Hamburg. Malermeister Hermann Maracke setzt bei seinen Lehrlingen auf Vertriebene. Er wurde dafür bereits von der Kanzlerin ausgezeichnet.

Mit über 40 Jahren hat der Iraner Morteza Sharabi Farahani in Hamburg noch einmal von vorne angefangen. Er ist einer von elf Auszubildenden beim Hamburger Malermeister Hermann Maracke, der die Handwerksbetriebe Germann Malermeister und Maler Poppe leitet. Mehr als jeder zweite Auszubildende bei ihm ist ein Flüchtling – sechs von insgesamt elf. „Wir haben außergewöhnlich gute Erfahrungen mit ihnen gemacht“, sagt Maracke. „Sie sind fleißig und ehrlich.“ Auch die drei Afghanen Zia Hosseini, Mohammad Azizi und Anayat Alizadeh gehören zu seinen Nachwuchshandwerkern.

„Wir müssen uns ein wenig mehr um die Deutschkenntnisse kümmern und im Praktikum etwas mehr Aufwand betreiben“, sagt der Firmenchef. Probleme sieht er keine, allenfalls Herausforderungen. Mit dieser Einstellung will er auch andere Kollegen für die verstärkte Ausbildung von Flüchtlingen gewinnen. Für sein Engagement wurde Maracke von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Nationalen Integrationspreis ausgezeichnet. Er ist der einzige Preisträger, der aus dem Handwerk kommt.

Immer mehr Flüchtlinge in Ausbildung

In Hamburg nimmt die Zahl der Flüchtlinge in einer Ausbildung stetig zu. 450 von ihnen absolvieren gegenwärtig eine duale Ausbildung, wie eine Umfrage des Abendblatts bei der Handels- und Handwerkskammer ergab. Das sind nochmals 30 Prozent mehr als am Jahresanfang. Die meisten kommen aus Afghanistan, Syrien und dem Iran.

Denn nicht nur im August, auch im Fe­bruar kann mit einer Ausbildung begonnen werden. 254 kommen aus dem Bereich der Handelskammer und 196 aus dem Handwerk. „Das Hamburger Handwerk hat nicht lange gezögert, sondern angepackt“, sagt Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Natürlich gehe es darum, Fachkräfte zu gewinnen, aber auch gesellschaftliche Verantwortung habe im Handwerk eine lange Tradition. Im August und September werden im Handwerk weitere 47 Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen.

Tagesablauf streng getaktet

Maracke hat seine ersten Erfahrungen mit Geflüchteten auf dem Marktplatz der Begegnungen gemacht, der Arbeitgeber und Flüchtlinge zusammenbringen soll. „Der Andrang hat mich beeindruckt, die wollen alle so schnell wie möglich arbeiten“, sagt Maracke. „Wir haben immer Bedarf an guten Mitarbeitern.“ Auf einer solchen Veranstaltung lernte er auch Farahani aus Teheran kennen. Es war sein erster Flüchtling, den er als Auszubildenden eingestellt hat. Seit Februar 2016 macht Farahani eine dreijährige Ausbildung zum Maler und Lackierer.

Stolz zeigt er auf seinem Smartphone die Fotos von seinen ersten Prüfungsarbeiten, einer mehrfarbigen grafischen Wandgestaltung. „Dafür habe ich die Note ,Zwei‘ bekommen“, sagt er stolz. Nun hat er auch endlich seine Anerkennung als Flüchtling erhalten. Zweieinhalb Jahre hat er darauf gewartet. Sein Tagesablauf ist streng getaktet. Nach Ausbildung und Arbeit geht er noch dreimal in der Woche in einen Sprachkurs.

Nachhilfeangebote und Sprachkurse sind ein großes Problem. Denn ohne zusätzliche Unterstützung ist der Unterricht in der Berufsschule kaum zu schaffen. „Doch es fehlt an Lehrern“, sagt Gewerbelehrer Volker Wünkhaus, der an der Beruflichen Schule das Fach Holz, Farbe, Textil unterrichtet. „Acht bis zehn unserer Schüler suchen derzeit nach Deutschkursen“, sagt Wünkhaus. Für jeden sechsten Schüler an der Berufsschule ist Deutsch nicht die Muttersprache, aber es sind nicht nur Flüchtlinge. Wünkhaus rechnet mit großen Problemen bei den Abschlussprüfungen. Nicht alle seiner Schützlinge werden es schaffen.

