Hamburg . Sie sollen die verbotene Vereinigung Millatu Ibrahim weiter betrieben haben. Gericht vertagt sich nach Antrag der Verteidigung.

Das war ein buchstäblich kurzer Prozess: Die bisher größte Gerichtsverhandlung gegen mutmaßliche Salafisten in Hamburg musste am Montag jäh unterbrochen werden. Die Staatsanwaltschaft kam nicht einmal zur Verlesung der Anklageschrift. Grund: Die Verteidigung beantragte, die Besetzung des Gerichts zu überprüfen. Sie sei zu spät über eine abweichende Besetzung informiert worden. Zudem gebe es Zweifel, ob die Besetzung eines Schöffen korrekt gewesen sei.

„Dem Antrag wurde stattgegeben, weil ein Ergänzungsschöffe so kurzfristig entpflichtet werden musste, dass die Verteidigung nicht rechtzeitig benachrichtigt werden konnte“, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen. Möglicherweise wird die Verteidigung am kommenden Verhandlungstag (4. Mai) eine Rüge erheben. Das Landgericht unter Vorsitz von Alfons Schwarz müsste dann entscheiden, ob die Besetzung rechtmäßig ist.

Rene L. soll Rädelsführer der Vereinigung gewesen sein

Angeklagt sind zwölf Männer, überwiegend Deutsche, wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot. Weil es sich dabei um keine Katalog-Straftat wie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung handelt, ist nicht der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts, sondern das Landgericht zuständig. Die Männer sollen die im Februar 2012 bundesweit verbotene salafistische Vereinigung Millatu Ibrahim von Juli 2012 an in Hamburg fortgeführt haben.

Kopf und Mitgründer von Millatu Ibrahim war der islamistische Terrorist Denis Cuspert, hierzulande auch als Rapper Deso Dogg bekannt. Rädelsführer der neuen Gruppe soll Rene L. gewesen sein. Am Montag bedeckte der 32-Jährige beim Auftakt des medial viel beachteten Prozesses seine Augen mit einer Sonnenbrille, trug einen dicken Parka und verbarg sein Gesicht hinter einem Aktendeckel.

Ein Beschuldigter ist vermutlich in Syrien ums Leben gekommen

Ursprünglich war gegen 14 Salafisten ermittelt worden. Gegen einen ist das Verfahren in Hinblick auf eine kürzliche Verurteilung eingestellt worden, es handelt sich um Nader A. H., den Bruder eines der jetzt Angeklagten. Ein Gericht hatte ihn bereits zu fünf Jahren Haft verurteilt wegen Computerbetrugs, außerdem soll er Millatu Ibrahim mit Finanzmitteln aus dieser Straftat unterstützt haben.

Ein weiterer Beschuldigter, ebenfalls ein Bruder eines der jetzt angeklagten Männer, ist vermutlich beim Kampf für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien ums Leben gekommen. Unter den Angeklagten ist auch der Pinneberger Salafist Slim K. (33). Er soll in einer Lübecker Moschee zum „Heiligen Krieg“ aufgerufen haben.

Die Anklageschrift umfasst rund 120 Seiten

Konkret wirft die Staatsanwaltschaft den zwölf Männern im Alter zwischen 24 und 36 Jahren vor, sich zu Schulungen in der Harburger Taqwa-Moschee getroffen, Koranverteilungsstände in der Innenstadt betrieben und Kontakte zu anderen Gruppen der salafistischen Szene gepflegt zu haben. Außerdem sollen einzelne Angeklagte an Nahkampftraining teilgenommen haben, um sich auf den „Dschihad“ vorzubereiten. Weiterhin sollen sie Straftaten zur Beschaffung von Finanzmitteln begangen, salafistisch-dschihadistische Pamphlete verbreitet und Sympathisanten der Gruppe bei der Ausreise nach Syrien geholfen haben. Allein die Anklageschrift umfasst rund 120 Seiten.

Ein Urteil wird nicht vor dem 13. Dezember erwartet. Den Angeklagten droht Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft.