Hamburg. Das Abendblatt lädt 1000 Hamburger Beamte und ihre Partner zu einem Konzert ein. Das Motto des Abends lautet: Respekt!

Diese Bilder wird kein Hamburger so schnell vergessen. Der tobende Mob, hassverzehrte Gesichter, schrankenlose Gewalt. Die Fotos und Filmchen einer enthemmten Truppe von Möchtegernkriegern haben sich tief in das kollektive Gedächtnis gebrannt. Es gibt aber noch ein weiteres Bild, nicht weniger verstörend. Normale Leute, junge und alte, gut und schlecht gekleidet, vereint in einer Botschaft mit dem immergleichen Ruf: „Haut ab! Haut ab!“ Ihre Wut trifft nicht die Gewalttäter auf der Straße, sondern die Beamten. Wann immer Polizisten ihrem Job nachgingen, wurden sie in den vergangenen Tagen nicht nur bedroht, sondern zudem von einigen Bürgern beschimpft und verspottet. Wenn es eine Lehre aus dem G20-Gipfel gibt, dann diese: So kann es nicht weitergehen.

Und so geht es auch nicht weiter. Viele Hamburgerinnen und Hamburger sind schockiert, sie wollen ein Zeichen setzen. Sie schenken den Polizisten Blumen, loben sie für ihre Arbeit – und das Hamburger Abendblatt bekommt für seine Hilfsaktion zugunsten der Polizisten aus anderen Bundesländern vielfache Unterstützung. Ihnen wollen die Bürger dieser Stadt ein anderes Bild Hamburgs vermitteln. Doch auch den Beamten, die in ihrer Heimatstadt die Tage des Hasses hautnah erleben mussten, möchte das Abendblatt Danke sagen.

7000 Menschen bei Reinigungs-Aktion:

7000 Menschen bei Reinigungs-Aktion in der Schanze

7000 Menschen kamen in die Schanze zum Aufräumen
7000 Menschen kamen in die Schanze zum Aufräumen © Genevieve Wood
Putzen, sammeln, reparieren..
Putzen, sammeln, reparieren.. © dpa
Initiatorin Rebecca hatte im Internet zu der Reinigungsaktion der Schanze aufgerufen
Initiatorin Rebecca hatte im Internet zu der Reinigungsaktion der Schanze aufgerufen © G. Wood
Die Helfer wurden mit Eimern und Besen ausgerüstet
Die Helfer wurden mit Eimern und Besen ausgerüstet © reuters
Es gab auch Care-Pakete
Es gab auch Care-Pakete © Roland Magunia
Die Rolltore wurden gereinigt
Die Rolltore wurden gereinigt © dpa
Scherben wurden aufgesammelt
Scherben wurden aufgesammelt © Roland Magunia
Die aufgerissenen Pflasterwege verschönert
Die aufgerissenen Pflasterwege verschönert © Roland Magunia
Zugleich feierten viele Menschen auf der Schanze
Zugleich feierten viele Menschen auf der Schanze © Roland Magunia
Vieles war in der Schanze zerstört worden, hier Stadträder an einer Station
Vieles war in der Schanze zerstört worden, hier Stadträder an einer Station © dpa
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Mit einer Aktion, die so spontan wie unbürokratisch ist – und den gemeinsamen Willen einer bürgerlichen Stadt unterstreicht. Das Hamburger Abendblatt lädt schon an diesem Donnerstag 1000 Polizisten und ihre Partner, also insgesamt 2000 Menschen, zu einem Sonderkonzert in die Elbphilharmonie. Der Titel des Konzertes: Respekt! Respekt für die Arbeit der vergangenen Tage; aber auch die Bitte um mehr Respekt gegenüber Polizisten.

Alles begann mit einer SMS am Sonnabend, sie kam vom bekannten Hamburger Pianisten Sebastian Knauer. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie wütend ich über diese ganze linke Gewalt bin. So kann und darf es nicht weitergehen in unserem wunderbaren Hamburg! Solltet ihr meine Stimme brauchen, ich äußere mich gerne und sehr offen.“ Das klang gut, ein Zitat war schnell bestellt.

