Eppendorf. Anwohner stehen Unterkunft für 104 Menschen überraschend wohlwollend gegenüber. Oder trauen sich die Gegner nur nicht aus der Deckung?

Die Aula der Stadtteilschule Eppendorf ist gut gefüllt. Mehr als 250 Anwohner und andere interessierte Bürger sind gekommen, um sich über die in dem Stadtteil geplante Flüchtlingsunterkunft an der Loogestraße informieren zu lassen.

Wie berichtet, soll dort auf einem Grünstreifen nahe den U-Bahn-Gleisen eine Einrichtung mit 104 Plätzen entstehen. Bislang wurde das Vorhaben nur im Regionalausschuss diskutiert. Dort war es zu teilweise tumultartigen Szenen gekommen. Heute sind die Gegner der Unterkunft überraschend zurückhaltend. Vielleicht trauen sie sich auch nicht, denn die Mehrheit der Anwesenden ist dem Projekt gegenüber wohlwollend eingestellt.

„Es ist dringend notwendig, dass wir hier eine Unterkunft bekommen. Zu viele Menschen müssen noch ohne Privatsphäre in Hallen leben“, sagt noch vor Veranstaltungsbeginn ein 2015 geflohener Syrer, der in Eppendorf lebt und Arbeit hat. „Eppendorf hat etwas nachzuholen“, sagt auch Rudolf Herbers aus der Isestraße. Er will mit seiner Teilnehme ein Zeichen setzen gegen die Ablehnung, die einige seiner Nachbarn der geplanten Unterkunft und ihren Bewohnern entgegenbringen.

Protest zeichnete schiefes Bild des Stadtteils

Helge Joost, der in der Nähe der Loogestraße wohnt und sich in der Flüchtlingshilfe Harvestehude engagiert, ist sich sicher, dass sich das auch in Eppendorf ändern wird. „In der Sophienterrasse ist die anfangs kritische Stimmung komplett gekippt. Die Nachbarn engagieren sich sehr für die Flüchtlinge dort“, sagt er.

„Ich freue mich, dass es im dritten Anlauf jetzt gelungen ist, auch in Eppendorf einen Platz für Geflüchtete zu finden“, sagt der stellvertretende Bezirksamtsleiter Tom Oelrichs. Der weitere Umgang mit der Unterkunft werde zeigen, dass sich das Bild Eppendorfs als „privilegierter Stadtteil ohne Herz und mit bizarren Ausflüchten“ als „abwegiges Zerrbild“ erweise, das von einer sehr kleinen, aber sehr lauten Minderheit zu lange geprägt worden ist. „Durch die Flüchtlingsunterbringung an der Loogestraße“, sagt Oelrichs, „erfüllt die Stadt mit Überzeugung den Auftrag der Bürgerverträge, alle Stadtteile – ob reich oder arm – an der Aufgabe Integration der Geflüchteten zu beteiligen“.

„Wir haben noch nie so großen Protest gegen eine Flüchtlingsunterkunft erlebt wie bei Seelemannpark und Loogestraße“, hatte Kerstin Graup­ner vom Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) vor dem Infoabend gesagt. Neben der Sorge um die Sicherheit von Kindern und Mädchen in leichter Sportbekleidung treibe die Anwohner unter anderem der Verlust von Parkplätzen, der Baulärm und die Reflexion des U-Bahn-Lärms durch die Modulhäuser um.

650 Flüchtlinge müssen jeden Monat untergebracht werden

Diese Themen werden heute nicht angesprochen. Vielmehr erkundigen sich Zuhörer nach Bauzeit, Baukosten, Lärmschutz, Bauweise und der Verweildauer in Eppendorf. Manche Fragen mögen scheinheilig unter dem Deckmantel der Sorge um Flüchtlinge mit dem Zweck gestellt worden sein, Zweifel an dem Projekt zu schüren. Doch offene Kritik an der Unterkunft gibt es nicht.

Andrea Stolpmann vom Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) stellt sie vor: Vorgesehen sind zwei Gebäude mit Zweizimmerapartments, deren Bewohner sich Bad und Küche teilen. Dennoch versucht man, auf die Bedenken der Anwohner einzugehen. Ob die Gebäude in Holz- oder Containerbauweise errichtet werde, ist noch unklar. Fest steht: Mit dem Bau soll im vierten Quartal dieses Jahres begonnen werden, die Inbetriebnahme durch „Fördern & Wohnen“ ist zum Sommer 2018 geplant. Die Kosten für die Unterkunft werden je nach Bauweise 3,5 Millionen Euro betragen. Die Unterkunft soll überwiegend mit Familien belegt werden (60 Prozent), aber auch Alleinstehende werden hier untergebracht.

Andrea Stolpmann vom ZKF zur Notwendigkeit der Unterkunft: „Jeden Monat müssen bis zu 650 Flüchtlinge – Neuzugänge und Familiennachzug – untergebracht werden. Ende Mai lebten in Hamburg noch 6021 Menschen in 28 Erstaufnahmen, 250 von ihnen in ehemaligen Baumärkten und Hallen.“