Hamburg. Conchita Wurst sang, der Champagner floss in Strömen: Doch nicht nur heterosexuelle Rentner stießen sich am Konzept von Tui Cruises.

Es war eine Premiere für Tui Cruises: Anfang Mai führte der Hamburger Spezialist für besondere Kreuzfahrten den ersten an schwule und lesbische Kunden gerichteten Törn durch. Unter dem Titel Rainbow Cruise schipperte die "Mein Schiff 2" neun Tage lang von Mallorca nach Malta – mit mehreren Zwischenstopps und Unterhaltungsprogramm von DJ WestBam, Conchita Wurst oder auch zweier Dragqueens.

Höhepunkt auf dem Rainbow Cruise: Auch Tom Neuwirth alias Conchita Wurst trat auf schwul-lesbischen Kreuzfahrt auf (Archivbild)
Höhepunkt auf dem Rainbow Cruise: Auch Tom Neuwirth alias Conchita Wurst trat auf schwul-lesbischen Kreuzfahrt auf (Archivbild) © Imago/Future Image

Doch mit der Präsenz der für die sogenannte LGBTI-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Intersexuelle) offenbar unablässigen Ikonen war die Herrlichkeit fast schon vorbei – zumindest, wenn es nach dem Eindruck Jürgen Drenseks geht. Denn in seiner Analyse hat der Reisejournalist einige Schwächen der ersten schwul-lesbischen Kreuzfahrt eines deutschen Anbieters ausgemacht.

Tickets auch an Heteros im Rentenalter

"Hinter Glitzer und Glamour waren schon noch viele organisatorische Baustellen erkennbar, die auf jeden Fall abgearbeitet werden müssen", urteilt Drensek. So habe es bereits "in der Vorbereitung dieser Tour an allen Ecken und Kanten geknirscht“, auch die Werbung mit zwei "Muskel-Matrosen" sei bei einem Großteil der Zielgruppe durchgefallen, schreibt der Experte.

Demnach habe sich die Kreuzfahrt zunächst nicht verkauft, worauf Tui 300 Plätze letztlich auch an heterosexuelle Interessenten vergeben habe. Dadurch hätten sich wiederum viele Passagiere "endgültig auf dem falschen Dampfer" gefühlt: "Erst recht, weil am Ende die Frühbucherrabatte teurer kamen als die Last-Minute-Buchungen."

Gleitgel zur Begrüßung

Zudem hätten einige der Spätbucher im Rentenalter mit dem speziellen Ambiente gefremdelt. Zur Begrüßung habe jeder Gast neben einer roten Rose auch pinkfarbene Plüschhandschellen, Präservative und Gleitgel erhalten. Auch viele Stewards hätten scheinbar derart mit Vorurteilen gegenüber den Gästen zu kämpfen gehabt, dass der Service "deutlich unter dem gewohnten Schiffs-Standard" zurückgeblieben sei.

"Heterosexuelle Männer, die sich trotzdem ins Dampfbad wagten, trugen ab dem zweiten Tag lieber Badehose", schreibt Drensek, der Tui Cruises insgesamt eine inkonsequente Umsetzung der Themenfahrt vorhält – womöglich auch aus Furcht vor "schlüpfrig-pornografischen Boulevard-Schlagzeilen". Erwähnenswerte Vorfälle habe es auf der "Mein Schiff 2" jedoch nicht gegeben. Lediglich der mysteriöse Fall "eines eher unwilligen Kabinenstewards, der sogar mit dem Bann von Bord endete" habe die Runde gemacht.

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Mehr Alkohol als auf anderen Reisen

Der Kreuzfahrt-Experte schlägt aber auch versöhnliche Töne an. Die Queer-Fahrt sei "die stimmungsvollste" gewesen, "die ich jemals an Bord eines TUI-Schiffes erlebt habe". Wozu letztlich auch der Alkoholkonsum beigetragen haben dürfte: Laut Drensek wurden während der neun Tage auf der "Mein Schiff 2" unter anderem 400 Flaschen Champagner konsumiert.

Zudem seien Sekt mit 2500 Flaschen doppelt so oft und Gin sowie Vodka dreimal so häufig über die Theke gegangen wie üblich. Bier sei allerdings weniger geflossen als etwa bei der ebenfalls von Tui veranstalteten "Full Metal Cruise", bei der der Vorrat bereits nach drei Tagen aufgebraucht gewesen sei.

Tui Cruises will zwei Zielgruppen ansprechen

Sogenannte Gay Cruises hatte es bislang vor allem in den USA gegeben – unter anderem bei Royal Caribbean, Celebrity Cruises und Holland America Line. In der Regel wird dafür ein ganzes Schiff gechartert. Vor dem Rainbow Cruise hatte Tui neben Heavy-Metal-Kreuzfahrten auch andere Themenfahrten wie den "Rockliner" mit Udo Lindenberg oder "Schallwellen" mit Santiano angeboten.

Mit Themenkreuzfahrten versucht Tui Cruises zwei Zielgruppen anzusprechen: "Das ist ein guter Weg, um über gemeinsame Interessen, Menschen für eine Kreuzfahrt zu begeistern, die normalerweise keine Kreuzfahrt machen würden", hatte Geschäftsführerin Wybcke Meier Ende 2015 bei der Vorstellung des Rainbow-Konzepts gesagt. Ob sich der schwul-lesbische Sondertörn im Kreuzfahrtkalender etablieren wird, muss nun wohl auch eine interne Analyse zeigen.