Hamburg. Michael Kasch schafft in seinem kleinen Garten inmitten der Stadt einen Ort, an dem sich viele Tierarten wohlfühlen.

Michael Kasch ist ein achtsamer Mensch. Und ein Naturliebhaber. Er hebt eine zartlila Wiesenwitwenblume, die sich quer über den Weg neigt, sorgsam zur Seite, bevor er weitergeht. Vieles, was hier im Naturgarten des Naturschutzbunds (Nabu) in Alsterdorf wächst, trägt malerische Namen: Steinbrech-Felsennelke, Karthäusernelke, Taubenkropf-Leimkraut, Natternkopf, Nesselblättrige Glockenblume, Tauben-Skabiose, Teufelsabbiss. Im klassischen Pflanzenmarkt wird man viele dieser Gewächse vergeblich suchen, aber Kasch und seinen Mitstreitern ist es wichtig, mit heimischen Stauden ein Umfeld mit Nutzen für Vögel, Schmetterlinge, Insekten und Amphibien zu schaffen. Viele Pflanzen haben sie aus Sämereien selbst gezogen.

Der Naturgarten liegt auf zwei Parzellen im Kleingartenverein „Birkenhain“ an der Bebelallee. Wirklich idyllisch ist das Drumherum hier nicht – auf der Bebelallee tost der Autoverkehr, an der Rückseite des Gartens fährt die U-Bahn vorbei, der Flughafen ist ebenfalls ganz nahe. „Aber wir können hier zeigen, dass man auch in einer solchen Lage einen schönen naturnahen Garten gestalten kann“, sagt Kasch. „Das RRK-Prinzip hat langsam ausgedient“, sagt er. RRK steht für Rasen, Rosen, Koniferen. Zurück zur Natur statt akkurater Formgehölze.

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Der 69 Jahre alte Hamburger ist seit 35 Jahren Nabu-Mitglied, er leitet die Ortsgruppe Bramfeld/Ohlsdorf/Barmbek (BOB), eine Gruppe mit etwa 30 Mitgliedern zwischen 25 und 80 Jahren, die im Naturgarten aktiv sind.

Der Betriebswirt Kasch hat sich seine Naturkenntnisse im Laufe der Jahre angeeignet, beruflich war er 30 Jahre lang bei einer Versicherung tätig. Er ist in Fuhlsbüttel aufgewachsen: „Da konnte man einfach vor die Tür treten und auf dem nächsten Feld Fußball spielen“, erinnert er sich. Einen eigenen Garten habe er nie gewollt, aber 1990 gab es da diese Parzelle an der Bebelallee. „Das war so ein versiffter Garten, den wollte kein anderer haben.“ Er hatte die Idee, „einen naturnahen Garten auf begrenztem Raum zu gründen“.

Steinwall ist ein besonderer Lebensraum

Und so gibt es nun einen Bauerngarten mit klassischer Buchsbaumhecke und einer Kräuterspirale in der Mitte, einen Knick mit Sträuchern, ein Sumpfbeet, eine Wildblumenwiese, Kirsch-, Apfel- und Pflaumenbäume und eine Feldsteintrockenmauer. Anders als in Gabionen (Steinkorbwände), die man heute in vielen Neubauvorgärten sieht, sind die Steine konisch aufgeschichtet, die Ritzen mit Lehm verschmiert und die Pflanzen, darunter zahlreiche Dickblattgewächse wie Fetthennen, darin festgedrückt und fest verwurzelt.

„Der Steinwall ist ein besonderer Lebensraum“, sagt Kasch, die Pflanzen könnten gut mit Hitze und Kälte, mit Trockenheit und Nässe umgehen und wurzelten tief. Und er sei für die Natur sehr viel wertvoller als Steine in Drahtkörben.

Der Naturschützer hat in den vergangenen Jahren einen Sinneswandel ausgemacht: „Kleingärten waren viel zu lange im Verruf“, meint Kasch. „Bierflasche auf, Beine hoch, das ist doch nicht mehr so“, sagt er. Inzwischen gebe es viele junge Menschen mit kleinen Kindern, die nicht nur einen Spielplatz für ihre Kinder auf der Parzelle wollten, sondern auch Vögel, Schmetterlinge und Insekten in ihrem Garten. „Die Leute merken, dass Hamburg immer weniger naturnahe Grünflächen ausweist. Sie erfreuen sich, wenn ein Schmetterling fliegt oder ein Vogel singt.“

Insektenbestände gehen zurück, doch
die Blumen locken Hummeln an
Insektenbestände gehen zurück, doch die Blumen locken Hummeln an © HA | Andreas Laible

Dieser Interessentenkreis stelle viele Fragen, etwa, welche Pflanzen geeignet seien. Man sollte Bodenproben analysieren lassen, rät der Fachmann. Kasch spricht von zwei möglichen Vorgehensweisen: „Entweder pflanze ich, was dem Boden entspricht, oder ich muss den Boden bereiten, wenn ich bestimmte Pflanzen haben möchte.“

Er rät zu Gemächlichkeit

In jedem Fall wolle er eine Lanze für heimische Gewächse brechen. Anstatt einen Garten in einem Guss zu gestalten, rät er zu Gemächlichkeit: „Machen Sie sich einen Plan, aber fangen Sie nicht an jeder Ecke sofort an.“ So könne man schauen, was gut gedeiht und was nicht.

„Und wir versuchen, den Leuten darzustellen, dass es auch Wildnisecken geben sollte“, etwa beim Komposthaufen, wo auch Brennnesseln wachsen dürften, die wichtige Futterpflanzen für Schmetterlinge seien. Im Naturgarten ist das geglückt. Kasch spricht von einer recht guten Population an Aurorafaltern und weiteren Schmetterlingen. „Aurora“ ist auch der Name eines Nabu-Projekts, um Lebensräume für Falter zu schaffen, denn in Deutschland seien die Insektenbestände stark zurückgegangen.

Von wegen pflegeleicht

Für den Hamburger Gartengestalter Johannes von Ehren steht im Vordergrund stets die Frage, wie jemand seinen Garten nutzen möchte. „Eine junge Familie hat andere Ansprüche als ein Paar, bei dem die Kinder aus dem Haus sind“, sagt der Fachmann. Erlaubt sei, was gefällt. „Alle, die zu uns kommen, wünschen sich ihren Garten besonders schön und besonders pflegeleicht“, sagt von Ehren, „das geht aber nicht. Ein Garten macht immer Arbeit.“

Wichtig sei aber die gute Planung zu Beginn. „Man sieht ganz oft in kleinen Gärten riesige Bäume. Auch die kleine Buche, die man geschenkt bekommt, ist eines Tages 50 Meter hoch.“ Von Ehren rät außerdem, auf geeignete Kombinationen von Pflanzen, auf Symbiosen, zu achten, um sie gesund zu halten: „Es ist wie bei uns Menschen. Wenn wir uns wohlfühlen, entwickeln wir keine Krankheiten.“

Der nächste „Tag der offenen Gartenpforte“ im Nabu-Naturgarten ist am 13. August. Thema: „Vielfalt auf engstem Raum – von trocken bis nass und sonnig bis schattig.“ Bebelallee, Parzelle 185, (U 1 bis Lattenkamp). Dabei gibt es auch einen Pflanzenmarkt mit naturnahen Gewächsen.Weitere Gartentipps unter www.hamburg. nabu.de/tiere-und-pflanzen/garten/gartentipps/