Hamburg . Hochbetrieb in der Gefangenensammelstelle (Gesa) in Harburg. Bei Landfriedensbruch drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Steinwürfe auf Polizisten, Randale in mehreren Stadtteilen, in Brand gesetzte Autos, marodierende Banden oder Körperverletzungen: Immer wieder eskalierte die Gewalt auf den Straßen während des G20-Gipfels, immer wieder kam es zu Festnahmen – und dem Transport der Verdächtigen in die eigens wegen des Gipfels eingerichtete, mit hohem Zaun und Natodraht gesicherte Gefangenensammelstelle (Gesa) an der Schlachthofstraße in Harburg. Und dann? Untersuchungshaft, Ingewahrsamnahme – oder kommt der Festgesetzte frei? 232 solcher Entscheidungen wurden insgesamt zwischen Donnerstag und Sonntag Morgen im zuständigen Amtsgericht getroffen, das direkt an die Gesa in Harburg angrenzend eine Nebenstelle eingerichtet hat. Jede freiheitsentziehende Maßnahme bedarf einer richterlichen Entscheidung.

50 Haftbefehle abgelehnt

Von 107 Verfahren, in denen es um Untersuchungshaft ging, sprachen die Richter in 57 Fällen Haftbefehle aus. Bei den anderen 50 wurde zwar ein Haftbefehl abgelehnt, jedoch in den allermeisten dieser Fälle statt dessen eine polizeiliche Ingewahrsamnahme, ausgesprochen, die meist bis zum Sonntagabend gilt. In weiteren 125 Verfahren, in denen die Polizei einen Antrag auf Ingewahrsamnahme gestellt hatte, ordneten die Richter in 65 Fällen eine solche Maßnahme an, darüber hinaus kam es zu 23 Freilassungen. Die anderen Fälle waren am Sonntag morgen noch offen.

Der Unterschied der Maßnahmen: In Gewahrsam kann jemand dann genommen werden, wenn der dringende Verdacht besteht, dass er unmittelbar davor steht, eine Straftat zu begehen und nur durch eine Freiheitsentziehung von dieser Tat abgehalten werden kann. Wird einem Verdächtigen vorgeworfen, bereits eine Straftat begangen zu haben, käme zur Sicherung des Verfahrens eine Untersuchungshaft in Betracht. Darum ging es in vielen Fällen auch jetzt vor dem Amtsgericht. Unter anderem wurden dort Menschen zugeführt, die im Verdacht stehen, dem Schwarzen Block anzugehören und teilweise aus einer Menschenmenge heraus Polizisten mit Steinen oder Flaschen bedroht und sogar angegriffen zu haben. Der Vorwurf lautet dann nicht nur auf gefährliche oder versuchte gefährliche Körperverletzung. Hier geht es auch um den Verdacht des Landfriedensbruchs. Dabei lautet die Strafandrohung Geldstrafe oder Haft bis zu drei Jahren. Im besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs drohen sechs Monate bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Rechtsmedizin vor Ort

Auch die Hamburger Rechtsmedizin ist seit einer Woche rund um die Uhr in der Gesa vertreten. In einem der Container auf dem Gelände ist ein Arztraum eingerichtet, in dem einzelne Festgenommene untersucht werden, um abzuklären, ob sie überhaupt verwahrfähig sind. Da es bei den Haftbefehlen oder auch bei den Ingewahrsamnahmen überwiegend um eine Zeit von mehreren Tagen oder sogar mehr geht, muss bei solchen Festgenommenen der Gesundheitszustand überprüft werden, die etwa Kreislaufbeschwerden, Verletzungen, Kopfschmerzen oder andere gesundheitliche Probleme geltend machen. Oder ein Polizist entdeckt bei einem der festgesetzten Männer oder Frauen beispielsweise Wunden, die versorgt werden müssen. In einem anderen Raum, in dem ein weiterer Mediziner Dienst tut, werden kleinere Blessuren von Delinquenten oder auch Polizeibeamten behandelt. Durch Mediziner aus Rechtsmedizin und Chirurgie sei in der Gesa „jederzeit die medizinische Diagnostik sichergestellt“, sagte der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin, Klaus Püschel, auf Anfrage.

Verwahrfähigkeit geprüft

Mehr als hundert Festgenommene haben die Rechtsmediziner in den vergangenen Tagen untersucht und bei Bedarf auch behandelt und dabei stets im Blick gehabt, ob aus medizinischer Sicht zu verantworten ist, dass jemand über Stunden oder sogar Tage in eine Zelle kommt. Immer wieder gab es Frauen und Männer, die über Kreislaufprobleme klagten, es gab Prellungen, Abschürfungen und kleinere Schnittverletzungen zu begutachten sowie Menschen, die leichtes Fieber hatten. Andere erzählten, sie litten unter Migräne oder Druck in der Brust oder beispielsweise auch unter Ängsten generell in engen Räumen. Dem muss dann nachgegangen werden. In manchen Fällen lautet die Entscheidung der Rechtsmediziner, dass eine Verwahrfähigkeit des Festgenommenen nicht gegeben ist. Ein solcher Gefangener käme dann nicht in die Zelle, sondern ins Krankenhaus – in der Regel unter polizeilicher Bewachung. Bedenklich wäre auch, wenn jemand beispielsweise unter Drogeneinfluss steht, Kopfverletzungen hat oder wenn Medikamente verabreicht werden müssen. In einzelnen Fällen mussten auch in der Gesa Festgesetzte wegen Diabetes mit Insulin therapiert oder Anfallsleiden wie Epilepsie medikamentös versorgt werden.