Hamburg. Im Rahmen des „Maximal minimal“-Festivals öffnete sich das Wahrzeichen gut 500 Mitwirkenden. Happening war PR-Volltreffer.

Die gemeinsame ästhetische Wellenlänge eines Malers mit dem Minimal-Music-Altmeister Steve Reich ist unverkennbar: Später Gerhard Richter, eine seiner großen Leinwände mit allen denkbaren Farben, die durch das Zufallsprinzip eines riesigen Abstreichholzes in Schlieren gezogen werden. Reichs Ensemble-Klassiker „Music for 18 Musicians“ gleicht diesen Farbexplosionen von Richter, der gern Reichs Musik hören soll, um dabei zu arbeiten.

Bei ihrem zweiten Auftritt im Rahmen des „Maximal minimal“-Festivals brachte die Colin Currie Group Reichs Meisterwerk im Großen Saal der Elbphilhar­monie zum Leuchten. Musik wie ein Duracell-Hase: läuft und läuft. Die Magie der Mixturmöglichkeiten, die Reich aus den Schlaginstrumenten, Klavieren, Streichern, Klarinetten und textlosen Stimmen herauszaubert, wirkte kurzweilig und hochdramatisch, weil die Spannung keine Sekunde bröckelte.

Pianistisches Zirkeltraining

Lehrrreich war es auch einen Tag später. Bis dahin konnte man meinen, dass vor allem die erste Hälfte der 20 „Piano Etudes“ von Reichs Zeitgenossen Philipp Glass arg um sich selbst kreist, als bis an den Horizont gedehnte Fingerübung, um ständige Arpeggios und Harmonie-Verbiegungen mit Uhrmacher-Geduld in den Griff zu bekommen. Doch Víkingur Ólafsson sah und spielte seine Achter-Auswahl aus den 20 Endlosschleifen wie Langstrecken-Gedichte aus sehr wenigen Worten, weil er die Gestaltungsmöglichkeiten stärker betonte als die mechanisch abzuarbeitende Notenmenge.

Etwas zu romantisierend benebelt in den langsamen Etüden, nicht immer trennscharf genug in den rasanten. Alles in allem aber ein smart bestandenes pianistisches Zirkeltraining. Großer Jubel im Kleinen Saal, ein charmanter Rameau als Dessert und Beleg, dass die gern belächelte Noten-Nähmaschine schon im Barock und nicht erst im New York des späten 20. Jahrhunderts erfunden wurde.

Knapp 500 Mitwirkende

Musikgeschichte zum Nachhören, schön und gut, doch das Konzert unmittelbar nach diesem Recital war viel mehr als nur ein Konzert. Für eine Aufführung von Terry Rileys „In C“ hatte das Haus großflächig eingeladen, denn hier gibt es außer 53 simplen Melodie-Modulen, die man mit jedem Instrument und in jeder beliebigen Menge zusammenstöpseln kann, und einem pulsierenden C als Leitplanke keine Spielregeln.

Dutzende Hamburger Freizeit-Ensembles summierten sich auf knapp 500 Mitwirkende, die nicht nur die Bühne des Großen Saals restlos füllten, sondern auch den Rang dahinter und das Parkett davor. Die Kulturpolitik spricht über die Elbphilharmonie gern als das „Haus für alle“.

Dieses Happening für sehr viele war also auch ein PR-Volltreffer in die Herzen aller Mitwirkenden. Der junge Brite Duncan Ward, bei diesem Spektakel eher cooler Animateur als klassischer Maestro, hielt den brodelnden Riesenladen mit Spaß an der Freude eine Stunde zusammen, bevor das Gruppenerlebnis endete und die Erinnerung daran begann.