Hamburg. 56 Millionen Euro teures Zentrum CSSB erforscht Infektionen mit Supermikroskopen und Röntgenlaser. Heute ist Eröffnung.

Die Prunkstücke fehlen noch: Erst im September werden Hamburgs jüngstem Forschungszen­trum für die Analyse von Viren, Bakterien und Parasiten fünf Kryo-Elektronenmikroskope der jüngsten Generation geliefert. Mit den etwa vier Meter hohen Hightech-Instrumenten lassen sich winzige biologische Strukturen dreidimensional abbilden – fast atomgenau, also bis zu einer Auflösung von wenigen millionstel Millimetern. Vorher werden die Proben sehr schnell eingefroren. Deshalb bleiben sie in ihrem natürlichen Zustand erhalten.

Weil das Inventar des Zentrums für strukturelle Systembiologie (CSSB) in Bahrenfeld ansonsten weitestgehend komplett ist, wird der Neubau auf dem Desy-Gelände in Bahrenfeld heute von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bei einer Feier mit 700 Gästen eröffnet. „Wer sich ein Bild davon machen will, mit welcher Vehemenz die traditionsreiche Hafen- und Handelsmetropole sich auf den Weg in die Zukunft gemacht hat, wird kaum einen besseren Ort als diesen finden“, sagt Scholz.

Experimente auch mithilfe von Röntgenlicht

Der Campus rund um das Desy habe sich zu einem „starken Gravitationsfeld für die internationale Wissenschaft“ entwickelt. „Hier geht es nicht mehr allein um Physik und Teilchenforschung klassischer Prägung, hier halten jetzt auch die Lebenswissenschaften Einzug.“ Die Ziele sind ehrgeizig gesteckt: Die Forscher des CSSB sollen „Pionierarbeit zum Verständnis von Infektionskrankheiten leisten“, sagt Direktor Matthias Wilmanns.

Scharfe Einblicke in der Nanowelt

In einer Zeit, in der Bakterien zunehmend Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln und sich gefährliche Keime durch die weltumspannenden Menschen- und Warenströme ausbreiten können, seien tiefer gehende Untersuchungen wichtiger denn je, sagt CSSB-Gruppenleiter Michael Kolbe. „Wir wissen zu wenig darüber, wie die Angriffsmechanismen vieler Erreger auf molekularer Ebene funktionieren.“ Kolbe erforscht, wie etwa Salmonellen Proteine in Zellen schleusen, um diese zu manipulieren.

3000 Quadratmeter für Labore

56 Millionen Euro hat das CSSB gekostet, bezahlt vom Bund, der Stadt Hamburg sowie von Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Von außen betrachtet eher unauffällig, überrascht das viergeschossige Gebäude im Innern mit Wendeltreppen und Lichteffekten. Von knapp 11.000 Qua­dratmeter Nutzfläche entfallen 3000 Quadratmeter auf Labore.

Geschwungene Formen: Ein Blick in
das neue CSSB-Gebäude
Geschwungene Formen: Ein Blick in das neue CSSB-Gebäude © HA | Marcelo Hernandez

Die Kryo-Elektronenmikroskope werden im Keller stehen. Ihre Anschaffung war auch von einer Bundesförderung abhängig. Als im April feststand, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Hälfte der Kosten von 15,6 Millionen Euro übernimmt, war die Freude in Hamburg groß.

Forschung mit Kryo-Elektronenmikroskopen findet zwar etwa auch in Heidelberg und Berlin statt. Allerdings werden die Hamburger Infektionsforscher für ihre Einblicke in kleinste Strukturen zusätzlich die Röntgenlichtquelle PETRA III nebenan und den Röntgenlaser European XFEL nutzen können, der im September seinen Betrieb aufnimmt.

Interdisziplinärer Ansatz

Außergewöhnlich wird das CSSB zudem durch seinen interdisziplinären Ansatz: Biologen, Chemiker, Mediziner und Physiker arbeiten Hand in Hand. Zehn Forschungseinrichtungen sind an den Experimenten beteiligt, neben der Uni Hamburg und dem Desy etwa das Heinrich-Pette-Institut für experimentelle Virologie und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

Eine typische Fragestellung der Wissenschaftler ist etwa, wie der Malariaparasit in die roten Blutkörperchen eindringt. CSSB-Forscher untersuchen, welche der 5200 Proteine des gefährlichen Erregers unmittelbar an dem Vorgang beteiligt sind, um so neue Ansatzpunkte für die Behandlung zu finden.

Spitzenforscher aus Oxford und Wien

Der mit seiner Arbeitsgruppe aus Oxford ans CSSB wechselnde Wissenschaftler Kay Grünewald beschäftigt sich unter anderem mit Herpesviren, die nicht nur Lippenbläschen, sondern auch Gürtelrose verursachen und zu Fehlbildungen bei Neugeborenen führen können. Durch seine Forschung konnte Grünewald feststellen, welchen Trick der Erreger anwendet, um die Zellmembran einer Wirtszelle zu durchdringen. Ebenfalls rekrutiert wurde der Spitzenforscher Thomas Marlovits, der aus Wien nach Hamburg gewechselt ist.