Zwar haben viele Flüchtlinge in ihren Heimatländern als Aushilfen gearbeitet und zeigen handwerkliches Geschick, doch das genügt für eine Ausbildung nicht. Farahani hat sich im Iran sein Studium mit Malerarbeiten finanziert. „Aber mir war klar, dass ich hier noch eine Ausbildung machen muss“, sagt er. „Werkzeuge und Materialien sind neu für mich.“ Die größte Herausforderung bleibt die Sprache. Es gilt, Deutsch so gut zu lernen, dass die Flüchtlinge dem Unterricht in der Berufsschule folgen können.

Deutschkenntnisse sind entscheidend

„Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich die Mitschüler“, sagt Mohammad Azizi. „Die sind alle sehr nett.“ Für Maracke sind praktische Fähigkeiten und Deutschkenntnisse entscheidend. „Die Bewerber müssen mindestens ein B1-Sprachzertifikat vorweisen“, sagt Maracke. „Besser ist aber mit Blick auf die Berufsschule B2. Ich denke, wir müssen da noch strenger werden.“ Denn erst mit den Sprachkenntnissen von B2 werden die Hauptinhalte komplexer Themen zu konkreten und abstrakten Themen verständlich. Im eigenen Spezialgebiet können dann auch Fachdiskussionen geführt werden.

In verschiedenen Kursen werden Flüchtlinge deshalb auf eine Ausbildung vorbereitet. Einer davon ist „Jobstart in der Bauwirtschaft“, der vom Ausbildungszentrum Bau organisiert wird. „Migranten und Geflüchtete im Alter von 18 bis 32 Jahren können hier drei Monate lang die Bauberufe ausprobieren“, sagt Ute Kretschmann von der Handwerkskammer. Zwölf Teilnehmer lernen jetzt seit April Arbeitsabläufe kennen und besuchen begleitend einen berufsbezogenen Sprachkurs. Im Anschluss kann eine Ausbildung oder eine Einstiegsqualifizierung stehen.

Dschungel der Paragrafen

Neben der Sprache gibt es weitere Probleme bei der Ausbildung, denn die Flüchtlingsunterkünfte bieten nicht den Rahmen, um ungestört zu lernen oder sich auf Prüfungen vorzubereiten. Farahani hat bisher in einer Flüchtlingsunterkunft ausgeharrt. „Jetzt habe ich ein eigenes Zimmer in einer WG“, sagt er. Bei der Vermittlung hat die Handwerkskammer geholfen. „Allein haben die Flüchtlinge auf dem Wohnungsmarkt keine Chance“, sagt Maracke. Er wünscht sich auch, dass die Entscheidungen über den Aufenthaltsstatus schneller gefällt werden, macht aber eine Ausbildung davon nicht abhängig. Er vertraut auf die sogenannte 3+2-Formel, die das Aufenthaltsrecht für Asylbewerber während einer dreijährigen Ausbildung und einer zweijährigen Anschlussbeschäftigung sichert.

Ohne seine Sekretärin Jasmin Löbel wäre auch Maracke nur halb so erfolgreich. Denn sie kennt sich inzwischen im Dschungel der Paragrafen aus. Die Flüchtlinge kommen oft zu ihr, wenn sie ein Schreiben vom Amt bekommen haben. „Es gibt viel Unterstützung für Flüchtlinge, aber zu jeder Hilfe auch Voraussetzungen, die man erst einmal kennen muss“, sagt Löbel. „Bis wir das ganze System verstanden haben, hat es eine Weile gedauert.“

Integration bleibt eine Herausforderung

Die Integration der Flüchtlinge in den Hamburger Arbeitsmarkt bleibt jedenfalls eine Herausforderung. Nach den neuesten Zahlen der Arbeitsagentur haben erst 2000 der insgesamt 20.000 Arbeit suchenden Flüchtlinge in der Hansestadt einen Arbeitsplatz gefunden. Vorwiegend in Helferberufen und im Reinigungsgewerbe. Der Iraner Farahani und seine Kollegen haben dank ihrer Ausbildung nun gute Chancen auf besser bezahlte Arbeitsplätze.