Hamburg. “So was macht mich fassungslos“, sagt der Betreiber von Hamburgs letzter Autofähre. Und Dariusz Bednarkiewicz kennt weitere Anekdoten.

Ein wenig betrübt schaut Dariusz Bednarkiewicz von der Brücke seiner Fähre auf das Autodeck. Es ist nicht viel los. Ein paar Radfahrer und drei Autos verlieren sich auf dem Parkdeck. „Das wird eine Verlustfahrt“, sagt der Fährmann. Dennoch dreht er an zwei schwarzen Reglern, vier Motoren mit je 250 PS springen an und schieben das Fährschiff vom Anleger. Die Sonne scheint, es ist warm. Die Radfahrer lehnen an der Reling. Einer der Autofahrer steigt aus und atmet die Luft tief ein. Elbluft.

Die Fähre zwischen Zollenspieker und Hoopte ist Hamburgs letzte Autofähre. Und sie ist die einzige Fähre in der Stadt, die ohne staatliche Subventionen arbeitet. Ob bei gutem oder schlechtem Wetter – sie fährt alle zehn Minuten. Bei Motorradfahrern ist die Fähre ähnlich beliebt wie die Hochalpenstraße am Großglockner. An sonnigen Wochenenden ist sie ausgebucht mit Ausflüglern aus Hamburg und Umgebung. An einem kalten dunklen Novembertag ist manche Fahrt leer.

Bis zu 146-mal am Tag legt die Fähre ab

Bednarkiewicz ist Eigentümer und Betreiber der Fähre. 2014 hat der gebürtige Pole das Geschäft von seinem verstorbenen Stiefvater Karl-Heinz Büchel, den alle Käpt’n Kuddel nannten, übernommen. Seitdem trägt Bednarkiewicz die Verantwortung für acht feste Angestellte und zwölf Aushilfen. Gelernt hat der 42-Jährige aus Bromberg zunächst Kfz-Mechaniker, bevor er mit seiner Mutter nach Hamburg übersiedelte und hier auf Käpt’n Kuddel traf. „Ich habe hier vor 20 Jahren als ganz normaler Decksjunge angefangen und Rost geklopft“, sagt er. Doch sein Stiefvater habe ihn gedrängt, bei ihm einzusteigen. „Das war nicht einfach. Ich konnte nicht richtig Deutsch und musste das Fährpatent erwerben.“ Später hat er sogar noch das Binnenschiffspatent gemacht.

Erwachsene zahlen 1,50 Euro

Mit 14 Kilometern pro Stunde schippert die „Hoopter Möwe 2“, wie die Fähre heißt, über den Fluss. Fünf Minuten später beginnt Bednarkiewicz sein Anlegemanöver. Von Zollenspieker bei Kirchwerder, dem südlichsten Punkt Hamburgs, bis zum niedersächsischen Anleger Hoopte sind es nur 830 Meter. Bednarkiewicz lässt die Rampe herab, und seine Fahrgäste verlassen das Schiff. War das die 80. oder 90. Fahrt an diesem Tag? Bednarkiewicz kratzt sich am Kopf. Er weiß es nicht. In der Regel fährt die Fähre die Strecke 146-mal am Tag. Von März bis November zwischen 6 und 20 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen zwischen 9.30 und 20 Uhr. 2,50 Euro kostet die Überfahrt eines Pkw. Fahrräder und Mofas werden mit 1 Euro berechnet. Erwachsene zahlen 1,50 Euro, Kinder zwischen vier und zwölf Jahren 50 Cent.

Die „Hoopter Möwe 2“ wurde 1969
gebaut und fuhr früher auf der Weser
Die „Hoopter Möwe 2“ wurde 1969 gebaut und fuhr früher auf der Weser © HA | Marcelo Hernandez

Das ist wenig. Zumal die Preise seit neun Jahren nicht erhöht worden sind. Und dennoch muss Bednarkiewicz immer wieder beobachten, wie Eltern am Fähranleger Kinder in den Kofferraum stecken, um 50 Cent für die Überfahrt zu sparen. „So etwas macht mich fassungslos“, sagt er. Schließlich muss er täglich hohe Kosten schultern, für seine Mitarbeiter, für 500 bis 800 Liter Diesel am Tag, den Versicherungsschutz und notwendige Reparaturen. Etwa 400 Fahrzeuge am Tag muss die „Hoopter Möwe 2“ transportieren, um die Kosten zu decken, erst ab dann schreibt sie schwarze Zahlen.

Mehr Staus rund um Hamburg

Eine Krise wie jene, unter der derzeit die globale Schifffahrt leidet, hat Bednarkiewicz auch schon erlebt. „Das war 2013. Damals hatten wir so wenige Fahrgäste. Wir dachten schon, wir müssten aufgeben.“ Dann hat sich das Geschäft aber wieder positiv entwickelt – in den vergangenen zwei Jahren so gut, dass der Fährmann nun sogar daran denkt, das Angebot auszuweiten: „Bisher stellen wir den Betrieb zwischen Ende November und Anfang März ein. Ich könnte mir aber auch vorstellen, das ganze Jahr über zu fahren“, so Bednarkiewicz. Er hat den Betrieb der Fähre effizienter gemacht, konnte mit Handwerksbetrieben, die häufiger die Fähre benutzen, längerfristige Abkommen schließen.

500.000 Euro Umsatz

Auch die Zunahme der Staus auf den Autobahnen rund um Hamburg hat das Geschäft der kleinen Fährreederei belebt. Nur eines ärgert Bednarkiewicz in diesem Zusammenhang: „Wir werden nie im Verkehrsfunk als mögliche Ausweichlösung erwähnt.“ Mehrmals habe er schon bei Radiosendern angerufen – ohne Erfolg. Um die Lücke zu schließen, hat der Fährmann damit begonnen, Staus und Behinderungen auf umliegenden Straßen auf seiner eigenen Facebook-Seite bekannt zu geben und Autofahrer anzulocken. „Denn wir kennen auf der Elbe keinen Stau“, sagt er – und das, obgleich ihm auf der kurzen Fahrt ans andere Ufer im Jahr etwa 21.000 Schiffe begegnen, wie eine offizielle Zählung ergab.

Er weist die Fahrzeuge ein und kassiert
an Deck: Lothar Schmidt
Er weist die Fahrzeuge ein und kassiert an Deck: Lothar Schmidt © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Etwa 500.000 Euro Umsatz macht der Betrieb, der laut Bundesanzeiger 2015 einen Überschuss von knapp 100.000 Euro erwirtschaftet hat. Das Geld stammt nicht allein aus dem Fährbetrieb. Daneben unterhält Bednarkiewicz noch zwei Ausflugsschiffe, mit denen er Charterfahrten auf der Elbe, Hochzeiten oder Hafenrundfahrten anbietet. Sein Unternehmen heißt deshalb auch nicht Fähr-Reederei, sondern Erlebnis-Reederei Zollenspieker-Hoopte. Mit der „Spieker Möwe“ besitzt er noch eine kleinere Fähre als Ersatz, sollte die „Hoopter Möwe 2“ einmal ausfallen.

Diese ist inzwischen auf dem Rückweg nach Zollenspieker. „Die nächste Fahrt wird sich lohnen“, sagt Bednarkiewicz frohlockend nach einem kurzen Blick auf die Warteschlange am Fähr­anleger. „Der Feierabendverkehr setzt ein.“ Per Knopfdruck schaltet er von der Brücke aus die Warteampel auf Grün, die Fahrzeuge rollen an Bord. Und dann beginnt eine neue Fahrt – 830 Meter über die Elbe.