Der neue Senatsfeind Nummer eins: Für die Rote Flora wird es nach der Regierungserklärung ungemütlich.
Die Fehler, die er vor und während der verhängnisvollen G20-Tage gemacht hat, können durch eine Regierungserklärung nicht verschwinden. Die Sicherheitsgarantie, der blöde Vergleich mit dem Hafengeburtstag und ein Bürgermeister, der in der Not nicht bei seinen Bürgern war – das bleiben Makel. Aber endlich hat Olaf Scholz sich für seine handwerklichen und anderen Fehler entschuldigt. Und auf seine Art auch dafür, dass er nicht so emotional sein kann, wie es für andere Politiker in einer solchen Lage normal wäre.
Trotzdem war der Bürgermeister gerade am Anfang seiner Regierungserklärung in der Bürgerschaft anders als sonst. Nachdenklicher, mit sich selbst und seinem Verhalten hadernd. Wer Scholz gut kennt, merkte, wie nah ihm all das geht, was passiert ist. Es wäre dennoch besser gewesen, wenn er wenigstens dieses eine Mal stärkere Gefühle gezeigt hätte. Aber, er sagte es selbst: Er kann es nicht. Scholz gesteht einem Mann in seiner Position so etwas schlicht nicht zu.
In einer Krise geht man nicht, in einer Krise steht man
Der Bürgermeister bleibt hart, zu sich, aber auch in seinem Handeln. Was das für die Aufarbeitung des G20-Debakels und die künftige Politik des rot-grünen Senats, der in der Bürgerschaft sehr geschlossen auftrat, heißt, zeigte sich im weiteren Verlauf der Regierungserklärung. Je länger Scholz sprach, desto kraftvoller und selbstbewusster wurde er. Kein Wort zu den Rücktrittsforderungen, auch deshalb nicht, weil der Sozialdemokrat das Übernehmen politischer Verantwortung anders definiert als seine Kritiker. In einer Krise geht man nicht, in einer Krise steht man.
Der Bürgermeister stand gerade am Rednerpult und entwickelte die Grundzüge einer (Sicherheits-)Politik, die konsequenter werden dürfte. Man hörte den Innenpolitiker Scholz heraus, der zu seiner Zeit als Hamburger Innensenator auch vor dem Einsatz von Brechmitteln bei Rauschgifthändlern nicht zurückschreckte. Botschaft eins: Hamburgs Polizei wird aufgerüstet und künftig deutlich härter gegen all jene vorgehen, die das Gewaltmonopol des Staates infrage stellen. Gegen Kriminelle sowieso, aber auch gegen Gaffer, Pöbler, Schaulustige. Dafür gab es in der Bürgerschaft Applaus, nicht nur aus dem rot-grünen Lager.
Botschaft Nummer zwei: Der Kurs gegen die Rote Flora und ihr Umfeld wird sich grundlegend ändern. Der Bürgermeister machte nicht den Fehler, die Schließung des Hauses anzukündigen, weil das zu den nächsten Gewaltexzessen führen würde. Aber wenn einer wie er die Rotfloristen „geistige Brandstifter“ nennt, weiß man, dass es mit der Gelassenheit des Senats gegenüber der linken Enklave im Schanzenviertel vorbei ist.
Scholz fragt: Was soll aus Hamburg werden?
Ohne es zu sagen, machte Scholz deutlich: So wie bisher wird es mit denen nicht weitergehen. Und wer in die Gesichter seiner grünen Senatoren sah, ahnte, dass auch sie hinter der neuen Linie gegen die Flora stehen werden. Die Initiatoren der „Welcome to Hell“-Demonstration sind seit G20 Senats- und damit Staatsfeind Nummer eins, da helfen weder Entschuldigungen noch Relativierungen.
Interessant ist, dass Scholz zum Ende seiner Regierungserklärung wieder etwas weicher wurde und auf eine Frage zu sprechen kam, die ihn schon seit Monaten umtreibt. Was soll aus Hamburg werden? Die Antwort schien mit der Eröffnung der Elbphilharmonie gegeben worden zu sein, die für Aufsehen in der Welt sorgte. Nun, nach G20, ist wieder vieles anders. Wollen die Hamburger überhaupt, dass aus ihrer weltoffenen auch eine Weltstadt wird? Soll man politische Verantwortung als zweitgrößte Stadt der Bundesrepublik Deutschland übernehmen und manchmal mitmischen bei denen da oben, bei den Londons und Berlins? Oder war es nicht in Wahrheit besser, als Hamburg einfach Hamburg war und vor allem für seine Bürger die schönste Stadt der Welt? Reicht das nicht?
Scholz wird nicht freiwillig aufgeben
„Herr Scholz, wir müssen reden“, stand auf einem Plakat, und genau das will der Bürgermeister jetzt tun. Was er macht, wenn dabei herauskommt, dass die Hamburger auf große Politik und große Ereignisse verzichten können, ist eine andere Frage.
Am Ende seiner gut eine halbe Stunde dauernden Regierungserklärung wirkte Olaf Scholz, als hätte er sich, seinen Senat und ein wenig auch die Lage wieder im Griff. Freiwillig aufgeben wird dieser Bürgermeister nicht, er wird um sein Ansehen und jenes der Stadt kämpfen. Und es sieht danach aus, dass die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen ihn auch kämpfen lassen werden, allen Rücktrittsforderungen zum Trotz.
Ist das richtig? Kann man den Wunsch nach jemandem, der politische Verantwortung übernimmt und geht, ignorieren? Stellen wir uns einmal für einen Moment vor, Olaf Scholz wäre gestern doch zurückgetreten. Wie hätte dann in dieser schwierigen Situation der neue Hamburger Bürgermeister sein müssen?
Sie ahnen es: wie Olaf Scholz.