Hamburg. Die Schiffbauer fürchten die Billigkonkurrenz aus China. Verband beklagt „Subventionen in nie da gewesener Höhe“ für Konkurrenz.
Der deutsche Schiffbau erklimmt ein neues Rekordhoch. Seit sechs Jahren berichten seine Betriebe von steigenden Bestellungen, im vergangenen Jahr standen in den Orderbüchern Aufträge im Gesamtwert von 18 Milliarden Euro. Das ist der höchste Auftragsbestand im deutschen Handelsschiffbau, teilte der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) am Dienstag in Hamburg mit.
Die Aufträge kamen zu 95 Prozent aus dem Ausland. Die Kunden orderten zu 85 Prozent Passagierschiffe, Fähren und Spezialschiffe. Doch nur wenige Betriebe profitieren von dieser Entwicklung, und für andere sind die Aussichten bedrohlich.
Experten: Managementfehler im Schiffbau
„Es ist schwer verständlich, warum wir einerseits Rekordaufträge vermelden und andererseits mit den Alarmglocken läuten“, sagte der Präsident des Verbands, Harald Fassmer, zugleich Geschäftsführer der Fassmer-Werft im niedersächsischen Berne. „Aber es ist so, dass die Bestellungen auf dem Weltmarkt insgesamt deutlich zurückgegangen sind.“ Darunter leide auch die Auslastung an deutschen Produktionsstandorten. Insbesondere viele Hersteller von Schiffskomponenten und die System- und Anlagenbauer treffe die Weltmarktschwäche hart.
So ergibt sich ein differenziertes Bild: Während die malaysische Genting-Gruppe auf den MV Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund mindestens drei Schiffsneubauten pro Jahr herstellen will und auch das Orderbuch der Meyer Werft in Papenburg auf Jahre gefüllt ist, hat die Lloyd Werft in Bremerhaven 100 Stellen gestrichen, und bei Hamburgs großem Traditionsunternehmen Blohm + Voss müssen sogar 300 Mitarbeiter gehen.
Nach Meinung von Experten ist der Schiffbau an der Elbe vor allem durch Managementfehler in der Vergangenheit ins Hintertreffen geraten. Notwendige Investitionen in eine Modernisierung von Blohm + Voss fanden nicht statt, zudem setzte das Management zu lange auf den Bau von Luxusyachten, wofür der Markt immer kleiner wird.
Bestellungen fast ausschließlich Spezialschiffe
Andere Betriebe haben sich rechtzeitig auf andere Segmente des Spezialschiffbaus wie Luxusliner oder Versorger von Offshore-Basen ausgerichtet. Die Wertschöpfung beim Bau solcher Schiffe ist hoch.
Ein Wermutstropfen aus Sicht der VSM: Der Auftragseingang im vergangenen Jahr ist nur dem Wert nach auf Rekordhöhe. Ein Vergleich zeigt: Im Jahr 2000 erhielten deutsche Werften Aufträge für 158 Schiffe im Wert von umgerechnet 5,6 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 31 Aufträge, aber der Wert betrug knapp acht Milliarden Euro. Die Bestellungen sind fast ausschließlich Spezialschiffe, während in der Vergangenheit vielfach Frachtschiffe gebaut wurden.
Bedrohlich werde die Lage nun, weil sich die Produzenten auf langfristig schwächere Wachstumsraten der Schifffahrt einstellen müssten, so Fassmer. „Die alte Rechnung, wonach eine Verdoppelung des Weltmarktwachstums den Flottenbedarf ergibt, stimmt nicht mehr“, so Fassmer.
Zudem seien handelspolitische Trends zu beobachten, die zu weiteren Marktverzerrungen führten – etwa ein wachsender Trend zu Protektionismus und „Subventionen in nie da gewesener Höhe“. An Europas größten Schiffbaubetrieben Fincantieri und STX sind der italienische beziehungsweise der französische Staat beteiligt, während Deutschlands Werften privatwirtschaftlich organisiert sind.
Schiffbauer fürchten chinesische Konkurrenz
Vor allem die Konkurrenz aus China fürchten die Schiffbauer hierzulande: „China hat angekündigt, künftig Hightech-Schiffe zu bauen, und das ist die deutsche Domäne“, sagte VSM-Hauptgeschäftsführer Lüken. „Die Chinesen haben den Vorteil, dass sie uns sagen, was sie vorhaben“, so Lüken. „Und dann setzen sie es auch um. Spätestens 2023 werden wir ein chinesisches Kreuzfahrtschiff auf dem Wasser haben.“
Erst kürzlich hat das staatliche chinesische Schiffbau-Unternehmen CSSC mit der italienischen Fincantieri eine Kooperation zum Bau zweier Kreuzfahrtschiffe für die US-amerikanische Carnival Corporation geschlossen. Für die deutsche Schiffbauindustrie ist das eine Bedrohung. Sie fürchtet um ihren Vorsprung im technischen Wissen, denn der Bau von Kreuzfahrtschiffen ist sehr komplex. Die japanische Werft Mitsubishi ging deshalb am Bau der „AIDAprima“ fast zugrunde. Die Produktion dauerte viel länger und wurde viel teurer als erwartet, allein schon weil die japanische Werft das komplexe Zusammenspiel mit mehr als 100 Zulieferbetrieben nicht beherrschte.
Nun baut wieder die Meyer Werft in Papenburg die „AIDA“-Schiffe. „Auch die chinesischen Werften müssen ihre Erfahrungen sammeln und werden ihre Lernkurve brauchen“, sagte Lüken.