Hamburg. Im Interview wehrt sich Asklepios-Gründer Bernard große Broermann gegen Vorwürfe aus der Politik und nennt erstmals Zahlen.
Zum Termin beim Hamburger Abendblatt kommt Bernard große Broermann (73) mit einem Stapel Papiere. Der Gründer der Asklepios Kliniken hat sich über die Vorwürfe gegen sein Unternehmen so sehr geärgert, dass er nun zu einem seiner seltenen Interviews bereit ist. Auch im Abendblatt hatten Politiker mehrerer Parteien kritisiert, dass große Broermann den Senat beim Kauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) 2004 über den Tisch gezogen habe.
Herr große Broermann, wir dürfen Ihnen zum besten Geschäft Ihres Lebens gratulieren. Kritiker haben vorgerechnet, dass Sie 2004 nur 19 Millionen Euro aus vorhandenem Vermögen für ein Klinik-Imperium gezahlt haben, das heute mehr als eine Milliarde Euro wert ist.
Bernard Große Broermann: Solche Zahlenspiele sind absoluter Unsinn. Richtig ist: Hamburg – und damit der Steuerzahler – hat mit dem Verkauf der Krankenhäuser ein gutes Geschäft gemacht.
Das sieht der aktuelle Senat offensichtlich anders. Die Finanzbehörde hat dem Abendblatt jedenfalls noch im Dezember erklärt: „Dieser Senat hat den Verkauf des LBK politisch immer für falsch gehalten und tut dies heute auch noch.“
Diese Aussage dürfte sich auf die damalige Grundhaltung der SPD zur Frage des Verkaufs des LBK beziehen. Die Finanzbehörde selbst war damals unter dem CDU-geführten Senat Treiber für den Verkauf und hat bei den Verhandlungen eine hervorragende Bewertung für die Stadt erreicht.
Wie viel haben Sie denn nun gezahlt?
Der vertragliche Kaufpreis betrug 318 Millionen Euro für 74,9 Prozent des LBK. Dies entspricht 424,6 Millionen Euro für eine Bewertung von 100 Prozent des LBK. Dazu kamen übernommene Schulden und Pensionsverpflichtungen von zusammen 153 Millionen Euro. Dazu waren wir verpflichtet, die Kliniken Rissen und Bad Schwartau, die uns bereits gehörten, als Sacheinlage in die Transaktion einzubringen. Diese Einbringung wurde von uns mit einem Wert von 74 Millionen Euro garantiert. Davon entfiel automatisch ein Anteil von 25,1 Prozent an die Stadt, mithin 19 Millionen Euro. Das ergibt zusammen eine Bewertung von 597 Millionen Euro für 100 Prozent des LBK, ohne Berücksichtigung der anderen Lasten, die in diese Bewertung aufzunehmen waren.
Von welchen Lasten reden Sie?
Wir reden hier über einen Betrieb, der rund 100 Millionen Euro Verlust im Jahr gemacht hat. Diese Verluste mussten wir nach und nach verringern. Wir hatten kalkuliert, dass bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Hamburger Häuser erstmals schwarze Zahlen schreiben könnten, 500 Millionen Euro Verluste auflaufen würden. Um die Ergebniswende zu erreichen, waren zusätzlich erhebliche Investitionen in die Einrichtungen notwendig, um den über die Jahre aufgebauten Sanierungsstau aufzulösen. Die dafür notwendigen Eigenmittelinvestitionen hatten wir seinerzeit mit 300 Millionen Euro angesetzt. Insgesamt sprechen wir also von zusätzlichen 800 Millionen Euro, die wir neben dem Kaufpreis, den Schulden und Pensionslasten sowie unserer Sacheinlage aufbringen mussten. Das entsprach 1,4 Milliarden Euro und somit einer sehr hohen Unternehmensbewertung.
Sie klingen fast so, als hätten Sie sich Schrottimmobilien aufschwatzen lassen.
