Hamburg. Taxifahren ist ab Juni teurer in Hamburg, im Schnitt um 6,7 Prozent. Bernd Meyn hat in seinen 26 Jahren hinterm Steuer viel erlebt.

Nachmittags auf den Straßen der Großstadt: Die Hauptverkehrsadern sind bereits verstopft, auf anderen geht nur noch Stop-and-go. Doch Taxifahrer Bernd Meyn hat im Stau immer noch Ruhepuls. Der gut gelaunte 52-Jährige mit der Halbglatze hat sein weiß-blau-kariertes Hemd lässig in die Jeans gesteckt, auf der Nase trägt er eine eckige Brille mit dünnem, silbernen Rand. Sein kleiner Bordcomputer piept – der erste Auftrag für diesen Tag.

Vom Stadtteil Ottensen geht es in die wenige Kilometer entfernte Klinik an der Holstenstraße. Ein älterer Herr muss in die Radiologie – es besteht der Verdacht auf eine Lungenentzündung. „Ich fahre sonst nur Fahrrad. Aber heute fehlt mir dazu die Kraft“, erzählt der Patient. Bernd Meyn bringt ihn zügig und sicher ans Ziel. Noch während der Gast zahlt, erhält er die nächste Anfrage. Eine Restaurantmitarbeiterin will ihre Pause nutzen, um nach Hause zu fahren. Ihr Mann nutze heute das gemeinsame Auto und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln brauche sie für die Strecke etwa die vierfache Zeit, berichtet sie.

Taxifahren wird durchschnittlich um 6,7 Prozent teurer

Die Taxifahrt durch Hamburg wird ab Juni teurer - durchschnittlich um 6,7 Prozent. Besonders teuer wird es zu den Hauptverkehrszeiten. Vormittags zwischen 7 und 10 Uhr und am Nachmittag zwischen 16 und 19 Uhr steigen die Preise sogar um 12,2 Prozent, so die Verkehrsbehörde. Zudem komme eine Festpreisregelung dazu. Fahrgäste können bei einer Strecke bis zu zwölf Kilometern Länge eine Pauschale von dreißig Euro vereinbaren. Die Stadt reagiert damit nach eigenen Worten auf die gestiegenen Lebenshaltungs- und Betriebskosten. Außerdem sollen Staunachteile ausgeglichen werden, so die Sprecherin.

Was sind Staunachteile? „Zu den Hauptverkehrszeiten stehen wir oft im Stau. Diese Zeit wird uns nicht bezahlt“, erklärt Bernd Meyn. In Hamburg gibt es die Karenzminute, das heißt Fahrgäste zahlen für die erste Minute eines jeden Stopps im Stau oder an roten Ampeln nichts. Zwar hätte Meyn es besser gefunden, wenn diese Karenzminute abgeschafft worden wäre, aber er finde es zunächst einmal gut, dass die Stadt überhaupt reagiert habe. „Auf der anderen Seite kann ich auch verstehen, dass man als Fahrgast gerne verlässliche Preise haben möchte“, sagt der zweifache Vater. Grundsätzlich sei der zunehmende Verkehr ein großes Problem. „Die ganze Verkehrspolitik geht dahin, dass die Straßen immer voller werden. Die Leute suchen sich andere Möglichkeiten, um von A nach B zu kommen“, erzählt Meyn. „Wir sind die Leidtragenden dieser Verkehrspolitik.“

Der Taxiunternehmer Bernd Meyn im Museumshafen vor seinem Taxi
Der Taxiunternehmer Bernd Meyn im Museumshafen vor seinem Taxi © dpa | Axel Heimken

"Immer noch günstiger als ein eigenes Auto"

Die Restaurantmitarbeiterin fährt fast nie zur „Rush Hour“. „Da habe ich nochmal Glück gehabt“, sagt sie. Die Preiserhöhung findet sie zwar nicht gut, „aber wenn es den Taxifahrern hilft, dann ist es in Ordnung“, erklärt sie. Auch der dritte Fahrgast, eine Frau mittleren Alters, die auf Krücken unterwegs ist, zeigt sich nicht sonderlich beeindruckt von der Preiserhöhung, obwohl sie oft in eines der rund 3000 Hamburger Taxis steigt. „Es ist immer noch günstiger als ein eigenes Auto“, sagt sie. Die vierte Tour geht an diesem Tag mit einem Pärchen von Stellingen nach Burgwedel. Beide haben bereits Alkohol getrunken und möchten auch nicht mit der Bahn fahren.

