Hamburg. Am Donnerstag nimmt die Nebenstelle des Amtsgerichts ihre Arbeit auf. Die Einrichtung ist eindrucksvoll gesichert.

In engen Spiralen windet sich der Nato-Draht im oberen Bereich eines etwa zwei Meter hohen Zauns. Dazwischen verläuft rot-weißes Flatterband der Polizei, und Justizbeamte sind am Eingang postiert: Die Nebenstelle des Amtsgerichts Hamburg, die an diesem Donnerstag in Betrieb genommen wird, ist eindrucksvoll gesichert. Hier sollen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel rund um die Uhr Richter darüber entscheiden, ob Menschen in Untersuchungshaft oder in Gewahrsam genommen werden.

Der zweistöckige Containerblock liegt in unmittelbarer Nähe der Gefangenensammelstelle der Polizei, ist aber durch einen Zaun davon getrennt. Zum G20-Gipfel werden Zehntausende Demonstranten erwartet – darunter bis zu 8000 gewaltbereite.

Schnelle Entscheidungen

Mit der Einrichtung der Nebenstelle des Amtsgerichts an der Schlachthofstraße in Harburg soll eine möglichst schnelle Entscheidung über „freiheitsentziehende Maßnahmen“ gesichert werden. „Wir tragen unseren Teil dazu bei, dass kein Freiheitsentzug länger dauert als nötig, und sichern ein rechtsstaatliches Verfahren“, erklärt Gerichtssprecher Kai Wantzen.

Laut Gesetz muss ein Verdächtiger, der festgenommen wurde, „unverzüglich“, also spätestens am Folgetag seiner Festnahme, einem Richter vorgeführt werden, damit dieser darüber entscheidet, ob der Betroffene in Untersuchungshaft geht. Das Gleiche gilt für die Ingewahrsamnahme, die ausgesprochen werden kann, wenn es den begründeten Verdacht gibt, dass jemand Straftaten begehen will. Die Ingewahrsamnahme muss zur Abwendung der Gefahr unerlässlich sein.

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Polizei hat an der Schlachthofstraße die Arbeiten zur Einrichtung der Gefangenensammelstelle begonnen
Polizei hat an der Schlachthofstraße die Arbeiten zur Einrichtung der Gefangenensammelstelle begonnen © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili
In der 12.000 Quadratmeter großen Halle sollen Festgenommene während des G20-Gipfels unterkommen
In der 12.000 Quadratmeter großen Halle sollen Festgenommene während des G20-Gipfels unterkommen © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili
Zuvor war in dem ehemaligen Lebensmittelmarkt eine Zentrale Erstaufnahme (ZEA) für Flüchtlinge
Zuvor war in dem ehemaligen Lebensmittelmarkt eine Zentrale Erstaufnahme (ZEA) für Flüchtlinge © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili
Die Kosten für den Umbau betragen rund drei Millionen Euro
Die Kosten für den Umbau betragen rund drei Millionen Euro © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili
Für die Sicherung des Areals waren auch Bereitschaftspolizisten aus Hannover angerückt
Für die Sicherung des Areals waren auch Bereitschaftspolizisten aus Hannover angerückt © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili
Sie unterstützt die Hamburger Polizei dabei, mehrere Kilometer Nato-Draht zu verlegen und das Gelände unmittelbar am Zaun zu roden
Sie unterstützt die Hamburger Polizei dabei, mehrere Kilometer Nato-Draht zu verlegen und das Gelände unmittelbar am Zaun zu roden © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili
Das Gelände soll bereits bewacht werden
Das Gelände soll bereits bewacht werden © Andre Zand-Vakili | Andre Zand-Vakili
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Ein Verdächtiger darf für maximal zehn Tage in Gewahrsam genommen werden. Prozesse werden in den Containern auf dem Gelände eines ehemaligen Lebensmittelgroßmarkts nicht stattfinden, also auch keine Urteile gefällt. Von außen wird das Gelände von der Polizei gesichert. Die Nebenstelle, deren Hausherr der Amtsgerichtspräsident ist, wurde errichtet, weil die Gerichtsgebäude am Sievekingplatz in unmittelbarer Nähe des G20-Tagungsortes liegen und an den Gipfeltagen nicht problemlos erreichbar sein werden. Die neue Außenstelle kostet rund 750.000 Euro.

Mehr als 30 zweckmäßig eingerichtete Räume

Die Betroffenen werden von der Polizei nach Voranmeldung aus der Gefangenensammelstelle zum Zaun auf dem Gelände des Amtsgerichts gebracht, wo Justizbeamte sie übernehmen. In den mehr als 30 hellen, schmucklosen, zweckmäßig eingerichteten Räumen des Containerblocks sind Zimmer untergebracht unter anderem für die Geschäftsstellen, wo beispielsweise die Akten für die Verfahren erstellt werden. Auch für Gespräche der Betroffenen mit Rechtsanwälten, für Dolmetscher und für Staatsanwälte gibt es Zimmer – außerdem einen Warteraum, in dem die Festgenommen bewacht werden, bis sie einem Richter zugeführt werden.

G20-Gipfel kurz erklärt:

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    Vor dem eigentlichen Gebäude stehen zwei Container, in denen sich Anwälte aufhalten können und dann für etwaige Mandanten zur Verfügung stehen. Die Anwälte können das Gelände, wie es sonst auch im Untersuchungsgefängnis am Hostenglacis üblich ist, ohne vorherige Genehmigung betreten und müssen sich nur bei den Justizwachtmeistern an der Pforte anmelden. „Die Lösung ist mit der anwaltlichen Nothilfe abgestimmt“, sagt Gerichtssprecher Wantzen.

    Mehr als 130 Richter

    Für den Betrieb der Nebenstelle des Amtsgerichts stehen mehr als 130 Richter bereit, von denen sich allein 80 um die Ingewahrsamnahmen kümmern sollen. Bis zu acht Richter gleichzeitig sind im Dienst. Es handelt sich um Richter des Amtsgerichts, des Landgerichts, des Oberlandesgerichts, der Sozialgerichte, des Arbeitsgerichts und des Finanzgerichts.

    Für ihre Entscheidungen wurden acht Räume eingerichtet, in denen der Betroffene und sein Rechtsbeistand sowie wenn nötig Dolmetscher und gegebenenfalls weitere Personen Platz finden. Eine etwa hüfthohe hölzerne Wand bildet eine Barriere zum Richtertisch. Bei Entscheidungen über Untersuchungshaft ist zudem ein Staatsanwalt anwesend, der die Vorwürfe vorträgt. Bei Ingewahrsamnahmen ist lediglich ein Polizist zugegen. Die Betroffenen können zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen oder auch schweigen.

    Solche Verhandlungen sind grundsätzlich nicht öffentlich. Sie dauern, je nach Komplexität des Falls, bis zu mehreren Stunden, können aber teilweise auch nach 20 bis 30 Minuten erledigt sein.

    Wird entschieden, dass ein Verdächtiger in Untersuchungshaft oder in Gewahrsam kommen muss, so wird er in eine der Haftanstalten gebracht, beispielsweise nach Billwerder. Auch Haftsachen, die nichts mit dem G20-Gipfel zu tun haben, sollen vom 6. bis 9. Juli in Harburg verhandelt werden.

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