Hamburg. Drei Stunden bei Regen mit dem Barmbeker Kult-Sänger. Ein Thema wollte Lotto King Karl schnell abhaken und gab ein Versprechen.

Betrunkene Menschen liegen sich in den Armen und grölen „Hamburg, meine Perle“. Es hat aufgehört zu regnen, die durchnässten Klamotten kleben eng am Körper und die Füße sacken in den weichen Boden vor der Stadtparkbühne ein. Lotto King Karl schüttelt das Mikrofon, um es vom Wasser zu befreien. „Wir scheißen alle auf das Wetter“, brüllt er und singt unermüdlich an der Seite von HSV-Maskottchen Dino Hermann weiter.

Drei Stunden zuvor hat Lotto am Sonnabendabend zum 46. Mal mit den Barmbek Dream Boys die Freiluft-Konzertsaison im Stadtpark eröffnet. „360 Grad“ gibt’s zum Auftakt bei einer Außentemperatur von 19 Grad und vereinzelten Schäfchenwolken am überwiegend blauen Himmel. Das Auswärtsspiel vom abstiegsgefährdeten HSV auf Schalke (1:1) liegt zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 110 Minuten zurück.

HSV schnell abgehakt

Viele Lotto-Fans tragen Trikots und Schals, die meisten kommen direkt aus der Kneipe. „Lasst uns das Fußballthema ganz kurz abhaken“, sagt der Stadionsprecher des Bundesligadinos und 4000 Anhänger jubeln. „Die letzten fünf Minuten waren unsere. Nächstes Wochenende machen wir Wolfsburg fertig, das schwöre ich euch.“ Bevor das Konzert in einen Fußball-Plausch ausartet, macht Lotto weiter mit „Was ist eigentlich mit Frank?“ und „Bild von dir“.

Lotto King Karl beim Auftakt der Stadtpark-Konzertsaison 2017
Lotto King Karl beim Auftakt der Stadtpark-Konzertsaison 2017 © dpa | Markus Scholz

Erst am vergangenen Freitag ist sein neues Album „360 Grad“ erschienen. Sechs lange Jahre hat der Hamburger an der Platte gearbeitet. Es spielen weniger Fußball und Alkohol eine Rolle, dafür mehr Leben, Freunde und Heimatliebe. Viele Songs hat Lotto bereits auf Konzerten ausgetestet, deswegen können Lieder wie „Ole“ und „Elvis lebt in Bielefeld“ schon relativ textsicher mitgerockt werden. Klassiker wie „Bis der Arzt kommt“ oder „Malaria“ bleiben aber das Non-Plus-Ultra und sorgen für die beste Stimmung.

Lottos Überraschungsgast Vince Bahrdt

Umbauphasen auf der Bühne versucht der 50-Jährige mit Anfeuerungsrufen wie „Hamburger Jungs“ zu überbrücken. Das Publikum steigt sofort ein, brüllt es dem Sänger nach und hüpft. Dass die eine oder andere Unterbrechung länger dauert, stört niemanden. „Erheben wir unsere Gläser auf einen Überraschungsgast“, sagt Lotto und Orange-Blue-Songwriter Vince Bahrdt marschiert auf die Bühne. Gemeinsam singen sie „Im Himmel gibt’s keinen Alkohol“ und die Fans strecken ihre Bierbecher in die Luft. Mittlerweile ziehen dunkle Wolken über den Stadtpark.

Ein paar Songs schafft Lotto noch zu spielen, ehe es um 21 Uhr erst vorsichtig tröpfelt und dann richtig schüttet. Regenschirme sind bei Stadtpark-Konzerten verboten, die Menschen werfen sich Plastikcapes über und suchen Zuflucht bei Getränkeständen. Nach Hause gehen? Kommt gar nicht in Frage! „Prost Leute“, ermuntert der Sänger seine Fans. „Prost Lotto!“

Es wird im Regen getanzt. „Ich liebe dich, nur dich, so wie der Hamburger sein Holsten“, singt das Publikum und liegt sich in den Armen. Nicht nur Lotto auf der Bühne, sondern auch das Wasser von oben gibt Vollgas. Sein schwarzes T-Shirt trieft vor Nässe. „So ist Norddeutschland halt“, sagt er und versucht die Fans mit „Fliegen“ bei Laune zu halten. Und es gelingt ihm.

Nach zweieinhalb Stunden ergreifen dann doch vor der ersten Zugabe vereinzelte Zuschauer die Flucht. Sie verpassen Songs wie „Manuel Neuer“, der nicht etwa vom deutschen Nationaltorhüter handelt, sondern von Werbung. Und das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Nach 180 Minuten stimmt Lotto seine Hymne „Hamburg, meine Perle an“ und läutet traditionell das Ende seines Konzerts ein. Weißes Konfetti schießt aus Kanonen in die Menge, die Schnipsel bleiben an den durchgeweichten Fans kleben. Ein in jeglicher Hinsicht feuchtfröhlicher Abend endet.