Hamburg. Cord Wöhlke und seine Kinder Julia und Christoph erzählen im Abendblatt, was sie mit der Hamburger Drogeriemarktkette vorhaben.
Heftige Preiskämpfe und immer neue Filialen der Konkurrenz: Lange befand sich die Drogeriemarktkette Budnikowsky gegenüber den zehnmal größeren Wettbewerbern Rossmann und dm in der Defensive. Doch nun wollen die Hamburger mit dem Partner Edeka auf Angriff schalten. Ein Gespräch mit Budni-Chef Cord Wöhlke (67) und seinen Kindern Christoph (39) und Julia (36), die gemeinsam das Familienunternehmen führen.
Herr Wöhlke, Sie haben stets großen Wert auf die Unabhängigkeit von Budnikowsky gelegt. Nun gehen Sie ein Bündnis mit dem Milliardenkonzern Edeka ein. Wie passt das zusammen?
Cord Wöhlke: Das passt sehr gut zusammen. Denn wir werden ja auch in Zukunft unseren eigenen Weg mit unseren Budni-Filialen gehen. Zusätzlich ziehen wir durch das Bündnis mit Edeka Vorteile im Einkauf, bei der Beschaffung. Das ist eine notwendige Entscheidung, um Budni gut und sicher in die Zukunft zu führen.
Was ist der konkrete Anlass für das Einkaufsbündnis mit Edeka gewesen?
Cord Wöhlke: Einen ganz konkreten Anlass gab es nicht, das war ein Prozess. Wir haben ja schon länger große Nachteile bei den Einkaufskonditionen gegenüber unseren mächtigen Konkurrenten. Und uns war schon länger klar, dass wir das ändern müssen. Wenn wir nun zusammen mit Edeka deutlich mehr Volumina einkaufen, dann sinken auch die Preise der Lieferanten. Das hilft uns auf der Kostenseite. Denn der Wettbewerb auf dem Drogeriemarkt ist knallhart.
Wie groß sind derzeit die Nachteile im Einkauf gegenüber dm und Rossmann?
Christoph Wöhlke: Das kann man nicht pauschal sagen. Es gibt Lieferanten, bei denen wir Nachteile von zehn Prozent und mehr haben.
Haben Sie in der Familie kontrovers über das Bündnis mit Edeka diskutiert? Oder waren Sie sich sofort einig?
Cord Wöhlke: Wir konnten ja in der Familie alle sehen, dass sich unsere betriebswirtschaftlichen Kennzahlen in den vergangenen Jahren nicht gerade positiv entwickelt haben. Deshalb haben wir schon vor rund eineinhalb Jahren erste Gespräche mit Edeka geführt. Aber so ein Prozess dauert eben seine Zeit. Sicherlich haben wir innerhalb der Familie auch über Alternativen gesprochen …
… über einen Verkauf?
Cord Wöhlke: Es gab Angebote. Aber wir als Familie stehen dafür, dass Geld eben nicht alles ist. Wir fühlen eine soziale Verantwortung. Schließlich geht es vor allem um Menschen, um Arbeitsplätze und um eine Tradition, die wir nicht verkaufen wollen.
Sie wollen über die neue Gesellschaft günstiger einkaufen – was planen Sie noch im Zuge des Edeka-Bündnisses?
Christoph Wöhlke: Letztlich bündeln wir ja in der neuen Gesellschaft mit Edeka unsere Dienstleistungen für den gesamten Vertrieb. Wir kaufen zusammen ein, koordinieren das Marketing – und alle Filialen profitieren davon. Sowohl die bisherigen Budni-Filialen, die zu 100 Prozent weiter uns gehören werden, als auch neue Drogeriefilialen, die unser Partner Edeka eröffnen wird, die unabhängig von uns agieren und an denen wir keine Anteile halten werden.
Werden die von Edeka geführten Filialen auch unter dem Logo Budni laufen?
Christoph Wöhlke: Da müssen Sie die Edeka-Verantwortlichen fragen. Das ist am Ende ihre Entscheidung – die Option gibt es auf jeden Fall.
Das heißt, es könnte bundesweit Budni-Filialen geben, auf deren Entscheidungen Sie keinen Einfluss mehr haben?