Fakt ist, dass die Übernahme des LBK für uns mit erheblichen unternehmerischen Risiken verbunden war. Ich nenne nur zwei Beispiele. Im AK St. Georg mussten Patienten zum Röntgen über die Straße transportiert werden, bei jedem Wetter. In allen Kliniken war die IT-Infrastruktur völlig heruntergekommen. Da hingen die Kabel lose rum, ich hatte jeden Tag Angst, dass uns das alles zusammenbricht. Asklepios hat seit der Übernahme mehr als 600 Millionen Euro Eigenmittel investiert, um die Kliniken auf Vordermann zu bringen.
Warum haben Sie es dann überhaupt gekauft?
Vor allem, weil der LBK für uns als Klinik-Gruppe damals eine gute Ergänzung und ein strategisch wichtiger Schritt nach vorn gewesen ist. Uns fehlten damals große Maximalversorger. Sie brauchen eine gewisse Unternehmensgröße, um etwa beim Einkauf, in der IT und in anderen Bereichen rentabler arbeiten zu können. Zudem ist Hamburg ein sehr attraktiver Standort. Der Kauf war auch für Asklepios wichtig und gut.
In der Tat. Sie schreiben eine Rendite von zwölf Prozent.
Die von Ihnen zitierte Zahl ist unsere sogenannte Ebitda-Marge und wird von Kritikern immer gern verwendet, um den Eindruck zu vermitteln, wir hätten eine Gewinnmarge von zwölf Prozent. Das ist aber falsch. Davon gehen noch erhebliche Beträge für Abschreibungen, Zinsen und Steuern ab. Unsere Gewinnmarge liegt in etwa bei der Hälfte, also bei knapp sechs Prozent – und damit auf einem Niveau, das zwar ordentlich ist, aber keinen Spitzenwert in unserer Branche darstellt.
Aber die Hamburger Häuser sind heute mindestens eine Milliarde Euro wert.
Wahrscheinlich liegt der Wert bei 1,2 Milliarden Euro. Aber das ist auch der Nullzinspolitik von Mario Draghi geschuldet, die sich positiv auf die Bewertung aller Unternehmen auswirkt. Aber wo ist das Problem? Zum einen lag unsere Gesamtbewertung bei rund 1,4 Milliarden Euro. Und die Stadt besitzt statt eines sanierungsbedürftigen Klinikbetriebs mit einem enormen Zuschussbedarf nun einen Anteil von 25,1 Prozent an modernen Krankenhäusern und einem insgesamt gesunden Unternehmen. Asklepios hat 32 Prozent mehr Patienten und 28 Prozent mehr Mitarbeiter als der einstige LBK. Und jeder erwirtschaftete Cent ist bislang wieder in das Unternehmen zurückgeflossen, um die Krankenhäuser noch besser zu machen. Unsere Mitarbeiter machen einen sehr guten Job und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung hier in Hamburg, das darf an dieser Stelle auch einmal gesagt werden.
Dennoch hat die Linke einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gefordert. SPD, Grüne und Linke in der Bürgerschaft haben erreicht, dass die Abgeordneten die Verträge erneut einsehen können.
Mag sein. Aber ich möchte noch einmal daran erinnern, dass der Verkauf 2004 international ausgeschrieben wurde. Schon damals waren Krankenhäuser sehr begehrt. Dennoch hat außer uns nur noch Mitbewerber Helios ein Angebot abgegeben, die anderen haben sich nicht getraut, einen solchen Betrieb zu übernehmen. Und wie ich höre, lagen Helios und wir beim Angebot nicht weit auseinander. Der Kaufpreis war also sehr wohl realistisch und wurde von zwei unabhängigen Bewerbern ähnlich eingeschätzt. Die Stadt hat nichts verschenkt.
Dennoch irritieren Details. So überlässt Ihnen die Stadt die Grundstücke, auf denen die Krankenhäuser stehen, für 60 Jahre pachtfrei.
