Neustadt. Hamburger Justiz hat neuen Staatsschutzsenat eingerichtet. Er muss vor allem gegen mutmaßliche IS-Terroristen verhandeln.

Sie sind mutmaßliche Terroristen oder Spione und stehen im Verdacht, die Sicherheit Deutschlands zu gefährden: Auf Hamburg kommen in nächster Zeit voraussichtlich deutlich mehr Prozesse in sogenannten Staatsschutzverfahren zu als bisher. Kommenden Monat beginnt beispielsweise ein Verfahren gegen drei junge Männer, die Mitglieder der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) gewesen sein sollen.

Außerdem laufen Ermittlungen gegen IS-Kämpfer Harry S., der in Hamburg bereits zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Wird er erneut von der Bundesanwaltschaft angeklagt, würde er sehr wahrscheinlich wieder in Hamburg vor Gericht gestellt – diesmal womöglich wegen mehrfachen Mordes. Auch weitere Verfahren sind in Vorbereitung, alles Arbeit für die beiden Staatsschutzsenate am Hanseatischen Oberlandesgericht.

Weltweite Beachtung nach dem 11. September

Bislang hat es lediglich einen solchen Senat in der Hansestadt gegeben. Doch jetzt wurde ein zweiter, besetzt mit fünf Richtern, installiert. Er hat gerade seine Arbeit aufgenommen. Beide Gerichte sind für solche Verfahren zuständig, in denen die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen führt. Seit im Jahr 2011 ein Staatsvertrag zur Gründung eines gemeinsamen Staatsschutzsenats zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern unterzeichnet wurde, werden in der Hansestadt alle Terrorprozesse dieser drei Bundesländer verhandelt. Schon vorher war Hamburg auch für entsprechende Bremer Verfahren zuständig.

Weit über Deutschlands Grenzen hinaus hatte der Hamburger Staatsschutzsenat für Beachtung gesorgt, als hier im Jahr 2002 der weltweit erste Prozess zu den Anschlägen vom 11. September 2001 verhandelt wurde. Das Verfahren endete, nachdem zweimal ein Urteil vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden war, zuletzt mit 15 Jahren Freiheitsstrafe für den Angeklagten. In einem weiteren Prozess um die Terrorakte kam es im Februar 2004 zu einem Freispruch. Zudem wurden hier mehrere PKK-Prozesse verhandelt, also Verfahren wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Arbeiterpartei Kurdistans“. Darüber hinaus standen in Hamburg auch Männer wegen des Verstoßes gegen das Iranembargo sowie gegen das Außenwirtschaftsgesetz vor Gericht.

Flüchtlinge nach Festnahme ab Juni vor Gericht

Den drei jungen Männern, die sich vom 13. Juni vor dem Hamburger Staatsschutzsenat verantworten müssen, wirft die Bundesanwaltschaft vor, Mitglieder des IS gewesen zu sein. Die drei 18, 19 und 26 alten syrischen Staatsangehörigen sollen sich Anfang Oktober 2015 gegenüber dem ihnen übergeordneten Befehlshaber verpflichtet haben, sich im Auftrag des IS nach Europa zu begeben.

Hier sollten sie demnach entweder einen bereits übermittelten Auftrag erledigen oder als sogenannte Schläferzelle auf weitere Aufträge warten. Die drei Männer waren im September bei einer Razzia in Flüchtlingsunterkünften in Ahrensburg, Großhansdorf und Reinfeld von Spezialkräften festgenommen worden.

Auch einem mutmaßlichen Spion könnte vor dem Hamburger Staatsschutzsenat der Prozess gemacht werden – wenn die Bundesanwaltschaft Anklage gegen ihn erhebt. Noch laufen die Ermittlungen gegen den 31-Jährigen, der im vergangenen Dezember in Hamburg festgenommen worden war. Der unter Spionageverdacht stehende Mann soll im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Deutschland unter anderem Informationen über Aufenthaltsorte, Kontaktpersonen und politische Tätigkeiten von in Deutschland lebenden Kurden verschafft haben.

PKK-Prozesse sorgen für Furore

Der Bremer Harry S., der ebenfalls in Hamburg vor Gericht landen könnte, ist für die hiesige Justiz kein Unbekannter. Der heute 28-Jährige musste sich bereits im vergangenen Jahr vor dem Staatsschutzsenat in Hamburg verantworten, weil er sich im Jahr zuvor in Syrien für den IS in einem Wüstenkamp an Waffen hatte ausbilden lassen. Außerdem hatte er in einem Propagandavideo der Terrorgruppe mitgespielt. Das Gericht verhängte drei Jahre Haft gegen den jungen Mann.

Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft erneut gegen Harry S. - wegen Mordes in sechs Fällen und der Begehung von Kriegsverbrechen. Hintergrund ist die öffentliche Erschießung von sechs Gefangenen in der syrischen Stadt Palmyra im Juni 2015 durch Mitglieder des IS. Noch ist nicht entschieden, ob in dieser Sache Anklage gegen S. erhoben wird.

Aktuell läuft vor dem Staatsschutzsenat der Prozess gegen den türkischen Staatsangehörigen Zeki E. Dem 36-Jährigen wird die Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und damit in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Er soll unter dem Decknamen „Siyar“ von März 2013 bis Ende August 2014 als hauptamtlicher Kader der PKK in Deutschland tätig gewesen sein. Zuletzt hatte ein Urteil des Senats große Aufmerksamkeit erregt, als ein kurdischer Funktionär eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten erhalten hatte – die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Vorher hatten die Richter in ähnlichen Prozessen höhere Strafen verhängt. Die mehr als 70 Zuschauer im Saal applaudierten im Stehen, als klar war, dass der PKK-Mann auf freien Fuß kommt.