Christoph Wöhlke: In puncto Einfluss ist es tatsächlich genau so. Edeka ist jedoch nicht umsonst unser Partner. Mit ihm wissen wir, dass ein Angebot geschaffen wird, das unserem Anspruch entspricht und die Kundenerwartungen erfüllt.
Sehen Sie darin nicht die Gefahr, dass die Marke Budni beschädigt wird? Wenn zum Beispiel externe Kaufleute die Filialen nicht in Ihrem Sinne führen.
Cord Wöhlke: Ich sehe darin eher eine Chance. Denn der mögliche Wettbewerb zwischen den dann verschiedenen Budni-Filialen wird gut für die Kunden sein. Warum müssen die Filialen alle identisch sein – bei der Warenpräsentation, im Sortiment? Zudem unterscheiden sich unsere heutigen Budni-Filialen ja auch schon voneinander.
Christoph Wöhlke: Übrigens wird es ja nicht nur neue Filialen unter Edeka-Führung, sondern auch unter unserer Führung geben. Wir wollen allein im kommenden Jahr zehn neue Filialen eröffnen.
Jenseits der Metropolregion Hamburg?
Cord Wöhlke: Das ist denkbar. Allerdings müssen wir uns zunächst ganz genau den Markt anschauen, wo sich ein Investment lohnt.
Also geht Budni künftig auch in Großstädte wie Berlin, München und Köln?
Cord Wöhlke: Budni in Berlin kann ich mir gut vorstellen. Ich habe schon viele Anfragen bekommen, warum wir noch nicht in der Hauptstadt vertreten sind. Konkrete Standorte kann ich aber noch nicht nennen. Grundsätzlich sehen wir unsere Stärken vor allem in Metropolen – allein schon durch die Erfahrung in Hamburg.
Planen Sie weitere Filialen über das Jahr 2018 hinaus?
Cord Wöhlke: Ja, auf jeden Fall. Wir werden jetzt selbstbewusst in die Offensive gehen. Ab 2018 wollen wir jedes Jahr zehn eigene neue Filialen eröffnen – dazu kommen die Edeka-Filialen. Also der Drogeriemarkt in Deutschland wird sich durch unser Engagement deutlich verändern.
Aber der Markt ist doch dicht, und es herrscht ein Verdrängungswettbewerb.
Cord Wöhlke: Wo herrscht der nicht? Vor dem Wettbewerb haben wir keine Angst. Vor allem mit unserem starken Partner Edeka im Rücken.
Wer hat in Ihrer neuen, gemeinsamen Gesellschaft künftig das Sagen?
Christoph Wöhlke: Edeka hält an der Format und Service-Gesellschaft, die Anfang März 2018 an den Start geht, zunächst 25,1 Prozent, 74,9 Prozent liegen bei unserer Familie.
Aber Edeka kann auf 74,9 Prozent aufstocken und Sie von der Spitze verdrängen. Warum haben Sie das akzeptiert?
Christoph Wöhlke: Die Anteile in der Gesellschaft verschieben sich je nachdem, wie stark die Partner mit eigenen Drogeriemärkten expandieren. Das ist aus unserer Sicht nur fair.
Wie viele Mitarbeiter von Budni werden denn voraussichtlich in die neue Gesellschaft wechseln?
Julia Wöhlke: Das betrifft die Mitarbeiter aus unserem Logistikzentrum in Allermöhe sowie diejenigen, die in der Wandsbeker Zentrale zum Beispiel für Marketing und Einkauf verantwortlich sind. Insgesamt sind das etwa 250 Beschäftigte.
Ändert sich etwas für diese Mitarbeiter?
Julia Wöhlke: Nein, die Verträge bestehen weiter wie bei einem Betriebsübergang üblich.
In welchem wirtschaftlichen Zustand geht Budni in die „Ehe“ mit Edeka? Zuletzt mussten Sie Verluste ausweisen.
Julia Wöhlke: Wir haben ein hartes, aber auch gutes Jahr hinter uns, das wir nutzen konnten, um die Kosten zu senken und diverse Geschäftsprozesse etwa im Einkauf oder in der Logistik zu optimieren. Wir gehen davon aus, dass wir nach zwei Verlustjahren wieder mit einem positiven operativen Ergebnis im Geschäftsjahr 2016/17 rechnen können.