Aber warum soll Sebastian Knauer eigentlich einen Gastbeitrag im Abendblatt schreiben, wenn seine Sprache die Musik ist? Unsere Antwort: „Wie wäre es denn mit einem Konzert für Polizisten in der Elbphilharmonie – Sie am Flügel?“ Die Antwort kam unverzüglich: „Yeah!!! Wollen wir telefonieren?“

Ein Telefonat und eine SMS später war die Kulturbehörde in der Spur. Senator Brosda sagte seine Unterstützung zu und hatte auch gleich einen Termin parat: Donnerstag, 13. Juli. „Dann helfen wir!“ Eigentlich der erste Tag der Sommerpause, aber für diese Aktion waren viele bereit, ihre Erholung noch einmal um 24 Stunden zu verschieben.

Solidarität in Noten

Am Sonntagnachmittag half das Team der Elbphilharmonie um Jochen Margedant aus der Kulturbehörde – und wie. Am Abend kamen die ersten Zusagen der Stiftung Elbphilharmonie, die Idee auch finanziell zu unterstützen. Binnen weniger Stunden fanden sich weitere Sponsoren, die bereit sind, die Kosten für die Getränke in der Pause zu übernehmen. Von der fixen Idee zum Konzert in weniger als 24 Stunden – Hamburg macht’s möglich. Am Montag trafen dann noch weitere finanzielle Zusagen ein.

Der Pianist Sebastian
Knauer ist gebürtiger
Hamburger. Er hat in
mehr als 50 Ländern
gespielt
Der Pianist Sebastian Knauer ist gebürtiger Hamburger. Er hat in mehr als 50 Ländern gespielt © HA | Roland Magunia

Das Konzertprogramm selbst steht noch nicht ganz fest. Sebastian Knauer erklärte sich bereit, weitere Künstler ins Boot zu holen und verhandelt derzeit mit möglichen Partnern, die beim Spontankonzert mitmachen wollen. Alle Künstler werden ohne Gage auftreten. Die Musik wird zum Bekenntnis, eine Solidarität in Noten.

Viel zu wenige danken es ihnen

„Das ist mir einen Herzensangelegenheit“, sagt Knauer. „Die Bilder vom vergangenen Wochenende haben mich tief erschüttert. Wir müssen jetzt aufstehen und laut und unüberhörbar Stopp sagen“, sagt der 45-jährige Pianist. Knauer ist gebürtiger Hamburger, der sein Konzertdebüt mit 14 Jahren in der Laeiszhalle gab. Er ist in den Konzerthäusern der Welt zu Hause, hat in mehr als 50 Ländern gespielt – und mischt sich ein. Besonders ärgere er sich über die ständigen Vorwürfe an die Polizei. „Die Frauen und Männer sind teilweise tagelang und ohne größere Pause für unsere Sicherheit im Dienst, und viel zu wenige danken es ihnen. Ich kann dieses Gerede, die Polizei habe provoziert, nicht mehr hören.“ Auch die Rote Flora müsse endlich begreifen, dass Gewalt keine Lösung ist.

Grote von der Idee begeistert

Innensenator Andy Grote zeigte sich von der Idee begeistert: „Ich bin beeindruckt von der Solidarität der Hamburger und freue mich über das Konzert in der Elbphilharmonie – das ist ein besonderes Signal an die Beamten“, sagte der SPD-Politiker.

Am vergangenen Freitag hatten die Beamten über Stunden die Staatsgäste in der Elbphilharmonie schützen müssen. Tausende hatten gegen den G20-Gipfel am Rande der Sicherheitszone demonstriert; danach zogen Protestierer weiter ins Schanzenviertel; dort kam es später zu den heftigsten Ausschreitungen in der Hansestadt seit Jahrzehnten. Nach jüngsten Angaben wurden insgesamt 476 Polizisten bei ihren Einsätzen verletzt.