Das ist auch so ein Punkt, der häufig falsch dargestellt wird. Wenn Sie Akutkliniken kaufen, zahlen Sie normalerweise überhaupt keinen Erbbauzins. Die Immobilien werden mit dem Kaufpreis abgegolten. Der für uns verbleibende Erbbauzins ist somit eine Doppelbezahlung. Ich erinnere mich noch genau an die nächtlichen Verhandlungen mit dem Liegenschaftsamt. Ich war damals kurz davor zu sagen, dann lassen wir es eben ganz. Zudem haben wir nur die betriebsnotwendigen Grundstücke aus dem damaligen LBK-Bereich übernommen, ziemlich exakt die Fläche, auf denen die Krankenhäuser stehen. Der Rest ging an die Stadt, die das nun für Wohnungsbau nutzt. Die uns zur Verfügung gestellte Fläche war so knapp bemessen, dass wir sogar weitere Grundstücke von der Stadt zurückkaufen mussten, etwa um unsere Unternehmenszentrale in Hamburg bauen zu können. Darauf hatte die Stadt bestanden.
Kritisiert wird auch, dass die von der Stadt entsandten Aufsichtsräte nur Marionetten seien. Laut Vertrag haben sie keine Chance, eine Geschäftsführung, die von Ihnen eingesetzt wird, abzulehnen. Außerordentlich kommod für Sie …
Das ist nicht kommod, sondern der einzige gangbare Weg. Kein vernünftiger Mensch würde sich auf das Risiko einlassen, einen solch hoch verschuldeten Betrieb zu kaufen und zu sanieren, wenn er nicht die Geschäftsführung bestimmen kann. Anders wäre der LBK nicht verkäuflich gewesen.
Laut Vertrag musste sich die Stadt sogar verpflichten, ihre Aufsichtsratsmitglieder abzuberufen, wenn sie gegen das Management votieren. Und Sie als Investor dürfen entscheiden, welche Räte die Stadt dann entsenden darf. Der Verband der kommunalen Krankenhäuser sagt, dass der Staatsanwalt wegen solcher Absprachen Ermittlungen einleiten müsste.
Schon der Gesetzgeber sieht vor, das der Mehrheitsgesellschafter die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitgeberseite bestimmt. Der Senat hatte darauf bestanden, dass die Stadt drei Aufsichtsräte entsenden darf, wir fünf. Dazu kommen in dem paritätisch besetzten Aufsichtsrat acht Vertreter von der Arbeitnehmerseite. Ohne solche Regelungen könnten wir gegen den Willen der Stadt und der Arbeitnehmer keine Geschäftsführung einsetzen, die wir für geeignet halten, obwohl wir das milliardenschwere Risiko tragen. Das kann doch niemand ernsthaft von uns verlangen.
Haben Sie in den vergangenen Jahren schon mal einen von der Stadt entsandten Aufsichtsrat abberufen?
Im Gegenteil, auf ultimativen Wunsch der Stadt haben wir den ersten Geschäftsführer abberufen, obwohl er aus unserer Sicht einen guten Job bei der Sanierung gemacht hat. Ansonsten haben wir bis jetzt alle anstehenden Fragen einvernehmlich gelöst.
Wären Sie bereit, der Stadt ihren Anteil abzukaufen? Dann wären Sie alleiniger Eigentümer.
Grundsätzlich wären wir bereit, alle Anteile zu übernehmen, aber die Frage stellt sich im Moment nicht.
Die Bevölkerung interessiert ungleich mehr die Qualität Ihrer Häuser. Und laut einer Studie der Techniker Krankenkasse schneidet Asklepios bei der Patientenbefragung deutlich schlechter ab als andere große Hamburger Kliniken. Kleinere Häuser sind sogar viel besser.
Laut einer anderen unabhängigen Studie von „Focus Money“ genießt Asklepios unter allen untersuchten Krankenhausbetrieben in Deutschland bei der Bevölkerung den besten Ruf.
Das ändert aber nichts daran, dass Ihr Krankenhaus in Wandsbek in dem Ranking der TK mit einem Wert von 54,5 dramatisch schlecht abgeschnitten hat. Ihr Haus ist absolutes Schlusslicht in Hamburg. Zum Vergleich: Das UKE hat einen Wert von 85,3.
