Hamburg. Geldinstitut hat zahlreiche Filialen geschlossen – und setzt jetzt auf neue Kundencenter. Eines steht an der Außenalster.

Es riecht noch ganz neu in dem Großraumbüro mit Blick auf die Außenalster. Unten am Eingang weist bisher nicht einmal ein Firmenschild darauf hin, dass hier eines der neuartigen Beratungscenter der Deutschen Bank für den Kundenkontakt per Telefon und Videokonferenz seinen Sitz hat. „Wir fühlen uns wie in einem Start-up“, sagt Silke Sannig, Leiterin des neuen Beratungscenters. Allerdings arbeiten dort insgesamt 93 Personen – nur wenige Neugründungen dürften so groß sein. Fast alle der Beschäftigten haben zuvor in einer der traditionellen Filialen, deren Zahl auch bei der Deutschen Bank abnimmt, gearbeitet. Somit handelt es sich hier nicht um ein Callcenter mit schlecht bezahlten, firmenfremden Angestellten, denen Kompetenzen für den Abschluss von Geschäften fehlen.

An den ersten Tagen nach dem Betriebsstart habe es noch gelegentlich Schwierigkeiten gegeben, dies den Kunden klarzumachen, räumt Sannig ein. „Aber wir können auf alle Daten zugreifen, die auch den Kollegen in den Filialen zur Verfügung stehen, und wir arbeiten zu den gleichen Konditionen.“ Der Altersschnitt der Beschäftigten entspreche ebenfalls dem in den bisherigen Niederlassungen: „Die jüngste Mitarbeiterin hier ist 19, der älteste Kollege steht kurz vor dem Rentenalter.“

1100 telefonische Kontakte pro Tag

Es gibt aber noch einen weiteren augenfälligen Unterschied zu einem typischen Start-up: Die Kleidung ist durchgehend förmlich. Kostüme und Kleider in zurückhaltenden Farben sowie Anzüge und Krawatten bestimmen das Bild, obwohl kein Kunde zur Tür hereinkommen wird. „Wenn man das trägt, was in einer Bank üblich ist, telefoniert man anders, als wenn man Jeans und T-Shirts anhätte“, sagt Sannig dazu. Ihr Team kommt auf rund 1100 telefonische Kontakte mit Privatkunden und 200 mit Geschäftskunden pro Tag – mit steigender Tendenz.

Bevor das Hamburger Beratungszentrum den Betrieb aufnahm, gab es 14 Tage „Trockentraining“ für die Beschäftigten. Doch einiges mussten sie dann erst ausprobieren. „Manche hatten Hemmungen, Kunden schon um 8.30 Uhr morgens anzurufen“, erklärt die Center-Leiterin. Die Scheu habe sich als unbegründet erwiesen, während Telefontermine zwischen 18 und 20 Uhr sowie am Sonnabend sehr beliebt seien – sogar beliebter als erwartet. „Wir haben auch überhaupt kein Problem, Mitarbeiter für den Einsatz am Sonnabend zu finden“, sagt Sannig.

Schrumpfende Kundenfrequenz

Das Beratungszentrum an der Alster ist das zweitgrößte der acht derartigen Einrichtungen, mit denen die Deutsche Bank seit Ende Januar in Hamburg sowie in Berlin, München, Essen, Wuppertal, Leipzig, Mannheim und Mainz an den Start gegangen ist. Mehr als 400 Personen arbeiten in diesem neuen Geschäftsfeld.

Nicht nur der Marktführer, sondern die gesamte Bankenbranche sucht seit einigen Jahren nach der richtigen Antwort auf die schrumpfende Kundenfrequenz in den Filialen. Im Sommer 2016 hatte die Deutsche Bank die Schließung von neun der 28 Niederlassungen in Hamburg bekannt gegeben, in den Monaten davor konkretisierten sich die Pläne für die Telefonberatungs-Standorte.

Radikale Einschnitte in das Niederlassungsnetz

Die Haspa hingegen will ihre Filialen zu Nachbarschafts-Treffpunkten ausbauen, um so auch Menschen hineinzulocken, die im Moment gar kein Bankgeschäft zu erledigen haben. Einen anderen Weg geht die Hamburger Volksbank: Sie erprobt derzeit ein Beratungsbüro, das mit nur noch einer Person besetzt ist und keinen Kassenschalter mehr hat, ergänzt durch Hausbesuche bei den Kunden.

