbauers Still.

Das hört sich so an, als ob die ShoppingCenter eine immer kleinere Rolle bei ECE spielen.

Alexander Otto: Blickt man auf den Bestand, dann sind die Einkaufscenter vom Ertrag her schon noch am wichtigsten für uns. Bei den Neuentwicklungen geht der Trend aber klar weg von den Shopping-Centern.

Gilt das auch im Ausland – wie laufen die Geschäfte dort?

Alexander Otto: Im Ausland laufen die Einzelhandels-geschäfte generell besser als hierzulande. So sind Länder wie Polen, Ungarn oder Italien für uns weiterhin sehr spannend. Wir haben gerade erst in Verona ein Shopping-Center eröffnet. Auch die Türkei haben wir seit Jahren im Fokus. Allerdings bereiten uns die Entwicklungen dort schon Sorgen. Das müssen wir genau beobachten.

Zum Schluss noch eine Frage an den HSV-Sponsor und -Fan Alexander Otto: Auf welchem Tabellenplatz wird der Hamburger Sportverein zum Ende der nächsten Saison stehen?

Alexander Otto: Ich war bisher vor jeder Saison sehr optimistisch. Auch diesmal gehe ich mit großer Zuversicht in die Saison 2017/18. Nun wünsche ich mir zunächst einmal einen guten Start mit einem Heimsieg gegen Augsburg. Wenn wir dann am Ende der Serie im Mittelfeld landen sollten, wäre ich zufrieden.