Hamburg. Rund 90 Menschen kamen zur Anhörung im Schulausschuss der Bürgerschaft. 24.000 Unterschriften in drei Monaten.

Die Anhörung der Volksinitiative „Gute Inklusion“ vor dem Schulausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft lief schon fast eine Stunde, als ein einfaches Beispiel deutlich machte, worum es geht. „In meiner Anfangszeit als Lehrer hatte ich in meiner Klasse ein Kind, das jeden Montagmorgen völlig ausrastete und den Unterricht auf den Kopf stellte“, erzählte der pensionierte Gymnasiallehrer Martin Reichert den Abgeordneten. „Wenn ich nicht eine Sonderpädagogin gehabt hätte, die sich um das Kind den halben Tag kümmerte, hätte ich den Unterricht nicht fortsetzen können. Heute sind Sonderpädagogen nur noch sechs oder sieben Stunden in der Woche in einer Klasse. Das reicht nicht“, sagte Reichert.

24.000 Unterschriften in drei Monaten

Die Volksinitiative „Gute Inklusion“ hatte seit Jahresbeginn im Laufe von drei Monaten rund 24.000 Unterschriften gesammelt. Ziel ist eine deutliche Verbesserung der Personalzuweisung für den Unterricht von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an den Regelschulen. Die Initiative hat errechnet, dass zwischen 600 und 650 Stellen zusätzlich nötig seien, damit ihrer Ansicht nach Inklusion gelingen kann. Außerdem sollen jährlich zehn Millionen Euro in den barrierefreien Ausbau von Schulen investiert werden. Die Initiative will die Kürzungen, die mit der Abschaffung der Integrationsklassen und Integrativen Regelklassen im Jahr 2012 einhergingen, wenigstens zum Teil wieder rückgängig machen.

Nach dem Wahlsieg kam es anders

Etwas süffisant erinnerten die Initiatoren in der Anhörung daran, dass Schulsenator Ties Rabe (SPD) als Oppositionspolitiker einst den deutlichen Ausbau von Integrationsklassen gefordert hatte. Und in das Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl 2011 hatte die SPD diesen Punkt aufgenommen. Nach dem Wahlsieg kam es anders. Die Bürgerschaft beschloss das Recht auf Inklusion, den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Förderbedarf, und die SPD schloss die gut ausgestatteten, aber wenigen Integrationsklassen. „Wenn die SPD ihr Wahlversprechen eingehalten hätte, dann würden heute nicht hier sitzen“, sagte Reichert.

Beste Personalausstattung aller Bundesländer

„Die schülerbezogene Personalzuweisung wurde damals um rund ein Drittel gekürzt“, sagte Pit Katzer, Vertrauensperson und ehemaliger Leiter der Erich-Kästner-Stadtteilschule in Farmsen. Allerdings ist die Zahl der Kinder mit Förderbedarf seitdem erheblich gestiegen. Waren es 2010 noch 8500 Jungen und Mädchen, so kletterte die Zahl mittlerweile auf 12.000. Der Zuwachs entfällt vor allem auf die Kinder mit Defiziten in den Bereichen Lernen, Sprache sowie soziale und emotionale Entwicklung (LSE).

Rabe wies darauf hin, dass die allgemeinen Schulen insgesamt gegenüber 2010 rund 550 Stellen mehr zur Verfügung haben, die vor allem für die Inklusion eingesetzt werden. Hamburg habe die beste Personalausstattung aller Bundesländer. Die Bürgerschaft muss nach der Anhörung, zu der rund 90 Menschen in die Patriotische Gesellschaft an der Trostbrücke gekommen waren, entscheiden, ob sie das Anliegen der Initiative übernimmt – falls nicht folgt ein Volksbegehren.