Hamburg . Die goldene Hauswand ist umstritten. Künstler nennt Kritiker “verblendet“. Bewohner sehen sich als “wahres Gold“ der Veddel.

Als sich die dichte Wolkendecke für einen kurzen Augenblick öffnet und Sonnenstrahlen auf die Fassade des Hauses fallen, erstrahlt das Gold in vollem Glanz. Ein Fenster wird geöffnet, und ein älterer Herr wirft einen kurzen Blick auf die Kamerateams. Dann verschwindet er schnell wieder. Der Anwohner hat anscheinend kein Interesse im Rampenlicht zu stehen. Ganz im Gegensatz zum Künstler.

Am Dienstag hat Boran Burchhardt sein umstrittenes Kunstwerk fertiggestellt. Die Kulturbehörde hatte dem Künstler 85.621,90 Euro bewilligt um die Fassade eines Mietshauses auf der Veddel zu vergolden – im Namen der Kunst und auf Rechnung der Steuerzahler. Jetzt steht der Künstler vor seinem vollbrachten Werk an der Brückenstraße 152 und lächelt zufrieden.

Das Ziel der Aktion: Kommunikation

„Mein Ziel war es, mit dem künstlerischen Akt eine Kommunikation in Gang zu setzen“, sagt Burchhardt. Gemessen an der erreichten Aufmerksamkeit, war die Aktion ein voller Erfolg. Bundesweit wurde über einen der ärmsten Stadtteile Hamburgs und seine 300 Quadratmeter große Backsteinfassade berichtet – und über den Künstler. „Was haben wir auf der Veddel davon, wenn über uns gesprochen wird“, fragt Peter Heimann. Der Anwohner ist wenig begeistert von der wertvollen Wand. Ärmeren Leuten so ins Gesicht zu lachen und sich dabei „hinter der Begrifflichkeit der Kunst zu verstecken“ sei taktlos. Mit seiner Kritik ist der 52-Jährige nicht allein: „In Kunst gegossener Hohn gegenüber den hilfsbedürftigen Menschen dieser Stadt“, nennt der Steuerzahlerbund die Aktion.

Zweimal wurde das Kunstwerk bereits mit Farbbeuteln beworfen. Zudem hatten Bewohner des Hauses ein Plakat an der Fassade angebracht, auf dem „Schmier Dein Gold woanders hin“ zu lesen war, denn viele Anwohner haben kein Verständnis für die Aktion. „Warum kann das Geld nicht für Kindergärten ausgegeben werden?“, fragt etwa Herbert Bliss, der von seinem Balkon auf die goldene Wand sehen kann.

Farbbeutel gegen die Kunst

„Bei einer solchen Argumentation ist die Kunst immer der Verlierer“, sagt die Chefin des Hamburger Kunstvereins, Bettina Steinbrügge, die auch in der Kunstkommission der Kulturbehörde sitzt und das Projekt der vergoldeten Wand mit ausgewählt hat. Kunst habe keinen sofortigen Nutzen und sei erst einmal immer Geldverschwendung. Aber Kunst könne auch provozieren, Fragen aufwerfen und Diskussionen lostreten. „Das Sakrileg ist ja, dass das Haus in einem armen Stadtteil vergoldet wird – in Blankenese hätte es niemanden interessiert“, sagt Steinbrügge.

Die Wut der Anwohner hat aber nicht nur mit der Örtlichkeit oder den Kosten zu tun. Burchhardt selbst ist Teil der Kunstkommission der Kulturbehörde die den Auftrag vergeben hatte. „Dass die Mitglieder solcher Kommissionen auch Vorschläge einreichen dürfen, ist vollkommen normal“, erläutert Steinbrügge. Man würde sonst keine Künstler für die Gremien gewinnen können. Burchhardt habe nicht selbst über das Goldhaus abgestimmt.

Grüne: Projekt für Bewohner wäre sinnvoller

„Der Vorgang hat trotzdem einen üblen Beigeschmack“, sagt Michael Osterburg. Der Grünen-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hält nichts von der vergoldeten Wand: „Die Menschen, die dort leben, haben es oft schwer, und jetzt müssen sie beim Weg zur Arbeit auf ein vergoldetes Haus schauen, das mit Steuergeldern finanziert wurde.“ Ein Projekt, das die Bewohner des Stadtteils gefördert und mit einbezogen hätte, wäre sinnvoller gewesen.

Burchhhardt sagt dazu: „Wer bei dem Kunstwerk nur auf das Gold schaut, ist ein Stück weit verblendet.“ Die Vergoldung habe der Veddel mehr Aufmerksamkeit gebracht, als es ein soziales Projekt erreichen könnte.

„Die Beachtung, die uns jetzt zu Teil wird, ist durchweg negativ und stigmatisiert die Menschen auf der Veddel“, sagt Klaus Lübke. Der Vizechef der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Mitte sagt, die Idee funktioniere nur wegen „des schlechten Rufs des Stadtteils“. Mit Steuergeldern sollten Kunstprojekte im öffentlichen Raum gefördert werden, die den Anwohnern auch nützen.

Auch Anwohnerin Carine Moch hat einen pragmatischen Ansatz: „Das Geld ist bereits ausgegeben, jetzt geht es darum, das Beste daraus zu machen.“ Die Pädagogin hat am Dienstagabend zu einem „bunten Tisch“ geladen um mit ihren Nachbarn über Themen wie Reichtum und Armut zu reden. Viele Anwohner seien zwar finanziell schwach, aber „sozial reich“. Die Pädagogin schätzt an ihrem Stadtteil die Vielfalt. Gold bräuchte hier niemand. Am Ende der Veranstaltung haben die Teilnehmer ein Banner vor dem vergoldeten Haus aufgestellt: „Das wahre Gold der Veddel sind wir."