Bernd Meyn ist Mitglied der Genossenschaft Hansa-Taxi. Mit 400 Genossen und rund 800 Wagen ist Hansa-Taxi Marktführer in der Metropolregion Hamburg. „Seit acht Jahren biete ich auch Stadtführungen an“, berichtet Meyn. Angefangen habe er mit dem Taxifahren, um sich sein Studium zu finanzieren. Dann sei er Vater geworden, habe sein Lehramtsstudium abgebrochen und säße mittlerweile seit 26 Jahren hinter dem Steuer.

Längste Tour war 3500 Kilometer lang

„Mit einem Taxi nach Paris“ - den bekannten Popsong mochte Bernd Meyn nie. „Niemand fährt mit einem Taxi nach Paris, dachte ich immer“, erzählt er. Doch im August 2013 kam es auch für ihn anders. Es beginnt mit einem normalen Auftrag. „Ich sollte eine Gruppe Inder am Hamburger Flughafen abholen und sie nach Hannover fahren“, berichtet er. Die fünf Fahrgäste waren Delegierte der indischen Landwirtschaftskammer. Meyn, selbst gelernter Landwirt, und die fünf Asiaten verstehen sich auf Anhieb. „Unterwegs kehrten wir in einem Restaurant ein und ich zeigte ihnen deftige, norddeutsche Küche“, schmunzelt er. In Hannover angekommen, fragen sie ihn, ob er sich vorstellen könne, sie mit seinem Taxi durch Europa zu fahren. Bernd Meyn zögert nicht eine Sekunde. „Das ist eine Tour, die hat man einmal im Leben und dann nie wieder“, berichtet er.

Ein paar Tage später holt er seine Gäste wieder in Hannover ab und das Abenteuer beginnt. Über Berlin und Dresden geht es weiter nach Prag und Budapest, danach nach Wien und Regensburg und schließlich, mit einem Zwischenstopp in einem kleinen Ort in Bayern, wo ein Onkel einer der Fahrgäste lebt, bis zum Brüsseler Flughafen - insgesamt eine 3.500 Kilometer lange Strecke. Dafür zahlen die Fünf 3.500 Euro plus die Übernachtungskosten.

Auch Günter Netzer saß schon bei Meyn im Auto

Gern erinnert er sich auch an Touren mit Prominenten zurück, etwa mit Schauspielerin Corinna Harfouch, die er aus Ahrenshoop abholte und nach Hamburg brachte. Auch der Fußballexperte und ehemalige Spieler der Nationalmannschaft Günter Netzer saß schon hinter ihm – für den Pauli-Fan Meyn ein ganz besonderes Erlebnis. „Ich habe ihn vor etwa zehn Jahren gefahren, als Jürgen Klinsmann seinen Trainervertrag bei Bayern München unterschrieben hatte und dann haben wir sehr intensiv über Fußball philosophiert“, erinnert sich der Chauffeur.

Die weniger schönen Erlebnisse gibt es natürlich auch, etwa wenn Betrunkene sich im Taxi übergeben müssen. „Das ist immer ein bisschen anstrengend“, sagt Meyn. „Einmal habe ich eine Dame von der Ostsee abgeholt. Sie hatte Verdauungsbeschwerden und morgens noch ein Abführmittel genommen. Das wirkte dann während der Fahrt. Das war ganz ganz übel“, erzählt er. Genauso wie brenzlige Situationen: „Einmal hatte ich Junkies im Auto, die von der Reeperbahn nach St. Georg und wieder zurück fahren wollten. Auf der Rückfahrt sagten sie mir dann, dass sie immer eine Pistole dabei hätten, falls mal ein Dealer Ärger macht“, erzählt Meyn. Und ein anderes Mal sei einem Mann beim Aussteigen eine Pistole aus der Hosentasche gefallen.

Ist Taxifahren nun ein Traumjob? „Dafür sitzt man zu viel. Das merke ich jetzt. Außerdem wird das rechte Bein viel stärker belastet als das linke“, resümiert Meyn. Allerdings sei der Beruf „überraschend, man weiß nie, was passiert. Jeder Tag ist anders“, sagt er und nimmt auf seinem Bordcomputer den nächsten Auftrag entgegen.