Schreiben Sie auch unterm Strich wieder schwarze Zahlen?
Julia Wöhlke: Für 2016/17 befinden wir uns zurzeit in den Jahresabschlussarbeiten, sodass ich hierzu noch keine genaue Aussage treffen kann. Spätestens 2017/18 werden wir unterm Strich wieder in die Gewinnzone zurückkehren.
Und der Umsatz?
Julia Wöhlke: 2015/16 haben wir ein leichtes Umsatzplus von zwei Prozent auf rund 430 Millionen Euro erzielen können. 2016/17 waren die Erlöse weitgehend stabil.
Die geplante Expansion dürfte teuer werden. Drückt Sie das wieder in die Verlustzone?
Julia Wöhlke: Nein, wir sind jetzt so gut aufgestellt, dass wir das kommende Wachstum gut schultern und zukünftig wieder Gewinne erwirtschaften können.
In der schwierigen Phase mussten die Mitarbeiter auf ihre Lohnerhöhungen verzichten. Ist die Zeit der Einsparungen im Personalbereich jetzt vorbei?
Julia Wöhlke: Auch in der schwierigen Phase haben wir unseren rund 2000 Mitarbeitern noch Leistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt. In diesem Jahr wird es auch wieder eine Gehaltserhöhung geben, bei der wir uns an den Tarifen des Einzelhandels orientieren. Die Mitarbeiter haben den zurückliegenden Prozess sehr gut mitgetragen, dafür müssen wir uns bedanken. In schwierigen Zeiten wächst die Familie zusammen, wie man so schön sagt.
Herr Wöhlke, Sie sind mit Ihrer Schwester in einer heiklen Phase in die Geschäftsleitung eingestiegen. Hätten Sie sich einen leichteren Start gewünscht?
Christoph Wöhlke (lacht): Bei mir sind in den letzten zwei Jahren schon einige graue Haare dazugekommen. Aber so eine Umbruchsituation bietet auch viele Chancen, um beispielsweise alte Vorgehensweisen zu hinterfragen. Sich ins gemachte Nest zu setzen ist schön, sich das Nest selbst gestalten zu können ist noch schöner. Wir haben jetzt die Voraussetzungen geschaffen, um den künftigen Herausforderungen, etwa im Onlinehandel, besser gewachsen zu sein.
Julia Wöhlke: Die vergangenen zwei Jahre haben uns wachgerüttelt. Es war auch eine Chance, die eine oder andere Trägheit abzulegen und Dinge neu zu strukturieren.
Da Sie gerade den Onlinehandel ansprachen: Können die Kunden bei Budni künftig auch im Internet einkaufen?
Christoph Wöhlke: Dazu kann ich noch nichts sagen. Die Frage ist, was der Kunde will. Im Moment können Bestände aller Filialen über unsere Smartphone-App abgerufen werden.
Herr Wöhlke, es sieht so aus, dass Ihre Kinder im Unternehmen mehr und mehr die Federführung übernehmen. Ist dieser Eindruck richtig?
Cord Wöhlke: Wir schlagen jetzt ein neues Kapitel in der Budni-Geschichte auf, und da ist es richtig, wenn die nächste Generation die operative Führung übernimmt. Mittlerweile führen ja nicht nur Julia und Christoph die Geschäfte, sondern auch mein jüngster Sohn Nicolas. Er ist für die Beschaffung zuständig und wird daher auch eine wichtige Rolle im Gemeinschaftsunternehmen mit Edeka spielen. Wie wir die Zuständigkeiten künftig genau aufteilen, haben wir aber noch nicht entschieden.
Sie selbst bleiben aber weiter an Bord?
Cord Wöhlke: Aus der operativen Arbeit werde ich mich nach und nach zurückziehen. Spätestens 2019 werde ich aus der Geschäftsführung ausscheiden. Dann bin ich 70 und will auch noch etwas anderes machen.
Was denn genau?
Cord Wöhlke: Ich habe einige geschäftliche Ideen. Vielleicht engagiere ich mich mehr gesellschaftspolitisch. Als Gesellschafter bleibe ich Budni aber ohnehin erhalten. Sie wissen doch: Man geht niemals so ganz.