Hamburg . Einzelhändler leiden unter Umsatzrückgängen. Viele Läden an den Großen Bleichen und dem Neuen Wall schließen.
Der Neue Wall und die Großen Bleichen gehören zu den besten Adressen in der Hansestadt. Spitzenmieten von bis zu 330 Euro pro Quadratmeter werden am Neuen Wall verlangt. Doch viele Händler sind offenbar mit den Umsätzen an den beiden Einkaufstraßen nicht zufrieden. Besonders inhabergeführte Läden geben auf. „Wir schließen wegen hoher Mietkosten“, steht in roten Buchstaben am Schaufenster von Uli Knecht an den Großen Bleichen.
Die auf hochwertige Damen- und Herrenmode spezialisierte Boutique schließt am 15. Juli und verabschiedet sich nach mehr als 30 Jahren aus Hamburg. Drei verschiedene Flächen hatte Uli Knecht im Laufe der Jahre angemietet, zuletzt fünf Jahre rund 450 Quadratmeter in der Hausnummer 34.
Nicht mehr jede Miete wird gezahlt
Inhaber Uli Knecht spricht Klartext: „Ich kann mir die rund 50.000 Euro Miete für diese Fläche im Monat nicht mehr leisten. Die Frequenz an den Großen Bleichen ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen und damit auch die Umsätze.“ Nun sei der Fünfjahresvertrag ausgelaufen, und er habe die Option, weitere fünf Jahre zu verlängern, nicht genutzt, weil der Vermieter nicht bereit gewesen sei, die Miete anzupassen, so Knecht weiter.
Der Modeunternehmer ist kein Einzelfall: „Wir schließen“, ist in der Einkaufspassage Hanse-Viertel an den Großen Bleichen häufig zu lesen. In den vergangenen Monaten machte die Douglas-Filiale zu, auch die Modemarke North Face zog aus. Die Fläche des Bistros Les Parisiennes steht nach einem Wasserschaden leer. An den Großen Bleichen werden Spitzenmieten von bis zu 140 Euro pro Quadratmeter verlangt.
Nicht mehr genügend Kunden
Auch das Hemdengeschäft Jacques Britt schließt Ende August. Etwa zehn Jahre lang war die Marke im Hanse-Viertel vertreten, die letzten sechs Jahre direkt am Eingang Große Bleichen. „Wir haben nicht mehr genügend Kunden, und damit sind auch die Umsätze zurückgegangen. Deshalb war es eine kaufmännische Entscheidung, dieses Geschäft aufzugeben“, sagte Filialleiter Reza Farzaneh dem Abendblatt. Das Hanse-Viertel müsste dringend modernisiert werden, es sei nicht mehr zeitgemäß, so Farzaneh. Dazu Centermanager Uwe von Spreckelsen: „Es gibt mehrere Optionen für bauliche Veränderungen im Hanse-Viertel. Die Planungen sind aber noch nicht abgeschlossen.“
Auch am Neuen Wall steht der nächste Laden-Leerstand an: Nach Abendblatt-Informationen schließt das auf exklusive Möbel und Accessoires spezialisierte Geschäft Rivièra Maison und zieht an die Hohen Bleichen in die Flamant-Fläche. Bei Flamant, auch hier werden hochwertige Möbel angeboten, läuft noch bis zum 22. Juli der Räumungsverkauf. Rivièra Maison wird voraussichtlich Ende September auf rund 970 Quadratmeter Fläche eröffnen. Auch ein Café ist dort geplant.
Zahlreiche Leerstände
Besonders aber in der Nobeleinkaufsmeile Neuer Wall gibt es zahlreiche Leerstände, vor allem im oberen Teil hin zur Stadthausbrücke. Die rund 1800 Quadratmeter große Fläche von Bornhold Die Einrichter, die an das Alsterufer gezogen sind, steht seit Herbst 2016 leer und wird nur temporär durch Pop-up-Stores gefüllt. Zuletzt hatten die Läden Steinbrück Pelze und das italienische Luxuslabel Brioni geschlossen.
Die aktuelle Entwicklung in den teuren Innenstadtlagen beschreibt Mario Litta, Teamleiter Einzelhandelsvermietung beim Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle (JLL), so: „Der Trend, dass immer mehr inhabergeführte Geschäfte in Spitzenlagen schließen, ist nicht mehr aufzuhalten. Die Umsätze gehen zurück, und dementsprechend können die Unternehmer sich die Mieten dort nicht mehr leisten. Das liegt zum einen am Onlinehandel, aber auch daran, dass die meisten internationalen Ketten inzwischen eigene Geschäfte eröffnen.“
Vor allem Ketten eröffnen neu
Auch Heiner Schote, Leiter der Abteilung Handel der Handelskammer, beobachtet die Veränderungen: „Die hohen Mieten in Eins-a-Lagen tragen dazu bei, dass immer mehr Filialisten in die Innenstadt drängen. Die Einzelhändler können sich die Mieten aufgrund zurückgehender Umsätze oft nicht mehr leisten.“ Die Leerstände würden aber auch zeigen, dass eben nicht mehr jeder Preis für eine Fläche bezahlt werde. Das führe dazu, dass die Mieten stagnierten oder sogar zurückgingen.
Tatsächlich sind es vor allem Ketten, die im Viertel zwischen Jungfernstieg und Stadthausbrücke neu eröffnen: Nach Abendblatt-Informationen werden in einen Neubau an den Großen Bleichen das Einrichtungsgeschäft Depot und der Online-Händler Zalando mit Geschäften einziehen. Am Neuen Wall siedelt sich der Besteckhersteller WMF an, schräg gegenüber zieht die Luxusuhrenmarke Rolex ein. Ein Branchengerücht ist weiterhin, dass die neue H&M-Premiummarke Arket auf die Fläche vom Wäschehaus Möhring am Neuen Wall zieht. Das Traditionsunternehmen hatte die Nobelmeile nach fast 60 Jahren verlassen und ein neues Geschäft am Großen Burstah eröffnet.