Hamburg. Dieter Pfaff machte die Anwaltsserie groß. Jetzt werden neue Folgen mit Sabine Postel und Herbert Knaup gedreht. Wie es am Set zugeht.
Hamburg kann TV-Serien, besonders die Dauerbrenner. Das „Großstadtrevier“ läuft seit 1984, die „Pfefferkörner“ seit 1999 und „Neues aus Büttenwarder“ seit 1997. Ebenfalls schon lange gefällt den Zuschauern „Die Kanzlei“. Die Anwaltsserie ist die Fortsetzung von „Der Dicke“, die 2005 erstmals ausgestrahlt wurde. Die bislang letzte „Kanzlei“-Folge lief im Januar und wurde von 4,55 Millionen Zuschauern gesehen. Zurzeit entstehen in Hamburg gerade neue Folgen, die noch vor Weihnachten ins Programm kommen. Ein Besuch bei den Dreharbeiten in der Neustadt.
Das Oberlandesgericht am Sievekingplatz ist an diesem Sonntag leer bis auf die Filmcrew. Auf dem Flur wird gerade gedreht. Die Anwälte Isabel von Brede (Sabine Postel) und Markus Gellert (Herbert Knaup) sprechen leise miteinander. Sabine Postel kann man kaum verstehen, so stark ist sie erkältet. Im Plenarsaal nebenan hat sich die Crew einquartiert. Regisseur Marcus Weiler blickt konzentriert auf den Monitor. Um ihn herum liegen Requisiten wie Aktenberge und zwei Exemplare der „Juristen-Bibel“ der Gesetzessammlung Schönfelder. In den Regalen vor ihm stehen jede Menge authentische Gerichtsbücher mit Titeln wie „Verhandlungen zwischen Bürgerschaft und Senat 1956“.
Einige Tage vorher – Postel konnte sich noch gut artikulieren – wurde in der Kanzlei selbst gedreht. Sie liegt nur einen Steinwurf entfernt an der Kaiser-Wilhelm-Straße in der Nähe des Brahms-Platzes und bildet zusammen mit dem Oberlandesgericht eine Art Achse der Gerechtigkeit. Mittlerweile habe man sich an die Location gewöhnt, auch wenn sie nicht erste Wahl war, so Postel. „Wir hatten uns ursprünglich eine Location gewünscht wie einen Hinterhof in der Schanze, wo die Leute, die wir als Klienten haben, auch um uns herum sind.“
Zunächst war alles auf Dieter Pfaff zugeschnitten
Es geht in dieser Folge um ein junges Paar, das ein Kind bekam, weil es zunächst nicht wusste, dass sie Bruder und Schwester sind. Die Szene, die an diesem Tag gedreht wird, zeigt die Kanzlei-Mitarbeiter erschöpft nach dem Ende der Gerichtsverhandlung. Die Serie hat eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Zunächst war alles auf Dieter Pfaff zugeschnitten. Er hatte die Serie kreiert, sie auf sich als Anwalt Ehrenberg schreiben lassen und auch auf die Drehbücher großen Einfluss genommen. „Er war die Seele und der Mittelpunkt der Geschichten“, erinnert sich Sabine Postel. 2009 kam sie als seine Sozia dazu, weil er sich eine Partnerin wünschte. Dann wurde Pfaff krank. Postel machte zunächst allein weiter, Herbert Knaup kam als neuer Anwalt hinzu, zunächst als Aushilfe.
Als Pfaff 2013 starb, war die Ratlosigkeit groß. Sollte man die Serie einschlafen lassen oder mit einem anderen Hauptdarsteller weitermachen? „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es ohne ihn funktioniert“, sagt Postel. Es gab ein großes Casting für einen möglichen Nachfolger. Man wollte niemanden, der Pfaff ähnlich war – und entschied sich für Knaup. „Herbert ist völlig anders als der eher gemütliche Dieter. Er ist groß, schlaksig und kann skurril wirken. Deshalb können wir auch manchmal glaubhaft ein anderes Erzähltempo einschlagen.“
Drehbuchautor setzt Heimatstadt in gutes Licht
Man entschied sich dann, Pfaffs Figur Ehrenberg in der Serie sterben zu lassen. „Es war eine harte Entscheidung für die Kollegen, das spielen zu müssen. Sie kannten Dieter ja über Jahre“, sagt Knaup. Über seinen Charakter Markus Gellert erzählt er: „MG redet wie ein Maschinengewehr. Er ist ein Hallodri, hat mehrere Ehen hinter sich, lebt in einer Patchwork-Familie mit mehreren Kindern, schwärmt für Luxusgüter, hat nie Geld, ist aber ein sehr guter Anwalt.“
Sabine Postel glaubt, der Erfolg der „Kanzlei“ liege auch in ihrem Konzept begründet. „Wir sind nicht nur eine Anwaltserie. Unsere Geschichten spielen oft im Milieu der Unterprivilegierten und der kleinen Leute, um die sich sonst keiner kümmert. Es sind Menschen, die vor Gericht keine guten Chancen haben, weil sie sich selbst nicht gut wehren und sich keine teuren Anwälte leisten können. Ich glaube, das gefällt den Zuschauern.“ Hinzu kommt die familiäre Atmosphäre, die die Anwälte mit ihren Mitarbeitern, gespielt von Sophie Dal und Katrin Pollitt, verbindet. Sämtliche Drehbücher stammen vom Hamburger Drehbuchautor Thorsten Näter, der auch nicht vergisst, seine Heimatstadt in ein gutes Licht zu setzen.
Sabine Postel, die von vielen Zuschauern wegen der unprätentiösen Ehrlichkeit in ihren Rollen geschätzt wird, hat gerade den Abschied von ihrer anderen Dauerrolle, der Kommissarin Inga Lürsen im Bremer „Tatort“, angekündigt – nach mehr als 20 Jahren. Mit der „Kanzlei“ fühlt sie sich immer noch verbunden, auch wegen ihres verstorbenen Kollegen. „Mit Dieter verband mich eine meiner engsten beruflichen Freundschaften. Weil ich ihn so gemocht habe, versuche ich, dieses Erbe weiterzutragen.“