Hamburg. Hamburgs Bürgermeister spricht heute im Rathaus über die G20-Krawalle. Abendblatt.de überträgt live. Streit über weitere Aufklärung.
Dieser Gang wird kein leichter sein: Siebenmal hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) seit 2011 eine Regierungserklärung abgegeben, doch nie zuvor stand er dabei persönlich so sehr im Mittelpunkt und so stark unter Druck, nie zuvor sah er sich so massiv mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Daher wird mit Spannung erwartet, wie er sich in seiner achten Erklärung, heute um 13.30 Uhr in der Bürgerschaft, zu den Gewaltexzessen rund um den G20-Gipfel äußern wird.
Räumt Scholz eigene Fehler ein? Entschuldigt er sich bei den Hamburgern und den Polizisten dafür, was sie im Zusammenhang mit dem Gipfel an Gewalt und Zerstörung erdulden und erleiden mussten?
Sicherheitsgarantie nicht eingehalten
Dass er seine zuvor gegebene Sicherheitsgarantie nicht einhalten konnte, hat Scholz bereits zerknirscht eingeräumt. Dass er den Gipfel im Vorfeld in einem Atemzug mit dem Hafengeburtstag genannt hat, hat er im Abendblatt-Interview bereut. Auf die Frage nach eigenen Fehlern hat Scholz allerdings nur geantwortet, dass er sich diese Frage auch stelle, und betont, dass er es nach wie vor richtig finde, den Gipfel in Hamburg durchzuführen.
Leitartikel: Alle zurücktreten?
„Ich erwarte vom Bürgermeister eine selbstkritische Fehleranalyse“, sagte CDU-Fraktionschef André Trepoll dem Abendblatt. „Ich möchte wissen, was ihn zu dieser Verharmlosung bewogen hat, als er den Gipfel mit dem Hafengeburtstag verglichen hat. Und ich verlange eine Erklärung für sein Verhalten während des Gipfels.“ Trepoll spielt damit darauf an, dass Scholz während der Krawalle in der Schanze das Gipfelkonzert in der Elbphilharmonie verfolgte und sich erst anderthalb Tage später im Viertel blicken ließ.
AfD fordert Entlassung
Unabhängig von Scholz’ Äußerungen wird der Oppositionsführer ihm aber erneut den Amtsverzicht nahelegen: „Olaf Scholz muss sich in seiner Regierungserklärung klar zu seiner persönlichen Verantwortung bekennen und zurücktreten“, so Trepoll. FDP-Fraktionschefin Katja Suding sagte hingegen, sie wolle zunächst abwarten, ob Scholz sich klarer als bislang zu seiner Verantwortung bekenne, bevor sie seinen Rücktritt fordere.
Die AfD wiederum sieht die Verantwortung weniger bei Scholz, sondern forderte den Bürgermeister am Dienstag auf, die grünen Senatoren Katharina Fegebank (Wissenschaft), Till Steffen (Justiz) und Jens Kerstan (Umwelt) zu entlassen. Sie begründet dies mit dem „gefährlichen Doppelspiel“ der Grünen beim Thema G20.
Konkret wirft die AfD den Grünen vor, mit Äußerungen während des Gipfels, dieser sei zu groß und passe nicht mehr nach Hamburg, von der offiziellen G20-Politik des Senats abgerückt zu sein. Außerdem hätten die Grünen das Sicherheitskonzept torpediert, indem sie kurz vor Beginn des Gipfels ein Camp für G20-Gegner gefordert hatten, obwohl es Polizeistrategie war, keine großen Übernachtungslager zuzulassen. „Die grünen Senatoren fielen mit ihren Äußerungen den Einsatzkräften in den Rücken, die die G20-Politik des Senats – teilweise unter Einsatz ihres Lebens – auf der Straße durchsetzen mussten“, sagte der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf.
Die inhaltliche Aufarbeitung der Gipfelereignisse beginnt am Mittwoch, 19. Juli, um 16 Uhr mit einer öffentlichen Sondersitzung des Innenausschusses im Kaisersaal des Rathauses. Vermutlich sind dann Innensenator Andy Grote (SPD), Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und der Einsatzleiter Hartmut Dudde zu Gast und werden ihre Erkenntnisse zu den schweren Ausschreitungen präzisieren und sich den Fragen der Abgeordneten stellen.
Zu wenig Unterstützung für Ausschuss
Was die weitere Aufklärung angeht, herrscht große Uneinigkeit. AfD und Linkspartei fordern einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA). Die FDP hält sich das noch offen. Ohnehin gilt: Ohne Unterstützung aus anderen Parteien würden die drei Fraktionen nicht die erforderlichen 31 von 121 Stimmen zusammenbekommen, sondern nur 26 bis 28.
SPD und Grüne schlagen vor, einen „Sonderausschuss“ einzurichten. Im Gegensatz zu einem aufwendigen PUA, der im Prinzip den Regeln der Strafprozessordnung folgt, wäre das ein ganz normales Gremium der Bürgerschaft – mit dem einzigen Auftrag, die Vorgänge rund um G20 zu beleuchten. Die CDU hält das für ein Ablenkungsmanöver und will die Aufklärung dem Innenausschuss überlassen.
Die Bilder des Tages (9.7.)
Die Bilder des Tages (9.7.)
„Was sich am Wochenende hier bei uns in Hamburg abgespielt hat, wird uns noch lange beschäftigen. Es reicht nicht, sich nur gemeinsam über die Einsatzpläne zu beugen, wir brauchen eine ganzheitliche Aufarbeitung der Geschehnisse“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Dazu gehört vor allem auch, sich mit der riesigen Bandbreite des gewalttätigen Spektrums intensiv zu befassen, die vom professionellen Autonomen bis zum jugendlichen Wohlstandsverwahrlosten reicht.“
Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen, sagte, die Bilder der Gewaltexzesse hätten auch das Vertrauen in die Politik erschüttert. „Da machen wir uns nichts vor. Dieses Vertrauen müssen wir uns wieder hart erarbeiten. Dafür spielt eine genaue Aufarbeitung der Krawalle eine wesentliche Rolle.“
Abendblatt.de überträgt die Regierungserklärung heute ab 13.30 Uhr live.