Unser Haus in Wandsbek ist ein Sonderfall. Das haben wir jetzt über acht Jahre für 150 Millionen Euro im laufenden Betrieb saniert. Die Klinik wurde Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre gebaut, da gab es noch Toiletten und Duschen auf dem Flur. Wir mussten dort Kernbohrungen aus dem neunten Stock bis runter in den Keller machen, um Nasszellen in den Zimmern unterzubringen. Wenn Sie dieses Geräusch hören, denken Sie, neben Ihnen startet ein Airbus. Klar, dass sich das auf die Patientenzufriedenheit auswirkt. Ich bewundere unsere Mitarbeiter, dass sie das über so viele Jahre ausgehalten haben. Aber es ging nicht anders, da die Stadt uns keine Ausgleichsfläche für einen Neubau zur Verfügung stellen wollte. Wir haben den Umbau jetzt noch einmal beschleunigt, sodass wir im Bettenhaus Ende des Jahres durch sind. Dann werden wir sehr gute Räumlichkeiten haben, und ich bin mir sicher, die Zufriedenheit wird sich verbessern.
Abseits aller Studien bleibt festzuhalten, dass es Hygieneprobleme in Ihren Häusern gab. Auch das Abendblatt hat darüber berichtet.
Das kann ich so nicht stehen lassen. In jedem großen Krankenhaus passieren leider Fehler. Es gibt aber überhaupt keinen Grund anzunehmen, wir hätten in unseren Häusern grundsätzliche Hygieneprobleme. Im Gegenteil: Im jüngsten Hygienebericht der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz haben wir sehr gut abgeschnitten.
Irgendwie scheinen Ihre Anstrengungen nicht wirklich in Hamburg anzukommen. Das Asklepios-Image ist belastet. Was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass sich die Bürger im Volksentscheid gegen den Verkauf ausgesprochen hatten, der damalige Senat hat das einfach ignoriert.
Wie gesagt, es gibt auch andere Studien. Die Patientenbefragungen, die wir in unseren Häusern kontinuierlich durchführen, weisen eine äußerst niedrige Beschwerdequote und eine sehr hohe Weiterempfehlungsquote aus. Zum Thema Volksentscheid kann ich nur sagen, dass ich diese grundsätzlich befürworte, aber auch nicht in jedem Fall. Als ich hier zu ersten Gesprächen in Hamburg war, dachte ich, es wäre Bürgerschaftswahl, da überall Plakate hingen. Aber da stand nur drauf „Gesundheit ist keine Ware“. Das sehe ich im Grundsatz auch so. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Krankenhäuser wirtschaftlich arbeiten müssen, um die notwendigen hohen Investitionen in die Häuser zu leisten, wenn sich der Staat gleichzeitig immer weiter aus seinen Investitionsverpflichtungen zurückzieht. Es gibt im Übrigen nur wenige Experten, die daran zweifeln, dass private Eigentümer das in der Regel besser hinbekommen als öffentliche.
Ein erster Beitrag zur Vertrauensbildung könnte sein, dass Sie die Verträge komplett ins Internet stellen.
Die Akten waren 2005 und 2007 für die Fraktionen und 2011 für die zuständigen Senatoren einsehbar gewesen. Somit hatten alle politisch Verantwortlichen ausreichend Zeit, diese in Ruhe zu analysieren und sich dazu zu äußern. Wenn nach zwölf Jahren die Akten nun wieder von der Bürgerschaft eingesehen werden sollen, bitte. Wir haben nichts zu verbergen. Ich kann dahinter aber ebenso wenig den Sinn verstehen wie in dem Wunsch, die Verträge ins Internet zu stellen. Im Übrigen wird aus den Akten erneut deutlich werden, dass Asklepios nach Ansicht der beteiligten Experten das beste Angebot für die Stadt Hamburg unterbreitet hat.