Hamburg. Bürgermeister bittet um Entschuldigung. CDU und FDP fordern seinen Rücktritt. Heftige Kritik an der Linkspartei.

Regierung und Opposition haben am Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft eine heftige Debatte über die Verantwortung für die Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels am vergangenen Wochenende geführt. Im Mittelpunkt des Streits standen die Entschuldigung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Rücktrittsforderungen an ihn und die fehlende Abgrenzung der Linken von den Gewalttätern.

Nachdem sich Olaf Scholz bei den Hamburgern entschuldigt hatte, warf CDU-Fraktionschef André Trepoll ihm eine Strategie der Verharmlosung vor. Der Oppositionsführer wiederholte seine frühere Forderung: „Ein Hanseat würde in so einer Situation die Verantwortung übernehmen: Herr Scholz, treten Sie zurück.“ Auch die Vorsitzende der FDP-Fraktion, Katja Suding, forderte Bürgermeister Scholz – zumindest indirekt – zum Rücktritt auf. „Sie haben sich für das Amt disqualifiziert“, sagte Suding. „Wenn Sie ein bisschen Anstand hätten, würden Sie zurücktreten, ohne dass Sie jemand dazu auffordert.“

Leitartikel: Die Kampfansage des Olaf Scholz

Scholz hatte gleich zu Beginn seiner 35-minütigen Regierungserklärung gesagt: Es sei während des G20-Gipfels nicht durchweg gelungen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. „Dafür, dass das geschehen ist, bitte ich die Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung.“

Im Verlauf der Debatte entschuldigte sich auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) dafür, dass die Polizei Teile der Stadt zeitweise im Stich gelassen hatte. „Es tut mir leid, dass wir die Hamburgerinnen und Hamburger in diesen Stunden nicht besser schützen konnten“, sagte der SPD-Politiker.

Cansu Özdemir (Linkspartei): „SPD
und Grüne wollen die Schuld der Linken
in die Schuhe schieben.“
Cansu Özdemir (Linkspartei): „SPD und Grüne wollen die Schuld der Linken in die Schuhe schieben.“ © HA | Roland Magunia

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel wies die Rücktrittsforderung von Trepoll zurück und verteidigte das Agieren des Bürgermeisters. „Er hat alles richtig gemacht.“ Der Bürgermeister habe die richtigen Worte gefunden. „Darauf hat die Stadt gewartet.“ Trepoll begründete seine Forderung nach Rücktritt mit der Fehleinschätzung des Bürgermeisters vor dem Gipfel. „Wer hat Sie gezwungen, eine Sicherheitsgarantie auszusprechen?“, fragte der CDU-Politiker. „Wer hat Sie gezwungen zu sagen, niemand müsse sich in Hamburg Sorgen machen?“

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding wertete die Entschuldigung von Scholz als „richtig und überfällig“. Sie werde aber nicht reichen, das Vertrauen der „im Mark erschütterten Bürger“ wiederherzustellen. „Wie konnte es trotz aller Warnungen zu diesem von linken Chaoten angezettelten Bürgerkrieg mit Ansage kommen?“

Der Chef der AfD-Fraktion, Jörn Kruse, bezeichnete die Rücktrittsforderungen dagegen als wenig hilfreich. Die Bürgerschaft sollte stattdessen den Bürgermeister bei der Aufklärung der Krawalle unterstützen. „Jede Kritik an Scholz und Innensenator Grote ist eine Relativierung der Gewalttaten.“

Kritik an Linkspartei

Besonders heftig wurde während der Bürgerschaftsdebatte die Linkspartei für ihre unklare Haltung zu den Teilnehmern des Schwarzen Blocks kritisiert. Innensenator Grote warf der Linken-Fraktion mangelnde Einsichtsfähigkeit vor. „Ihre Partei und Ihre Mandatsträger haben sich mit der linksextremen Szene verbunden.“ Die Linke habe einen „erheblichen Beitrag“ dazu geleistet, was in den vergangenen Tagen geschehen sei. „Sie haben allen Grund, sich bei den Hamburgerinnen und Hamburgern zu entschuldigen“, sagte Grote an die Linken-Abgeordneten gewandt.

Darauf forderte die Fraktion die Einberufung des Ältestenrats. Später kündigte sie die Prüfung einer Strafanzeige gegen Innensenator Andy Grote wegen Verleumdung an. Der Senator habe wahrheitswidrig der Linksfraktion vorgeworfen, durch ihre Unterstützung der Protestcamps direkte Beihilfe zu Straftaten im Rahmen der Ausschreitungen geleistet zu haben.

Dressel warf der Linken vor, sich nicht ausreichend vom sogenannten Schwarzen Block, der für die Ausschreitungen verantwortlich war, zu distanzieren. „Die Linke ist der parlamentarische Arm des Schwarzen Blocks, und Sie sollten sich schämen. Es wäre Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit gewesen, den Schwarzen Block aus Ihrer Demonstration zu verbannen.“

Carl Jarchow (FDP): „Kriminelle Chaoten
müssen verurteilt werden, unabhängig,
woher sie stammen.“
Carl Jarchow (FDP): „Kriminelle Chaoten müssen verurteilt werden, unabhängig, woher sie stammen.“ © HA | Klaus Bodig

Nach den Worten von Bürgermeister Olaf Scholz tragen auch jene Verantwortung für Gewalt, die solche Taten verharmlosen. „Wer zu Demonstrationen aufruft und dabei eindeutig auf eine Beteiligung des Schwarzen Blocks zielt, trägt Mitverantwortung für das Handeln eben jener Kriminellen.“

Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks forderte von den Linken und den Verantwortlichen der Roten Flora Selbstkritik. „Ich bin nach vielen Gesprächen mit Menschen vor Ort sicher: Die Flora muss ihre Rolle überdenken und verändern.“ Der SPD-Kreisvorsitzende von Altona, Mathias Petersen, sagte: „In Hamburg darf künftig keine einzige Demonstration mehr laufen, bei der ein Schwarzer Block dabei ist.“

Linken-Fraktion gibt sich selbstkritisch

Der AfD-Fraktionschef Jörn Kruse warf der Linken vor, eine Hilfstruppe der Gewalttäter zu sein, und forderte den Senat auf, die Rote Flora zu schließen. Sein Fraktionskollege Alexander Wolf bezeichnete die Gewalttaten vom Wochenende als das Ergebnis jahrzehntelangen Wegschauens. In Hamburg habe sich ein Milieu gebildet, in dem Linksextremisten sich wohlfühlten.

Cansu Özdemir, Chefin der Linken-Fraktion, verwahrte sich gegen den Vorwurf, die Linkspartei trage für die Krawalle Mitverantwortung. „SPD und Grüne wollen die Schuld der Linken in die Schuhe schieben. Das ist einfacher, als die Verantwortung zu tragen.“

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Christiane Schneider, war dagegen selbstkritischer. „Wir sehen uns in der Mitverantwortung, die Gewaltexzesse aufzuarbeiten und künftig zu verhindern. Wir als Linke müssen uns mehr darüber streiten, gesellschaftliche Konflikte friedlich zu lösen.“