Besonders radikale Einschnitte in das Niederlassungsnetz hat in den vergangenen Jahren die HypoVereinsbank vorgenommen, sie gilt dafür aber als Pionier der Online-Beratung per Videochat und hat schon 2012 damit begonnen. Bei der Commerzbank können sich Neukunden direkt am Smartphone oder Tablet mit ihrem Personalausweis legitimieren, der Gang zur Postfiliale für das Postident-Verfahren kann entfallen.

Erweiterte Filialöffnungszeiten

In der Branche gibt es zudem schon seit längerer Zeit punktuell Versuche mit erweiterten Filialöffnungszeiten. Voraussetzung für die Einrichtung der Deutsche-Bank-Beratungszentren in diesem Jahr war aber ein spezieller Tarifvertrag, der zunächst bis Ende 2019 befristet ist. Anfangs sei die Gewerkschaftsseite nicht begeistert über die Wünsche des Konzerns gewesen, sagt Michael Börzel, bei Ver.di in Hamburg für Banken zuständig: „Wir wollen nicht, dass die Regelarbeitszeit auf den Sonnabend ausgedehnt wird, eine generelle Öffnung lehnen wir ab.“

In dem mit der Deutschen Bank für die Beschäftigten der neuen Zentren ausgehandelten Vertrag seien aber „etliche Faktoren enthalten, die beiden Seiten nützen“, erklärt Börzel. So habe man für den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags eine Vorruhestandsregelung, die zuvor weggefallen war, wieder einführen können. Auch wegen der Wochen­end-Gehaltszuschläge sei das ausgehandelte Gesamtpaket „teuer für die Deutsche Bank“. Vor allem aber, so Börzel, sei der Einsatz am Sonnabend für die Beschäftigten freiwillig.

Auch Videoberatungen sind möglich

Gerade die erweiterten Beratungszeiten sind aber für den Konzern das zentrale Argument für das neue Angebot. Die Mitarbeiter in den Filialen wiesen ihre Kunden aktiv auf die Möglichkeit hin, nun auch am Sonnabend und bis 20 Uhr mit einem Berater der Deutschen Bank sprechen zu können, sagt Stefan Knoll, Mitglied der Geschäftsleitung Region Nord. Denn die Bank verstehe die neuen Zentren ausdrücklich nicht als Alternative oder Konkurrenz zu den klassischen Niederlassungen, sondern als Ergänzung. Erleichtert wird die Kooperation dadurch, dass die Beschäftigten der Beratungscenter aus den Filialen der jeweiligen Region kommen und gute Kontakte zu den Mitarbeitern dort haben.

Ein Beispiel für die Verzahnung ist die Form der Videoberatung. Sie erfolgt nicht im Großraumbüro mit den in blau-violetten Tönen gehaltenen Trennwänden – die Farben sollen beruhigend wirken – und viel hellem Holz. Der jeweilige Berater setzt sich dazu in einen mit Milchglasscheiben abgeschirmten Bereich. Der Kunde, der beispielsweise über eine Baufinanzierung sprechen möchte, muss für den Videochat allerdings noch in eine Filiale gehen. Erst im Lauf des zweiten Halbjahrs sollen die Kunden für die Videoberatung zu Hause bleiben können.

Keine Kompromisse bei der Sicherheit

„Wir haben den Anspruch, auch bei der Sicherheit keine Kompromisse zu machen“, erklärt Knoll diesen ersten Zwischenschritt. In dieser Hinsicht zeigt sich die Deutsche Bank eben doch wesentlich konservativer als etwa ein Start-up aus der FinTech-Szene. In die Umgangsformen jedoch kommt Bewegung: „Wir fangen an, unseren Kunden zum Teil auch das Du anzubieten. Unsere Mitarbeiter haben ein gutes Gespür dafür, bei welchen Kunden das auf Gegenliebe stößt“, sagt Sannig. „Dann ist es die Jenny, die mit dem Thomas telefoniert.“